Steuerhinterziehung ist strafbar – Steuerverschwendung bleibt folgenlos

(C) M. Schuppich – Fotolia
Steuerpflichtigen droht Freiheitsstrafe oder eine Geldbuße, wenn sie Steuern hinterziehen. Doch wenn Behörden Steuern verschwenden, hat dies keinerlei Konsequenzen: Seit Jahren kritisiert der Bundesrechnungshof das IT-Projektmanagement im Bundesinnenministerium. Um in seinem letzten Bericht festzustellen, dass seine Empfehlungen völlig ignoriert wurden. Ein übles Beispiel dafür, wie sich eine Behörde einer „demokratischen“ Kontrolle entzieht. Dabei gäbe es Maßnahmen gegen solche Selbstherrlichkeit … | Lesedauer: 20 Minuten
Wenn es um die HINTERZIEHUNG von Steuern geht, gelten knallharte Regeln. Es ist Steuerhinterziehung (§370 AO) und eine Straftat, wenn ein Steuerpflichtiger

  • über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
  • die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder
  • für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

Schon der Versuch ist strafbar. Auf Steuerhinterziehung steht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe.

Wenn es dagegen um das VERSCHWENDEN von Steuern geht, schalten und walten manche Behörden, wie es ihnen passt. Und ohne dass dies irgendwelche für sie negativen Konsequenzen hätte. Das gilt seit Jahren für das Bundesministerium des Innern: Es ist federführend verantwortlich für sehr große IT-Projekte, wie ‚Netze des Bundes‘, ‚IT-Konsolidierung des Bundes‘ oder den ‚Polizeilichen Informations- und Analyseverbund (PIAV) und dessen Nachfolger. Für diese Projekte wurden in den letzten Jahren dreistellige Millionenbeträge ausgegeben. In allen drei Fällen gibt es keinen Erfolg, der diese gigantische Ausgaben rechtfertigen kann: Gemeinsamer Nenner ist vielmehr – so die Feststellungen des Bundesrechnungshofs:

  1. Die Projekte liegen um Jahre hinter dem Zeitplan
  2. die ursprünglichen Ziele sind längst aufgegeben oder wesentlich verwässert,
  3. ob und wann die Projekte überhaupt jemals funktionsfähig fertig werden, steht in den Sternen
  4. und die Kosten sind explodiert.
  5. Bei ‚Netze des Bundes‘ und ‚IT-Konsolidierung‘ prüfte der Bundesrechnungshof sogar mehrfach und kritisiert seit Jahren auf das heftigste die Geldverschwendung und ein völlig unzureichendes Projektmanagement.

Doch diese Kritik bewirkt überhaupt nichts! Die Verschwendung geht munter weiter. Irgendwelche Konsequenzen ergeben sich nicht. Im nächsten Jahr wird der Rechnungshof dann den nächsten Prüfbericht schreiben. Und alles bleibt beim Alten …

Die jüngsten Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofs zu IT-Projekten des BMI

Zwei Großprojekte zur Modernisierung der Informationstechnik des Bundes

Die Bundesregierung will die IT des Bundes mit zwei Großprojekten modernisieren, zentralisieren und die Sicherheit verbessern. Das Projekt ‚Netze des Bundes‘ soll ein sicheres Sprach- und Datennetz für die Bundesverwaltung schaffen. Im Projekt ‚IT-Konsolidierung Bund‘ will die Bundesregierung die bisher auf zahlreiche Standorte verteilte IT des Bundes in wenigen Rechenzentren konzentrieren. Sie will den Betrieb der IT wirtschaftlich gestalten und die Daten der Bundesverwaltung umfassend schützen. Das BMI trägt für beide Projekte die Gesamtverantwortung. Es muss die Termine, Kosten und Qualität der Projektergebnisse sicherstellen [1].

Die Beanstandungen des Rechnungshofs 2017

Der Bundesrechnungshof hatte diese beiden Projekte schon 2013 bzw. 2016 geprüft. Die Prüfergebnisse waren desaströs. (Um Sie hier nicht mit zu langen Texten zu quälen, verweisen wir auf diese Artikel ([A] und [B]), in dem wir uns mit den Prüfergebnissen dazu beschäftigt hatten.)

