Missverständnis Nr. 1 bei Kurzarbeit ist, dass der Arbeitnehmer den Antrag stellt und das Kurzarbeitergeld direkt von der zuständigen Arbeitsagentur an ihn bezahlt wird. Das ist falsch. Richtig ist vielmehr, dass der Arbeitgeber tätig werden muss, mit einer – rechtzeitigen – Vorankündigung („Anzeige“) an die Arbeitsagentur, dass Kurzarbeit beabsichtigt ist und mit einem konkreten (und zeitaufwändigen) Antrag auf Erstattung des Kurzarbeitergeldes und der Sozialversicherungsbeiträge. Am Monatsende allerdings ist dann erneut erst mal der Arbeitgeber in der Pflicht: Er muss das Kurzarbeitergeld vorstrecken, also an die Mitarbeiter auszahlen. Und die darauf entfallenden Sozialversicherungsanteile für Arbeitnehmer und Arbeitgeber an die Krankenkasse abführen.
Ob und wann er mit einer Erstattung durch die Arbeitsagentur rechnen kann, wird für zigtausende von Arbeitgebern, den kleinen und kleinsten insbesondere, eine nervenzerfetzende Frage werden in den nächsten Wochen und könnte das zu befürchtende massenweise Firmensterben noch beschleunigen. | Lesedauer: Ca. 7 Minuten
Das Verfahren zum Beantragen von Kurzarbeitergeld
Voraussetzung: Eine Betriebsnummer muss vorhanden sein
Der Arbeitgeber(betrieb) muss eine BETRIEBSNUMMER bei der Arbeitsagentur haben. Kleine und mittlere Unternehmen, die bisher schon sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter hatten, haben damit kein Problem: Sondern im Laufe ihres Unternehmenslebens eine solche Betriebsnummer beantragt bzw. erhalten.
Sollte das Unternehmen, aus welchen Gründen noch immer, bisher noch keine Betriebsnummer haben, so empfiehlt es sich, schleunigst eine solche zu beantragen. Das kostet nichts und sorgt dafür, dass das Unternehmen als Partner gegenüber den Sozialversicherungsträgern überhaupt bekannt und identifizierbar wird.
Schritt 1: Anzeige über Arbeitsausfall
Die Arbeitsagentur möchte gerne von den Arbeitgebern schon im Vorhinein wissen, ob eventuell im nächsten Monat und der Folgezeit Kurzarbeit beantragt werden wird. Das setzt voraus, dass die Voraussetzungen für den vermutlich zukünftigen Arbeitsausfall vorliegen. Außerdem müssen die betroffenen Mitarbeiter von der geplanten Kurzarbeit informiert und damit einverstanden sein und am besten eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat dazu abgeschlossen worden sein, wenn es denn einen Betriebsrat gibt.
Dazu ist das Formular ‚Anzeige über Arbeitsausfall‘ vorgesehen, das über die Webseite der Bundesagentur für Arbeit (BA) heruntergeladen werden kann. Über diese Anzeige trifft die zuständige Agentur für Arbeit eine Grundsatzentscheidung. Eine solche, natürlich positive, Entscheidung ist Voraussetzung dafür, dass danach überhaupt ein Antrag auf Kurzarbeitergeld und pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für die Bezieher von KUG, der sogenannte Leistungsantrag, gestellt werden kann. [Siehe dazu auch B]
Es empfiehlt sich dringend, diese Anzeige über Arbeitsausfall rechtzeitig zu stellen: Denn erst danach kann der konkrete Antrag auf Kurzarbeitergeld vom Arbeitgeber gestellt werden. Denn man braucht in diesem Formular die ‚Stamm-Nr. Kug‘, die nach der ersten Anzeige vom Jobcenter zugeteilt wird.
Schritt 2: Den Leistungsantrag stellen
Nummern, Nummern …
Die offizielle Bezeichnung für den Leistungsantrag lautet „Antrag auf Kurzarbeitergeld (Kug) und pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für die Bezieher von Kug – Leistungsantrag“:
Formelle Voraussetzung für den Leistungsantrag sind einige Nummern: nämlich
- die oben schon erwähnte Betriebsnummer,
- die Stamm-Nr. Kug und eine
- eventuell zusätzliche „Abteilungs-Nr“, für den Fall des Kurzarbeit nur für eine bestimmte Abteilung beantragt worden ist.
Die beiden letzten Nummern sind dem Grundsatzentscheid zu entnehmen, den die Agentur aufgrund der Anzeige über Arbeitsausfall (hoffentlich zügig) erlassen hat.
Schritt 3: Die „KUG-Abrechnungsliste“ ausfüllen
Sollten Sie als Antragsteller zunächst erfreut aufgeatmet haben, ob der Kürze dieses Antragsformulars – „nur“ zwei Seiten – so kommt jetzt der Tiefschlag: Mit einer Verschnaufpause, denn bis man das Formular KUG 108 = Anlage zum Leistungsantrag auf der Webseite der BA gefunden hat, das kann schon dauern.
