Von den „präzisen, schnell wirkenden Sofortmaßnahmen“ für Unternehmen, die der Bundesfinanzminister vor einer Woche angekündigt hatte, ist noch immer nichts zu sehen. Im Vorgriff auf eine bundesweite Regelung zu steuerlichen Hilfsmaßnahmen hat der bayerische Finanzminister Füracker für Bayern daher mit sofortiger Wirkung Maßnahmen zur Steuererleichterung für betroffene Unternehmen in Kraft gesetzt. Hier folgen Informationen und Tipps zur Antragstellung – in der Annahme, dass bald auch in anderen Ländern gilt, was Bayern „im Vorgriff“ schon mal veranlasst hat. | Lesedauer: Ca 5 Minuten
Warum ein bis vor kurzem florierendes Kleinunternehmen sehr rasch Steuererleichterungen braucht
Axel Nersdorf – ein (fiktiver) Unternehmen hat vor zehn Jahren eine GmbH gegründet, die Messeausrüstung und Veranstaltungstechnik anbietet. In den vergangenen Jahren lief das Geschäft immer besser – und demzufolge auch seine Bezüge als Gesellschafter-Geschäftsführer. Er erwartet aufgrund der Einkommenssteuererklärung für 2018 eine saftige Nachforderung des Finanzamts.
Zwei Großveranstaltungen im Januar, die Grüne Woche in Berlin und die ISPO in München, hatten dem Unternehmen Umsätze beschert, die weit über dem Monatsdurchschnitt lagen. Die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für diesen Monat beläuft sich demzufolge auf fast 40.000 Euro. Und damit beginnt das Problem: Denn es wird dieser Tage eng mit der Liquidität: Noch im Februar war die Firma unter Volllast gelaufen – zahlreiche Ausstattungen für Messestände und Veranstaltungen im Frühjahr wurden hergestellt und kommissioniert. All dieses Zeugs steht nun in der Lagerhalle. Benötigt wird es, auf absehbare Zeit jedenfalls, nicht mehr. Denn seit Ende Februar flatterte eine Auftragsstornierung nach der anderen ins Haus.
Nersdorf konnte die Gehälter für Februar, sowie Lohnsteuer und Sozialabgaben noch vollständig und pünktlich bezahlen. Am 10. März musste er seine neun Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Mit dem aktuellen Liquiditätspolster kann er es schaffen, die nicht kurzfristig kündbaren Fixkosten noch bis zum Sommer zu bezahlen. Auch die Zins- und Tilgungszahlungen für das Baudarlehen wird er leisten können. Mit dieser Investition hatte er einen leerstehenden Anbau als Lager und für weitere Büros ausbauen lassen.
Was der Steuerberater zum Formular zur Beantragung von Steuererleichterungen sagte …
Als er am 17.3. Herrn Dr. Schröter, seinen Steuerberater, endlich ans Telefon bekam, klang der ziemlich skeptisch: Ja, es gebe zwar inzwischen ein Formular zu Beantragung von ‚Steuererleichterungen aufgrund der Auswirkungen des Coronavirus‚. Das erschien dem Fachmann Schröter allerdings „wie von einem Lehrling gemacht“. Um Stundungsanträge wirksam durchzusetzen, müsse man dem Finanzamt schon ausführliche Begründungen und Beweise dafür vorlegen. Die beiden beschlossen also, noch abzuwarten, in der Hoffnung, dass das Formular der bisher bekannten Denkwelt von Finanzbeamten etwas besser angepasst werden würde.
Bayern als Vorreiter für den noch immer untätigen Bund
Zwei Tage später steht sieht die Situation für Unternehmen – jedenfalls in Bayern – schon etwas weniger nebulös aus: Vom Bayerischen Finanzministerium gibt es diese Pressemitteilung: „Im Vorgriff auf eine bundesweite Regelung zu steuerlichen Hilfsmaßnahmen [a] hat [der bayerische] Finanzminister Füracker für Bayern daher mit sofortiger Wirkung folgende Maßnahmen in Kraft gesetzt“:
Die geben wir im Folgenden verkürzt wieder:
- Fällige Steuerzahlungen, die aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie nicht geleistet werden können, werden auf Antrag befristet zinsfrei gestundet.
- Die Stundung betrifft die Einkommens-, Körperschaftssteuer und die Umsatzsteuer.