Die Feststellungen aus dem Jahr 2017 (in [1]) sind summa summarum nicht besser:

  1. Die früheren Empfehlungen des Bundesrechnungshofs hat das BMI überhaupt nicht umgesetzt.
  2. Dienstleistungsverträge statt Werkverträge: 109 von 110 Beraterverträgen in den beiden Projekten sind Dienstleistungs- und nicht Werkverträge. Das bedeutet, dass lediglich die Arbeitszeit geschuldet ist, nicht jedoch ein bestimmter Arbeitserfolg. Das ist völlig kontraproduktiv: Welcher Berater würde sich bemühen, „fertig“ zu werden, wenn damit verbunden ist, dass sein Vertrag beendet wird?!
  3. Kein Qualitätsmanagement vorhanden; keine Kriterien für die Bewertung der Arbeitsergebnisse (siehe dazu auch [C] und [D])
  4. Ob die erbrachten Leistungen nach Umfang und Qualität angemessen waren, konnte das BMI nicht belegen

Nichts Neues: Unzureichende Steuerung und unzweckmäßiger Einsatz von Beratern schon 2013 beanstandet

Schon 2013 hatte der Rechnungshof erhebliche Beanstandungen am Einsatz von Beratern im Projekt ‚Netze des Bundes‘: Er sah darin die Ursache dafür, dass sich dieses Projekt um sechs Jahre verzögert und von 114 auf 426 Mio Euro (sic!) verteuert hatte.

Insgesamt zahlte das BMI in den Jahren 2009 bis 2016 68 Mio Euro an Beraterhonoraren in den beiden Projekten. Von 2017 bis 2022 sind sogar 230 Mio Euro budgetiert!

Dienstverträge statt Werkverträge

Nach seiner Prüfung 2013 empfahl der Bundesrechnungshof, für Beraterleistungen vorwiegend WERKVERTRÄGE abzuschließen. Und zwar zu Festpreisen mit klar definierten Leistungen und Fristen, um damit die Haftung für den Erfolg der zu erbringenden Leistung auf die Auftragnehmer zu verlagern (Mehr zu diesem Thema in [G]).
Diese Empfehlung wurde schlicht ignoriert. In den Jahren 2015 und 2016 wurden in den beiden Projekten von 110 Beraterverträgen 109 nach Aufwand abgerechnet, es handelt sich also um DIENST(leistungs)verträge.

Steuerung des Einsatzes der Berater

Als Ergebnis der Prüfung 2013 empfahl der Bundesrechnungshof, die Berater, die nach Aufwand abrechnen, besonders ZIELORIENTIERT ZU STEUERN und die Qualität der Arbeitsergebnisse angemessen zu prüfen.

Drei Jahre später stellten die Prüfer dann fest, dass ein projektweites Qualitätsmanagement nach wie vor nicht existiert. Prüfkriterien für die Qualität der Arbeitsergebnisse waren „oftmals nicht vorhanden“. Stattdessen galt im Projekt ‚Netze des Bundes‘ eine Leistung schon dann als ordnungsgemäß erbracht, wenn überhaupt irgendetwas geleistet worden war. Hauptsache dies geschah PÜNKTLICH bis zum vereinbarten Termin.

Das BMI kann derzeit auch nicht sagen, ob es ANGEMESSENE ArbeitsERGEBNISSE für die gezahlten Beraterhonorare erhalten hat. Es kann also auch nicht einschätzen, ob für die erbrachten Zahlungen ein angemessener ProjektFORTSCHRITT erzielt wurde (sic!)

Anmerkungen zum externen Projektleiter – Holger Gadorosi

Im Projekt ‚Netze des Bundes‘ ist seit (mindestens) 2013 ein externer Berater als Projektleiter tätig. Er zeichnet neben einem „MinDir“ Peter Batt aus dem BMI für die Projektleitung [3].

Externer Berater ist Projektleiter …

Es wäre also Aufgabe dieses Zweierteams gewesen, das sich die Projektleitung teilt, die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes zum Abschluss von Verträgen mit Beratern und zur zielorientierten Aufgabensteuerung ab 2014 auch umzusetzen. Doch das geschah nicht, wie ja die Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofs aus dem Jahr 2017 belegen.

