Lieber Stefan,
gestern war ich mal wieder in der Gipfelregion. Man hat zwar wegen Dauerregen nichts von den Gipfeln gesehen, aber es ging mir ja auch mehr um den optischen Eindruck vom Stand der Vorbereitungen der Gastgeber in Elmau, Garmisch und Mittenwald. Und ich muss Dir sagen: Respekt! was unsere bayerischen Polizisten, Logistiker und Unternehmen so hinkriegen.
Vorbereitungen für die eingeladenen Gipfel-Teilnehmer
Mit dem Zuschweißen der Gullydeckel sind sie anscheinend jetzt fertig. Man sieht auf den Straßen in der Region tausende von properen, weißen Streifchen über den Deckeln.Entweder soll das den Demonstranten deutlich machen, dass sie an diesem Eisendeckel nicht zu zerren brauchen. Oder den Polizisten nach dem Gipfel, dass sie da wieder schweißen dürfen – aufschweißen diesmal. Oder die Streifchen halten den Deckel fest, wenn das Wasser von unten drückt: Denn wenn es so weiter regnet, wie in den letzten Tagen, sind noch viel mehr Gullys vollgelaufen, als der hier mitten in Klais und müssen festgehalten werden.
Polizisten in rauen Mengen
Ich habe in meinem Leben noch nie so viele Polizei-Bullys gesehen wie heute. Meistens fahren sie im Pulk, selten einzeln, aber nie voll besetzt. Und andere stehen einfach nur rum: Am Bahnhof in Klais, an der Mautstelle auf der Straße nach Elmau, am „Briefing Center“ oder vor dem Hubschrauber-Airport hinten im Tal. Anscheinend haben sie Starter-Probleme. Bei den meisten laufen die Motoren nämlich auch im Stehen. Was die Bullys und ihre Besatzungen eigentlich machen, habe ich nicht rausgekriegt. Auch nicht, warum man fünf Bullys braucht, um zehn Polizisten nahezu zeitgleich von A nach B zu transportieren. Hat vermutlich einsatztaktische Gründe! Aber in einem solchen Fall brauchst Du auch als Presse gar nicht erst zu fragen … Ist dann immer geheim – wenn nicht sogar „Gefährdung des Staatswohls“, wenn das verraten werden würde …
Der Hubschrauber-Airport
Apropos: Theo hat mir einen Bericht geschickt aus dem ARD-Mittagsmagazin über die Gipfel-Vorbereitungen [1]. Darin hat ein THW-Mann tatsächlich mit dem ARD-Reporter gesprochen. [Nur nebenbei: Der THW-Mensch kriegt bestimmt noch Ärger, weil er sich nicht an das allgemeine Schweigegebot gehalten hat!]. Jedenfalls hat der dem Reporter erzählt, dass das bayerische THW dort einen voll funktionsfähigen „Flughafen“ hinbaut, mit Dauerbeleuchtung und Tower-Funktion.
Das wird die Birkhühner in dem Schutzgebiet, das gleich hinter dem neuen „Airport“ beginnt, sicher freuen. Die werden auf diese Weise ganz schnell ins 21. Jahrhundert geholt und müssen lernen, wie sie ihre Starts und Landungen mit dem Tower abstimmen. Wenn sie’s nicht lernen wollen, können sie ja ganz ausziehen. Oder sich an die Claudia Roth wenden. Die war nämlich letzte Woche da und hat noch im Flieger zurück eine Kleine Anfrage diktiert: Über die Berücksichtigung des Naturschutzes beim G7-Gipfel im Schloss Elmau [2].
Die eingeladenen Gäste können kommen …
Alles in allem ist mein Eindruck von den Vorbereitungen auf den Empfang der Gäste unserer Kanzlerin ein ganz vorzüglicher: Selbst für die Sherpas und das sonstige Fußvolk, also für alle, die nicht Hubschrauber fliegen dürfen, ist für den idealen alpin-ländlichen Gesamteindruck gesorgt. Ein Stromverteiler oder Telefonschaltschrank neben der Straße könnte den nur stören. Daher werden jetzt – zumindest neben der Straße nach Elmau – stilechte alpenländische Almhüttchen-Verblendungen um diese Schaltkästen drum rum gebaut. Ich hätte zu gerne ein Foto gemacht, aber hinter mir war ein Polizei-Bully und von vorne kam einer entgegen. Und Haltebuchten gibt’s auch keine.
Dieses Begleitvolk der Großen und Mächtigen ist anscheinend etwas unerfahren in Outdoor-Angelegenheiten. Damit sie sich auf den Wegen im Talgrund nicht verlaufen, sind die jetzt links und rechts mit stabilen Stahlzaunelementen eingefasst. Und sollten sich einzelne Sherpas o.ä. doch mal verirren und einen Weg in den Wald hinein entdecken, stehen gleich solche Schilder da. Das kennen sie alle: Wo „Militär“ draufsteht, muss man draußen bleiben!