In diese KUG-Abrechnungsliste dürfen Sie nun für jeden kurzarbeitenden Mitarbeiter eintragen,
- Name, Vorname und Versicherungsnummer
- den Umfang des individuellen Arbeitsausfalls,
- das Soll- und Ist-Entgelt („ungerundet!!“),
- die rechnerischen Leistungssätze für das Soll- und Ist-Entgelt,
- die durchschnittliche Leistung pro Stunde,
- sowie das auszuzahlende KUG und den SV-Beitragserstattungssatz.
Vermutlich sieht so das Idealformular aus, das die Bundesfinanzminister Scholz oder Heil oder Altmaier vor Augen haben, wenn sie von „schneller und unbürokratischer Antragstellung“ sprechen. Es ist auf jeden Fall ein Augen- und Hirnschmalz für jeden Verwaltungsfachmann …
Als arbeitgebender Kleinunternehmer müssen Sie sich über die Kosten keine Gedanken machen. Die notwendigen Angaben kann Ihr Steuerberater ohnehin nicht wissen, Sie müssen ihm dafür also auch gar nichts bezahlen. Vielmehr bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als diese Daten selbst zusammenzutragen. Man hat ja sonst auch kaum etwas zu tun in diesen Tagen ….
Wenn dann endlich die letzte Zeile im Online-Formular gefüllt ist, das Serversystem während des Ausfüllens NICHT abgestürzt ist und die Summen ermittelt sind, werden diese auf das zweiseitige Antragsformular (Kug 107 – 03.2020) übertragen. Dort sind noch
- diverse sonstige Angaben zu machen,
- leicht verständliche Erklärungen zur erklären, wie z.B. „das in Spalte 5 der beigefügten Abrechnungsliste ausgewiesene Ist-Entgelt wurde ggf. um Beträge erhöht, um die das Arbeitsentgelt aus anderen als zum Kug-Bezug berechtigenden Gründen gemindert ist (siehe „Hinweise zum Antragsverfahren“)“
- und der vertretungsberechtige für das Unternehmen hat zu unterschreiben, dass er Kenntnis genommen hat „Ergeben die Feststellungen der Agentur für Arbeit, dass strafrechtlich relevante Aspekte zu einer Leistungsüberzahlung geführt haben, wird Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet.“
Sofern vorhanden, hat auch noch ein Vertreter des Betriebsrates seine Unterschrift zu leisten. Und dann endlich kann das ganze Konvolut aus Antrag und KUG-Abrechnungsliste und eventuell weiteren Anlagen auf den Weg zum zuständigen Jobcenter gebracht werden.
Antrag auf Auszahlung vor Prüfung durch die Agentur für Arbeit
Mit dem letzten Punkt des Antrags auf Kurzarbeitergeld wird beantragt, dass das KUG und die pauschalierte SV-Erstattung bereits vor der sachlichen Prüfung des Antrags auf Kurzarbeitergeld ausgezahlt werden soll.
Je früher also die Anzeige erfolgt ist und somit auch der konkrete KUG-Antrag gestellt werden kann, desto besser sollten die Chancen sein, rechtzeitig das Geld zur Auszahlung an die Sozialversicherungen und an die Mitarbeiter auf dem Konto zu haben.
Personalausstattung bei den Jobcentern wurde erhöht, doch ob das reicht …?
Nach einer Pressemitteilung (Nr. 19) der BA vom 31.3.2020 wurden die Teams in den Jobcentern, die das Kurzarbeitergeld abrechnen auch „in einem ersten Schritt“ von knapp 800 auf 4.500 verstärkt worden.
Ob das reicht? Bis zum Februar hatten 1.900 Unternehmen Kurzarbeit angezeigt. Nehmen wir mal an, dass dafür 800 Mitarbeiter in den Jobcentern zuständig waren. Bis zum 27. März hat sich die Zahl der Unternehmen allerdings verzweihundertfünfzigfacht. Auf 470.000. Es müsste dann also jeder der jetzt 4.500 Mitarbeiter in den Arbeitsagenturen KUG-Anträge von über 100 Unternehmen vorab auszahlen, dann prüfen und abrechnen. Das erscheint (mir) ziemlich ambitioniert …
Die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge durch den Arbeitgeber
An der Abgabe der Beitragsnachweise und der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge ändert sich durch das Kurzarbeitergeld ÜBERHAUPT NICHTS. Wie bisher müssen die BEITRAGSNACHWEISE am zweiten Arbeitstag vor Fälligkeit der Beiträge vorliegen, also um 0:00 Uhr des fünftletzten Bankarbeitstages eines Monats abgegeben sein. Die entsprechenden Beitragszahlungen sind dann am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig. Die AOK bietet auf dieser Webseite einen sehr übersichtlichen „Fälligkeitskalender„, dem man das jeweilige Datum im Beitragsmonat entnehmen kann.
Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge für Kurzarbeiter
Für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge ist das Bruttoarbeitsentgelt vor der Kurzarbeit und das so genannte Ist-Entgelt, also Kurzarbeitergeld maßgeblich. Die Berechnung erscheint mir relativ kompliziert, auch Rückfragen beim Steuerberater brachten (mir jedenfalls) keine wesentliche Erhellung. Auf dieser Seite der AOK steht mehr dazu, worauf ich Sie mit dem Ausdruck meines Bedauerns für Sie hinweisen möchte …
Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge
Hier soll es auch gar nicht um die Berechnung gehen, sondern um die Zahlung dieser Beiträge. Denn dafür bleibt nach wie vor (erst einmal) der Arbeitgeber verantwortlich. Er hat, wie bisher auch, diese Sozialversicherungsbeiträge am drittletzten Bankarbeitstag des Monats zu überweisen.
Stundungsmöglichkeiten
Der Gesamtverband Bund der Krankenkassen hat sich (offensichtlich) auf Stundungsmöglichkeiten für Arbeitgeber verständigt. Dazu heißt es auf diese Seite der AOK:
Voraussetzung ist, dass die Unternehmen die Entlastungsmöglichkeiten durch Kurzarbeitergeld und sonstige Unterstützungs- und Hilfsmaßnahmen, die als Schutzschirme aktuell von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt werden, nutzen. Die dadurch den Unternehmen zur Verfügung stehenden Mittel sind nach entsprechender Gewährung auch für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der bis dahin gestundeten Beiträge zu verwenden, so ein Rundschreiben des GKV-Spitzenverbands.
Auf Antrag des Arbeitgebers bei der AOK können die bereits fällig gewordenen oder noch fällig werdenden Beiträge zunächst für März bis April 2020 gestundet werden. Stundungen werden längstens bis zum Fälligkeitstag für die Beiträge des Monats Mai 2020 gewährt. Einer Sicherheitsleistung bedarf es hierfür nicht, auch Stundungszinsen, Säumniszuschläge und Mahngebühren werden nicht berechnet.
Die häufigsten Fragen und Antworten zum Thema Stundung beantwortet der GKV-Spitzenverband in diesem Schreiben„
Auszahlung des Kurzarbeitergelds an die Arbeitnehmer
(Üblicherweise) zum Monatsende ist dann auch noch das Kurzarbeitergeld vom Arbeitgeber an die Arbeitnehmer auszuzahlen, im ersten Monat ggf. noch erhöht um die Bezahlung für die vor Eintritt der Kurzarbeit noch unverkürzten Arbeitsstunden.
Diese Zahlungspflicht obliegt dem Arbeitgeber und ist vollkommen unabhängig davon, ob und wann dieser den KUG-Antrag gestellt hat. Der Arbeitgeber muss also in finanzielle Vorleistung gehen. Bei neun Vollzeit-Mitarbeitern, einem hypothetischen Bruttogehalt von 2.500 Euro und KUG 0, also Einstellung der Arbeitszeit während des gesamten Monats (hier April), sind damit schon mal 9 * 60% bzw. 67% (mit Kind) von 2.500 Euro = mindestens 13.500 Euro am Monatsende fällig. Hinzu kommen (in unserer Modellrechnung) 36,5% an Sozialversichrungsabgaben (Krankenversicherung: 14,6%, Pflegeversicherung (ohne Kind):3,3%, Rentenversicherung 18,6%, Arbeitslosenversicherung bei Kurzarbeit: 0 ), in Summe also 18.427,50, die der Arbeitgeber in unserer Modellrechnng für neun kurzarbeitende Arbeitnehmer vorzufinanzieren hat.
Für finanziell rundum gesunde Unternehmen mit entsprechendem Finanzpolster mögen diese Beträge zu stemmen sein. Für viele Klein- und Kleinstunternehmen mit ohnehin schon angespannter Liquidität werden sie zum großen Problem werden. Dann nämlich, wenn die freie Liquidität erschöpft ist, offene Forderungen entweder nicht mehr ausstehen oder nicht einzutreiben sind und eine Kontokorrentlinie bei der Hausbank angekratzt oder erheblich beansprucht ist. Ob sich die Hausbank dann mit der reinen Abtretung des Erstattungsanspruchs des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitsagentur zufrieden geben wird? Aufgrund meiner eigenen Erfahrung als Unternehmer habe ich da begründete Zweifel.
Das unternehmerische Überleben wird für viele auch wegen des Kurzarbeitergeldes ein fortgesetzter Tanz auf der Rasierklinge werden.
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