Risiken eines externen Projektleiters, der andere externe Berater zielorientiert steuern soll …

Dass überhaupt ein externer Berater zum Projektleiter in einem solchen wichtigen „Leuchtturmprojekt“ gemacht wird, wirft Fragen auf. Zum Beispiel die Frage, ob hier ein externer Berater anderen externen Berater(firme)n Vorteile verschaffen KONNTE, die eine Abrechnung nach Zeitaufwand gegenüber einer Haftung für den Erfolg ganz zweifelsohne hat. Man wüsste gern, ob und wie im BMI sichergestellt wurde, dass solche Vorteilsannahme NICHT MÖGLICH war. Leider findet sich auch in den veröffentlichten Prüfergebnissen des Bundesrechnungshofs kein Hinweis, ob dieses offensichtliche Risiko geprüft wurde. (Siehe auch: Die wichtigsten Vorschriften des BMI zur Korruptionsbekämpfung [4].)

Die freihändige Vergabe des nächsten Auftrages an Holger G.

Ganz im Gegensatz zur heftigen Kritik des Bundesrechnungshofs am Projektmanagement bei ‚Netze des Bundes‘, war das BMI mit dem Projektleiter Gadorosi extrem zufrieden. Nur so ist es zu erklären, dass dessen Vertrag (übrigens ebenfalls ein Dienstleistungsvertrag!) am 06.04.2017 verlängert wurde und zwar für 18 Monate [3]. Dieser Auftrag wurde FREIHÄNDIG VERGEBEN, d.h.: Es wurden keine Vergleichsangebote eingeholt und nicht einmal recherchiert, ob andere Anbieter gleiche oder bessere Leistungen oder bessere Preise anbieten können.

Das war auch gar nicht nötig, liest man in der Vergabebekanntmachung des BMI [3], denn:

„Dieses Verfahren (freihändige Vergabe / d. Verf.) darf durchgeführt werden, wenn der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann, weil aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist. Der bisherige Auftragnehmer (also Holger Gadorosi / d. Verf.) verfügt über umfassende, teils auch nicht dokumentierte Projektkenntnisse, welche auch VS-eingestuftes Material umfassen. Vor diesem Hintergrund wäre die Einarbeitung eines neuen Auftragnehmers in das Projekt einerseits mit erheblichen und damit unwirtschaftlichen Mehrausgaben verbunden. Andererseits gebietet auch der Grundsatz der VSA „Kenntnis nur wenn nötig“, die Weitergabe von VS-Material auf den unbedingt notwendigen Personenkreis zu beschränken. Die Firma Holger Gadorosi Consulting hat seit Beginn der Projektleitung ihre hochgradige Spezialisierung im Bereich IT- und Prozessberatung und ihre herausragenden Kenntnisse auf verwaltungstechnische Abläufe in solchen Großprojekten nachgewiesen. Zusätzlich hat sie sich viel technisches Spezialwissen für dieses Projekt angeeignet. Somit ist tatsächlich kein Wettbewerb vorhanden.“ [3]

Beobachtungen und Bemerkungen

Hervorstechende Verhaltensmerkmale des BMI aus den letzten 5-10 Jahren …

Das BMI fällt seit Jahren (u.a. in zahllosen Antworten auf Kleine Anfragen von Oppositionsfraktionen) damit auf, dass man

  • im BMI alles – besser – weiß,
  • das Staatswohl und den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung (angeblich) stets zur Maxime des BMI-Handelns macht
  • und im Übrigen (angeblich) der einzige virtuelle Kontinent auf diesem Erdball ist, auf dem Fehler grundsätzlich nicht vorkommen.

Merkmale einer narzisstischen Verhaltensstörung

Wäre das BMI ein Mensch, könnte man an eine narzisstische Persönlichkeitsstörung denken:

„Die narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPS) zeichnet sich durch einen Mangel an Empathie, Überschätzung der eigenen Fähigkeiten und gesteigertes Verlangen nach Anerkennung aus. Typisch ist, dass die betroffenen Personen übermäßig stark damit beschäftigt sind, anderen zu imponieren und um Bewunderung für sich zu werben, aber selbst kein zwischenmenschliches Einfühlungsvermögen besitzen und keine emotionale Wärme an andere Menschen zurückgeben.“ [5]

Imponiergehabe des BMI sorgt für Nachdruck bei Politik und Kontrollbehörde?!

