G20-Akkreditierung: Kein Angriff auf die Pressefreiheit

Der Entzug der Akkreditierung von 32 Journalisten beim G20-Gipfel war kein Eingriff in die Pressefreiheit. Sondern das Ergebnis systemischen Versagens der Informationstechnik der Sicherheitsbehörden, gepaart mit zu großer Technik-Gläubigkeit der Entscheider. Gleiches kann auch jeden der rund 75.000 Stellenbewerber oder Berufstätigen treffen, die pro Jahr von den gleichen Behörden sicherheitsüberprüft werden. Die können sich allerdings nicht via Presse wehren …

Warum werden Journalisten erst munter, wenn sie selbst betroffen sind?!

Jetzt auf einmal ist die Aufregung groß. Jetzt, wo sich herausstellt, dass Informationen über Journalisten, man stelle sich das vor! JOURNALISTEN!, die Hüter der Bürgerrechte, in polizeilichen Informationssystemen zu Unrecht gespeichert wurden, dass falsche Informationen gespeichert wurden oder ursprünglich einmal richtige Informationen nicht gelöscht wurden. Da erbebt die Szene und berichtet jetzt mit überschwappender Empörung als die große Neuigkeit, dass es einen „Datenskandal“ bei der Polizei gibt und dass offenbar zehntausende Unschuldige gespeichert sind.
Mit Verlaub, verehrte Kollegen, das ist ziemlich scheinheilig! … Und was Sie da berichten, ist bei weitem nicht der größte Skandal im Bereich der polizeilichen Informationstechnik! Doch all diese Skandale haben „die Medien“ bisher geflissentlich ignoriert, tot geschwiegen und ausgesessen. Kleine Aufzählung gefällig?!

Wie Journalisten zu Gewalttätern (gemacht) werden

Trotz des Aufgebots von rund 20.000 Polizisten ist es den Polizeibehörden beim G20-Gipfel nicht gelungen, die Sicherheit von Hamburger Bürgern und Demonstrationsteilnehmern und die Unversehrtheit des Eigentums von Anwohnern und Geschäftsinhabern zu gewährleisten. Viel Aufwand wurde im Vorfeld in Datenbanken über angeblich linke Gewalttäter gesteckt. (Falsche) Einträge dort haben bis zu 32 Journalisten den Entzug der Akkreditierung noch während des Gipfels eingebracht.
Wir erläutern aus fachlicher und technischer Sicht, wie Informationen im polizeilichen Staatschutz gewonnen bzw. generiert werden und zu welchen Entscheidungen und polizeilichen Aktivitäten solche ‚Erkenntnisse‘ führen. Denn es besteht die Gefahr, dass die Informationen in diesen Datenbanken eine kriminalfachliche Kompetenz und strafprozessuale ‚Beweislage‘ vorgaukeln, die mit den Tatsachen wenig bis gar nichts mehr zu tun hat.

Hintergründe und Konsequenzen der so genannten ‚Netzpolitik‘-Affäre

Die Kooperation zwischen Informanten und Journalisten im Regierungsbetrieb beruht auf Vertrauen und gegenseitigem Schutz. Dieses fundamentale Gesetz hat Netzpolitik mit seinem Abschreiben und Veröffentlichen aus zwei als „vertraulich“ eingestuften Dokumenten verletzt.
Die Anzeige des Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz wegen „Landesverrats“ zielt nicht darauf ab, die Pressefreiheit zu bedrängen. Vielmehr sollen Informanten aus Bundesbehörden und -ministerien abgeschreckt werden, die Zugang zu vertraulichen Dokumenten haben und diese an vertrauenswürdige Journalisten weitergeben.
Der mögliche Preis für soche Informationen ist hoch: Sollte eine Strafkammer den Vorwurf des Landesverrats bestätigen, so stehen darauf mindestens zwölf Monate Haft. Das dürfte viele Informanten abschrecken, die nicht so gut spielen auf der medialen Klaviatur der sozialen Netzwerke, wie Netzpolitik dies tut. Und für die – vermutlich – auch keine ‚Netzgemeinde‘ genügend Geld sammelt, damit sie ihre Anwaltskosten bezahlen können.