- Auf Antrag können auch die festgesetzten Vorauszahlungen der verschlechterten wirtschaftlichen Situation angepasst werden.
- Für unmittelbar betroffene Steuerpflichtige wird der Freistaat Bayern bis zum Jahresende von Vollstreckungsmaßnahmen absehen und auch keine Säumniszuschläge erheben.
- Für Steuerpflichtige, die aufgrund der Pandemie Probleme haben, ihre Steuererklärungen fristgerecht fertigzustellen und abzugeben, werden die bayerischen Finanzämter Anträge auf Fristverlängerungen großzügig und möglichst unbürokratisch bescheiden.
- Diese vereinfachte Stundungsregelung gilt NICHT für die Lohnsteuer und abzuführende Kapitalertragssteuer. Hier empfiehlt das Bayerische Finanzministerium einen Antrag auf Vollstreckungsaufschub beim zuständigen Finanzamt zu stellen.
Für die Antragstellung hält die bayerische Finanzverwaltung das (nach wie vor überraschend einfache) Antragsformular bereit UND WEITERE NOTWENDIGE UNTERLAGEN unter diesem Link.
Gute Erklärungen und Belege beschleunigen erfahrungsgemäß die Antragsbearbeitung
Erfahrungsgemäß beschleunigt es solche Anträge, wenn alle zum Verständnis durch den Finanzamtssachbearbeiter notwendigen Erklärungen und Nachweise dem Antrag gleich beigefügt werden.
Es dürfte kein Zufall sein, dass entsprechende Formulare für die Selbstauskunft über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gleich unter dem Link für das Antragsformular auf der Webseite der Finanzverwaltung angeboten werden.
Für Axel Nersdorf sieht die Situation damit schon ein klein wenig rosiger aus: Da er die notwendigen Erklärungen, Zahlen/Daten und Belege ohnehin selbst zusammensuchen muss – die Steuerkanzlei kann ihm das nicht abnehmen – beschließt er, das Mehr an „Freizeit“, das ihm die Auftragsausfälle bieten, dazu zu nutzen, diese Anträge auszufüllen und mit Belegen zu versehen:
Anträge für Unternehmen
Zunächst macht er sich an die Anträge und Unterlagen für seine Firma:
- Er verfasst einen Textblock für das Anschreiben, mit dem er erklärt und mit Belegen (Auftragsstornierungen) unterfüttert, dass die wirtschaftliche Situation seines Unternehmens eine direkte Folge der Coronavirus-Epidemie – und der deshalb abgesagten Messen – ist.
- für das Unternehmen stellt er den Antrag auf zinslose Stundung im Formular „Steuererleichterungen aufgrund der Auswirkungen des Coronavirus“. Darin wird er die Stundung beantragen
- für die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen ab dem Monat Januar
- für die Körperschaftssteuer-Vorauszahlungen ab dem ersten Quartal 2020
- für die Körperschaftssteuer-Nachzahlung für 2018, für den er den Bescheid in der letzten Woche erhalten hat.
- Unter Punkt 2 wird er den Antrag stellen, die Körperschaftssteuer-Vorauszahlungen herabzusetzen. Den angemessen Betrag will er noch mit Steuerberater Dr. Schröter besprechen.
- Ebenfalls unter Punkt 2 beantragt er, den Gewerbesteuer-Messbescheid (, den das Finanzamt erlässt und an den sich die Gemeinde bei der Gewerbesteuer-Vorauszahlung halten muss,) ebenfalls entsprechend zu reduzieren.
- Für seine GmbH holt er sich dann noch das Formular zur ‚Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für juristische Personen…‘, welches er, so gut er eben kann, ausfüllt. Den Rest muss ein Telefonat mit Dr. Schröter klären.
Anträge für den betroffenen Unternehmer
Nach einer ausgiebigen Pause und einer großen Tasse Kaffee macht er sich an den zweiten Antrag. Der betrifft ihn, Axel Nersdorf, als Steuerpflichtigen.