Das Imponiergehabe des BMI und seine taktischen Absichten sind leicht zu durchschauen. Umso befremdlicher ist, dass sich der Haushaltsausschuss des Bundestages oder der Bundesrechnungshof beeindrucken lassen von diesem Bla-Bla. So mancher einzelner Politiker im Haushaltsausschuss und so mancher Prüfer beim Bundesrechnungshof durchschaut das Gehabe des BMI. Das bewirkt allerdings nichts, solange nicht die mit der Sache befassten Politiker/Prüfer entscheiden. Sondern letztlich mit den Stimmen der Mehrheit entschieden wird im Haushaltsausschuss [6] oder im Bundesrechnungshof [7]. Und damit das fachliche Votum des einzelnen Politikers oder Prüfers einer politischen bzw taktischen „Mehrheit“ der Institution unterworfen ist.

Lebensversicherung für beide Seiten: Verträge/Bezahlung gegen Stillschweigen

Das mit der „Kenntnis nur wenn nötig“ in der Vergabebekanntmachung [3] KANN man auch so verstehen, dass Herr Gadorosi so viel weiß über die Interna dieses (und anderer, großer) IT-Projekte im Geschäftsbereich des BMI, dass es angeraten ist, ihn weiterhin mit einem einträglichen Vertrag auszustatten, der doch sicherlich, wie alle Verträge zuvor mit einer entsprechenden Geheimhaltungsverpflichtung ausgestattet ist.

Beschaffungsamt des BMI – leider keine Kontrollinstanz mehr für das BMI

Das Beschaffungsamt des BMI war früher mal ein vom BMI politisch, taktisch und konzeptionell weitgehend eigenständige Einrichtung, die den Bedarfsträgern im BMI sogar auf die Finger geklopft hat. So habe ich das jedenfalls in IT-Projekten des BMI, die vom Beschaffungsamt durchgeführt haben, früher erlebt. Das ist heute offensichtlich nicht mehr so. Das BeschA paukt seit Jahren für den Auftraggeber im BMI Vergabeverfahren und viele Beschaffungen (ohne öffentliche Vergabe) durch, die alles andere als gesetzeskonform sind. Man vertraut darauf, dass Anfechtungen dieser Beschaffungsmaßnahmen aus rein rechtlich/formellen Gründen nicht stattfinden können bzw. werden. Denn vergaberechtlich kann nur ein direkt betroffener Mitbewerber innerhalb sehr enger Frist gegen eine solche Entscheidung vorgehen. Wenn ein Mitbewerber aber gar nicht weiß, dass ein Auftrag vergeben wurde, weil die Auftragsvergabe nicht bekanntgemacht wurde, ist das Einlegen von Rechtsmitteln nahezu unmöglich. Einzelheiten dazu z.B. in [I].

Die lange gemeinsame Geschichte des BMI mit Holger Gadorosi

Denn in der Tat kennen sich Gadorosi und das BMI schon seit rund zwanzig Jahren. INPOL-Neu(-Neu) hieß das Projekt, bei dem Holger G. seine „hochgradige Spezialisierung im Bereich IT- und Prozessberatung und herausragenden Kenntnisse auf verwaltungstechnische Abläufe in solchen Großprojekten“ unter Beweis hätte stellen können.

Gesamtprojektleiter von INPOL-Neu

INPOL ist das gemeinsame Fahndungs- und Auskunftssystem der Polizeibehörden der Länder und des Bundes mit Zentralstelle beim Bundeskriminalamt. Das ursprüngliche, großrechnerbasierte System aus den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts sollte durch INPOL-Neu ersetzt werden. Trotz mehrjähriger Entwicklungsphase scheiterte die Projekteinführung im Jahr 2002 krachend. Danach wurde „vollkommen NEU aufgesetzt“, also verbal zumindest … Technisch war der Neuanfang gar nicht so neu: Es wurde nämlich ein bei der Polizei Hamburg entwickeltes Informationssystem namens Polas aufgebohrt und angepasst, um daraus das neue INPOL-Neu zu machen, das eigentlich INPOL-Neu-Neu heißen müsste (Mehr dazu in [J]). Mit dieser Aufgabe wurde Holger Gadorosi betraut, der 2003 zum Gesamtprojektleiter von INPOL beim BKA wurde [8].

Defizite von INPOL-Neu(-Neu) haben erhebliche Auswirkungen – bis heute

Über den neuen Projektleiter hieß es in einem Artikel, dass er „fachliche Anforderungen auf das technisch Mach- und Überschaubare“ reduzierte. Die Folge dieses Vorgehens war: INPOL-Neu(-Neu) unter der Projektleitung von Gadorosi erreichte nie, was ursprünglich an Zielen für INPOL-Neu definiert worden war. Tausende von Polizeibeamten leiden noch heute täglich darunter, dass Mehrfacherfassung und Mehrfachabfrage (nämlich in verschiedenen polizeilichen Datenbanken) noch immer notwendig sind. Diese seit Jahrzehnten immer wieder versprochene Zielvorgabe ist bei den Kriminalpolizeilichen Meldediensten (KPMD) und Sondermeldediensten bis heute nicht realisiert. Das hat zur Folge, dass die Polizei zahlreiche „Datentöpfe“ unterhält, also Datenbanken, die miteinander keine Daten austauschen können und die unterschiedliche Anwenderoberflächen haben.

Diese bis heute nicht beseitigten Insellösungen sind die Folge eines Projektmanagement, das das „MACHBARE“ (für wen eigentlich??) so sehr im Auge hatte, dass die eigentlichen ZIELE dabei aus dem Blick verloren gingen. Die Folgen davon spüren wir alle bis heute:

  • Wenn verschiedene Polizeibehörden im Fall des Attentäters vom Breitscheidplatz nicht über die Informationen verfügten, die sie hätten haben sollen. Und daher das Attentat nicht verhindert werden konnte.
  • Eine andere Auswirkung der Inseln, die INPOL-Neu(-Neu) hinterließ, ist die aus jüngster Vergangenheit bekannte Akkreditierungs-Affäre. Wo Journalisten beim G20-Giopfel in Hamburg feststellen mussten, dass spät vom BKA abgefragte Datenbanken (die von Bundesländern gespeist worden waren), weitgehend veraltete bzw. unzutreffende Informationen enthielten. Den betroffenen Journalisten wurden daraufhin die Akkreditierungen entzogen, was bei den meisten nicht hätte geschehen dürfen, wenn die Informationen in EINEM polizeilichen Informationssystem zulässig, richtig, genau und vollständig abfragbar gewesen wären [K].

Die Projekte Polizeilicher Informations- und Analyseverbund (PIAV) und dessen Nachfolger das Einheitliche Fallbearbeitungssystem (eFBS)

2007 wurde dann der PIAV aufgesetzt, der Polizeiliche Informations- und Analyseverbund. Bei der gemeinsamen Entwicklung der Länder mit dem Bund wiederholten sich die Fehler, die es schon bei der Entwicklung von INPOL-Neu gegeben hatte [L]. Leise, still und heimlich wurde der PIAV daher Jahre später beerdigt und im Herbst 2016 dann schon wieder ein neues Projekt vollmundig durch Bundesinnenminister De Maizière angekündigt. Jetzt heißt das Ganze ‚Einheitliches Fallbearbeitungssystem (eFBS)‘ und De Maiziere verkündete mit aufgeblasenen Spendierhosen, dass der Bund dieses System entwickeln (sic!?) und auch für die Länder zur Verfügung stellen werde [M]. Dafür wollte man sich Zeit nehmen bis 2022. Was die Länder dem Bund danach für dieses eFBS zu bezahlen haben, ist unbekannt (vermutlich auch den Ländern …). Wie die Informationen aus den vorhandenen Informationssystemen der Polizeibehörden der Länder in dieses neue eFBS migiert = übernommen werden sollen, ist ebenfalls eine ungelöste Frage. Aber beim BMI hat man wieder ein neues Projekt, für das man viele externe Berater engagieren kann und das ganz sicher bis in die späten zweitausendzwanziger Jahre tragen wird.