- Für sich selbst füllt er einen eigenen Antrag auf Steuererleichterungen … aus
- Darin beantragt er unter Punkt 1 die zinslose Stundung der (Nach-)Zahlungen für die Einkommenssteuer 2018 und eine evtl. Nachforderung auf Vorauszahlungen für die Einkommenssteuer 2019
- Unter Punkt 2 möchte er die Vorauszahlungen für die Einkommenssteuer ab dem ersten Quartal 2020 auf die verschlechterte wirtschaftliche Situation anpassen lassen, die auch ihn als Geschäftsführer-Gesellschafter trifft
- Zur Begründung für den „Persönlichen“ Teil der Anträge bearbeitet er noch die „Erklärung über die persönlichen Verhältnisse für natürliche Personen“,
- sowie die Anlage (betriebliche Einnahmen) … dazu.
- In einem Begleitbrief an das (für ihn!) zuständige Finanzamt begründet er, warum auch ihn die durch die Coronavirus-Epidemie verursachten Auftragsausfälle seiner Firma wirtschaftlich direkt betreffen und eine erhebliche Härte darstellen und
- weist auf den gesondert gestellten Antrag auf Steuererleichterungen für seine Firma hin. Beim letzten Korrekturlesen fügt er noch die Steuernummer und das Sitzfinanzamt seiner Firma hinzu
- und verfasst auch noch ein Anschreiben für den Satz Anträge für seine Firma.
Nach diesem Gewaltakt, so jedenfalls empfindet der gelernte Tischler Nersdorf die Beschäftigung mit so viel Formularen, Zahlen und Dokumenten, scannt er die Anträge für die Firma und die für seine Steuern, schreibt ein freundliches Email an seinen Steuerberater, hängt die Anlagen an und bittet freundlich um Durchsicht, wo Ergänzung oder Änderungen notwendig sind.
Auch Finanzbeamte sind überrascht vom simplen Antragsformular
– Update vom 19.3. abends –
Über den heutigen Tag haben uns auch erste Meinungsbilder von bayerischen Finanzbeamten zum oben erwähnten Antragsformular auf Steuererleichterungen erreicht. Sie teilen die oben zitierte Einschätzung von Steuerberater Dr. Schröter. Und stehen dem vermutlich tausendfachen Eingang solcher Anträge auf diesem ’simplen‘ Formular selbst etwas perplex gegenüber.
‚Von oben‘ sei die Anordnung gekommen „großzügig“ mit diesen Anträgen zu verfahren. Gesetze, und hier insbesondere §222 der Abgabenordnung, liessen sich jedoch nicht nach aktueller Emotionslage auslegen. Und eine Zustmmung zu tausendfachen Stundungen könne auch nicht einfach im Gießkannenprinzip erteilt werden. Nicht zuletzt brauche auch der Staat Geld. Das war ein Querschnitt der Argumente, die bei uns ankam.
In dieser verzwickten Situation sollen einige Finanzämter daher beschlossen haben, diese Anträge erst mal zu sammeln. Dann zu sichten. Und dann zu entscheiden, wie – mehr oder minder großzügig – man mit den Darlegungen und Beweisen der Antragsteller umgehen wird.
Was uns nur dazu bringt zu betonen, dass es entscheidend für den gewünschten Erfolg des Antragstellers sein wird, die oben erläuterten Standardformulare der Finanzverwaltungen zur Erklärung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens und der des Unternehmers nachvollziehbar auszufüllen und mit Daten und Belegen zu unterlegen. UND wie wichtig es ist, eine nachvollziehbare Begründung dafür zu liefern, dass der Zahlungsengpass, der eine Steuerstundung nötig macht, tatsächlich von der Coronavirus-Epidemie verursacht wurde.
Fußnote
[a] „Nur nichts überstürzen …Aus ‚Fragen und Antworten zum Corona-Hilfsprogramm‘ vom 13.03.2020, heruntergeladen von der Webseite des BUNDESFINANZMINISTERIUMS am 19.03.2020:
Zu den „präzisen, schnell wirkenden Sofortmaßnahmen“ findet sich auch am 19.3.2020 noch NICHTS auf der Webseite des BMF – abgesehen von Kreditangeboten: Die würden Hausbanken für Unternehmen aber nur dann weitergeben, wenn das betroffene Unternehmen für die 20-30% Haftungsrisiko, die noch bei der Hausbank verbleiben (den Rest trägt im Falle des Kreditausfalls die staatliche KfW) ungefähr das Doppelte an „bombensicheren“ Sicherheiten stellen könnte – und welches Unternehmen kann das schon?! Siehe dazu auch unseren Artikel vom 18.03.2020 ‚Milliarden-Hilfsprogramm der Bundesregierung ist Schutzschild für die Banken‚
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