.. und alles wird bleiben, wie bisher …

Beim BMI hat man, das zeigt ja die Beauftragung von so vielen externen „Beratern“ für ‚Netze des Bundes‘ und ‚IT-Konsolidierung Bund‘ keine Fachkompetenz, um solche Projekt mit eigener fachlich qualifizierter Manpower zu stemmen. Die hunderten von externen Beratern, die das BMI beschäftigt, mögen fachlich qualifiziert sein. Solange sie jedoch im Bodyshop-Modell bezahlt werden (Arbeitszeit gegen Honorar) besteht für keinen der „Berater“ ein Anlass, sich um einen Erfolg irgendeines Projekts zu sorgen bzw. dafür aus dem Fenster zu lehnen. Je länger die Projekte laufen und je mehr Probleme dabei auftauchen, desto mehr wird ein solcher Beratungs-Vertrag mit dem BMI ein sicheres Geschäft für die Firmen, die die meist jungen, vielfach wenig berufserfahrenen Mitarbeiter auf Zeit und gegen sehr gutes Geld vermieten.

Das alles ist bestens bekannt. Was also sollte sich ändern, wenn jetzt der Bundesrechnungshof zum x-ten Mal ein vernichtendes Prüfergebnis zu den IT-Projekten des BMI herausgegeben hat. Und Empfehlungen für Verbesserungen ausgesprochen hat. Der Rechnungshof hat seine Pflicht und Schuldigkeit getan. Für die so Geprüften gibt es keinerlei Verpflichtung, die Empfehlungen des Rechnungshofs umzusetzen. „Nun gut, sieht nicht gut aus, steht auf dem Papier“, doch faktisch bewirkt ein solches Prüfergebnis GAR NICHTS.

Es gibt durchaus die Verpflichtung – sie steht in der Bundeshaushaltsordnung – „die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten“ [9]. Doch schon der nächste Satz (im §7 BHO) verlockt ja eine Behörde, wie das BMI, geradezu zur Privatisierung: Es heißt dort nämlich weiter: „Diese Grundsätze verpflichten zur Prüfung, inwieweit staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten durch Ausgliederung und Entstaatlichung oder Privatisierung erfüllt werden können.“ „Na bestens!“, kann das BMI dann argumentierten „genau das haben wir ja getan“.

Dass dieses Anregung mit der Privatisierung gerade NICHT dazu verleiten soll, öffentliche Haushaltsmittel zu verschwenden, das steht so nirgends. Also muss ein Beamter im BMI, der – anders als der externe Berater – fachlich/sachlich verantwortlich gemacht werden KÖNNTE für solche Entscheidungen, de facto auch gar nichts befürchten.

Möglichkeiten zur Verbesserung

Dieser Verlust an Kontrolle und Sanktionierung lässt sich wohl nur durch eine oder mehrere dieser Maßnahmen auffangen:

  1. Mehr Befugnisse für den Bundesrechnungshof: Auf dass der nicht nur „prüfen“, „Empfehlungen abgeben“ und politische Institutionen „beraten“ darf. Sondern dass so eklatante Verstöße gegen die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch Konsequenzen haben, für die Behörde, ihren Haushalt und die dort Verantwortlichen.
  2. Konsequente Überwachung des Korruptionsrisikos: Dazu müsste lediglich konsequent umgesetzt werden, was das BMI in seiner Vorschriftensammlung zur Korruptionsbekämpfung [4] herausgegeben hat.
  3. Einführung einer neuen Strafvorschrift zur Bekämpfung der Haushaltsuntreue und der Verschwendung öffentlicher Mittel, für den ein Diskussionsvorschlag seit längerem vorliegt [10]:
    „I. Wer als Amtsträger … die Ausgabe öffentlicher Mittel bewilligt oder vornimmt und weiß, dass die Bewilligung oder Ausgabe unzulässig oder nicht sachgerecht ist, wird bestraft.
    II. 1) Die Bewilligung oder Ausgabe öffentlicher Mittel ist unzulässig, wenn sie unter Verstoß gegen die für das Verfahren bei der Ausgabe öffentlicher Mittel geltenden einschlägigen Gesetze, Verordnungen oder sonstigen Rechtsvorschriften erfolgt.
    II. 2) Die Bewilligung oder Ausgabe öffentlicher Mittel ist nicht sachgerecht, wenn zwischen ihr und dem wirtschaftlichen Nutzen oder der Leistungsfähigkeit der Stelle, die die öffentlichen Mittel verwaltet, ein auffälliges Missverhältnis besteht.
    III. Der Täter wird ebenso bestraft, wenn er leichtfertig nicht weiß, dass die Bewilligung oder Ausgabe der öffentlichen Mittel unzulässig oder nicht sachgerecht ist.“

Unsere früheren Beiträge zum gleichen Thema

[A]   Massive Kritik des Bundesrechnungshofs an IT-Projekten des Bundes, 24.10.2014, POLICE-IT
https://police-it.org/massive-kritik-des-rechnungshofs-an-it-projekten-des-bundes

[B]   Steuergeld – mit vollen Händen zum Fenster raus …, 24.11.2016, POLICE-IT
https://police-it.org/steuergeld-mit-vollen-haenden-zum-fenster-raus

[C]   IT-Projekte: Viele scheitern, alle überziehen Zeit und Kosten, 05.11.2013, POLICE-IT
https://police-it.org/it-projekte-viele-totalausfaelle-alle-weit-ueber-dem-budget

[D]   IT-Verbundprojekte der Polizei: Die sechs Kardinalfehler,. 27.10.201, POLICE-IT
https://police-it.org/it-verbundprojekte-der-polizei-die-sechs-kardinalfehler

[E]   Vergabe- und Vertragsrecht | Dienst- und Werkverträge: Polizei & IT: Werkverträge gibt’s so gut wie nie12, 06.2014, POLICE-IT
https://police-it.org/polizei-it-werkvertraege-gibts-so-gut-wie-nie

[F]   Warum Großprojekte scheitern oder viel zu viel Geld kosten, 21.10.2013, POLICE-IT
https://police-it.org/warum-grossprojekte-scheitern-oder-viel-zu-viel-geld-kosten

[G]   Vergabe- und Vertragsrecht | Dienst- und Werkverträge: Polizei & IT: Werkverträge gibt’s so gut wie nie12, 06.2014, POLICE-IT
https://police-it.org/polizei-it-werkvertraege-gibts-so-gut-wie-nie

[H]   Auswirkungen der Schuldenbremse auf die Sicherheitsarchitektur in Deutschland, 13.01.2017, POLICE-IT
https://police-it.org/auswirkungen-der-schuldenbremse-auf-die-sicherheitsarchitektur-in-deutschland

[I]   PIAV: Wie der ideale Kandidat gemacht wurde, 23.05.2014, POLICE-IT
https://police-it.org/piav-wie-der-ideale-kandidat-gemacht-wurde

[J]   ’Das Scheitern von INPOL-Neu‘ in ‚Weit besser als sein Ruf: Inpol-Fall, der Vorläufer des PIAV‘, 01.10.2013, POLICE-IT
https://police-it.org/weit-besser-als-sein-ruf-inpol-fall-der-vorlaeufer-des-piav

[K]   G20-Akkreditierung: Kein Angriff auf die Pressefreiheit, 12.01.2018, CIVES
https://cives.de/g20-akkreditierungsaffaere-kein-angriff-auf-die-pressefreiheit-6896

[L]   Was Sie schon immer über den PIAV wissen wollten, ß5.06.2016, POLICE-IT
https://police-it.org/piav_was-sie-schon-immer-wissen-wollten

[M]   Trotz geplanter Modernisierung und Vereinheitlichung: Das BMI hält weiterhin am PIAV fest, 09.12.2016, POLICE-IT
https://police-it.org/piav-gescheitert-innenminister-neue-alte-visionen

Quellen

[1]   2017 Bemerkungen Nr. 04 Bundesministerium des Innern steuert Beratertätigkeiten bei IT-Großprojekten unzureichend, 12.12.2017, Bundesrechnungshof
https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/bemerkungen-jahresberichte/jahresberichte/2017/einzelplanbezogene-pruefungsergebnisse/bundesministerium-des-innern/04/resolveuid/0fe9e2a117ba4aa2a93e11c8f158d65e

[2]   Das ergibt sich aus diversen (sehr großen) Dokumenten aus dem BMI, die „geleakt“ wurden und nun offen im Internet eingesehen werden können, z.B. nach dieser Suche: Gadorosi „Netze des Bundes“ „BND Inquiry“

[3]   Vergabebekanntmachung des Beschaffungsamts des BMI für ‚Externer Projektleiter für Netze des Bundes‘, Nr. 159684-2017 vom 27.04.2017
http://ted.europa.eu/udl?uri=TED:NOTICE:159684-2017:TEXT:EN:HTML&src=0

[4]   Regelungen zur Integrität, die wichtigsten Vorschriften (des BMI) zur Korruptionsbekämpfung auf einen Blick, 18.09.2014, Bundesministerium des Innern
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/themen/moderne-verwaltung/regelungen-zur-integritaet.pdf?__blob=publicationFile&v=3

[5]   ’Narzisstische Persönlichkeitsstörung‘ in Wikipedia, in der Fassung vom 01.02.2018
https://de.wikipedia.org/wiki/Narzisstische_Pers%C3%B6nlichkeitsst%C3%B6rung

[6]   Zu den Aufgaben des Haushaltsausschuss im Deutschen Bundestag siehe
https://www.bundestag.de/haushalt

[7]   Geschäftsordnung des BUndesrechnungshofes (GO-BRH) zuletzt geändert am 13.12.2016, dort Teil III: ‚Entscheidungsverfahren im BUndesrechnungshof‘, §§ 13ff
https://www.bundesrechnungshof.de/de/bundesrechnungshof/rechtsgrundlagen/geschaeftsordnung-brh

[8]   Quellen zu INPOL-Neu(-Neu) bzw. Gadorosi als Gesamtprojektleiter von INPOL-Neu:
[8a]   INPOL – ein AUskunftssystem für 270.000 Polizisten in Bund und Ländern, Foliensammlung von „Holger Gadorosi, Gesamtprojektleiter INPOL“ in 09.2004 beim 9. Ministerialkongress in Wiesbaden
www.ministerialkongress.de/ecomaXL/files/INPOL.pdf

[8b]   Nach Inpol-neu kommt Inpol-neu-neu?, 15.08.2003, ingenieur.de
https://www.ingenieur.de/karriere/arbeitsleben/arbeitssicherheit/nach-inpol-neu-kommt-inpol-neu-neu/

[8c]   Umstrittenes Debüt von Inpol-Neu, 12,09.2003, Computerwoche
https://www.computerwoche.de/a/umstrittenes-debuet-von-inpol-neu,1058786

[9]   Bundeshaushaltsordnung (BHO), § 7 Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, Kosten- und Leistungsrechnung
https://www.gesetze-im-internet.de/bho/__7.html

[10]   Unverzichtbare Gesetzgebungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Haushaltsuntreue und der Verschwendung öffentlicher Mittel, Gutachten erstattet für den Bund der Steuerzahler e.V. von Prof.Dr. jur. habil. Dr. jur. h.c. mult Bernd Schünemann, LMU München, November 2011
https://www.steuerzahler.de/Verschwendung-von-Steuergeld-bestrafen/4462b1700/index.html

Zusammenfassung dazu in https://www.steuerzahler.de/Verschwendung-von-Steuergeld-bestrafen/41482c2256/index.html

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1 Gedanke zu „Steuerhinterziehung ist strafbar – Steuerverschwendung bleibt folgenlos“

  1. Sehr schöner Beitrag.

    Die Immunität von Politik und Beamtentum für ihr Tun ist eine der größten Katastrophen die wir in unserem Land haben. Sie gehört ohne Wenn und Aber in Gänze aufgehoben, denn sie macht aus verantwortlichen Menschen unverantwortliche Personen in verantwortungsvollen Positionen. Dieser durch die Positionen bescheinigte Freibrief zieht entsprechendes verantwortungsloses Klientel in diese Positionen.

    Man redet in diesen Positionen immer davon, daß man Verantwortung trägt, aber genau das tut man eben nicht. Man tut nur so als täte man. Desaströs.

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