Willkommens-Vorbereitungen für die nicht eingeladene Gäste
Der bayerische Innenminister Herrmann hat ja gesagt, dass jeder friedliche Demonstrant willkommen ist. Vorbereitungen für diese Gäste habe ich allerdings noch nicht gesehen.
Wo nicht eingeladene Gäste bleiben könnten …
Im Skistadion in Garmisch war ich, dort ist aber nichts vorbereitet. Eigentlich schade, denn dort ließen sich schon ein paar hundert Leute unterbringen.
Mit diversen Einheimischen habe ich auch geredet, insbesondere mit Gastwirten: Die sind sauer, weil sie seit Wochen und noch auf Wochen hinaus nichts mehr einnehmen. Und finden, dass es richtig gewesen wäre, den Demonstranten Flächen zum Campieren zuzuweisen. Weil man dann wenigstens wüsste, wo die sind … Ein Gastwirt hat eine Wiese an die Demonstranten verpachtet.
Befürchtungen im Landratsamt
Das nützt aber noch gar nichts, denn jetzt ist das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen (GAP) am Zug: Und das hat Sorgen: Denn in Zeltlagern campieren lassen will man die Leute eigentlich nicht. Die Ängste um Leib, Leben und Gesundheit, sind einfach zu hoch! Die könnten ja vom Hochwasser auf einer Wiese neben der Loisach weggespült werden. Loisach-Hochwasser kommen erfahrungsgemäß immer als schnelle, große Hochwasserwelle! Oder es könnte zu hygienischen Problemen kommen. Oder es könnte ein feuertechnisches Problem auftauchen – wer kennt das nicht aus alten Pfadfindertagen, dass das feuchte Gras nicht reichen mag, um die klammen Zweiglein zu entzünden. Und damit lässt sich nun mal kein Teelein kochen. Und ohne heißes Teelein werden die Campgäste krank! Ganz abgesehen davon, dass sie auch noch ein heißes Würstchen oder Tofu-Schnitzelchen zwischen den Zähnen brauchen nach den Anstrengungen des Tages.
Das alles sind Befürchtungen, die die Beamten im Landratsamt GAP so hegen und die sie sorgfältig abwägen müssen. Das tut man im Bezug auf den G7-Gipfel im Landratsamt Garmisch ganz besonders gründlich. Und daher wird es „vor Pfingsten“ sicher keine Entscheidung in Sachen Wiesencamp geben.
Erst machen, dann fragen, ist auch eine Methode
Das mit der Notwendigkeit und Gründlichkeit des Prüfens ist im Landratsamt Garmisch anscheinend ein bisschen abhängig vom Glück oder Schicksal oder sonstigen mir noch nicht ganz klaren Mächten. Denn bei Prüfungen oder Genehmigungen für diverse Verschönerungsprojekte des Besitzers des Fünf-Sterne-Hotels Schloss Elmau (er heißt Müller, lebt „auf“ Elmau“ und daher „Müller-Elmau“) waren die zuständigen Abteilungen im Landratsamt anscheinend gerade auf Fortbildung. Jedenfalls mangelt es an der einen oder anderen Genehmigung. Rein formal. Was Herrn Müller-Elmau, einen Mann von gleichermaßen großer Tatkraft wie Selbstbewusststein, veranlasst hat, erst mal Fakten zu schaffen: So wurde eine Almhütte quasi über Nacht zweistöckig und so entstand auf dem, was heute Hubschrauber Airport ist, noch vor wenigen Wochen ein ca. 20 m hohes Partyzelt – von Betrachtern eigentlich eher als stabile Stahlkonstruktion beschrieben, die ein Hotelgast hatte errichten lassen, weil er Platz brauchte für die Party zu seinem Geburtstag. Das hat insofern mit dem Landratsamt zu fast keinen Problemen geführt, als die tatkräftigen Menschen in Elmau erst gemacht und dann gefragt haben. Die Besucher des G7-Gipfels vor Ort, die nicht zu den eingeladenen Gästen gehören, sollten über diese Vorgehensweise ggf. noch mal nachdenken …
Die bayerische Polizei wird ihrem eigenen Leitbild schon jetzt gerecht
Der Polizei ist auch schon aufgefallen, dass das Landratsamt Garmisch als zuständige Gastgeber-Behörde für die sonstigen willkommenen Gipfel-Gäste vielleicht etwas hinter dem Zeitplan ist. Das macht aber gar nix, denn die bayerische Polizei hat starke Leitbilder [3]. Eines davon heißt: „Unser Aufgabenbereich ist durch vielfältige Aufgaben und Anforderungen gekennzeichnet“. Ein anderes lautet: „Wir stehen ein für die Sicherheit der Menschen und leisten Hilfe rund um die Uhr“. Und getreu diesen Mottos hat die bayerische Polizei auch noch diesen Aufgabe übernommen und sorgt sich schon lange vor dem Gipfel um die Sicherheit der nicht eingeladenen Gäste rund um die Uhr.
Dabei ist ihnen dann offensichtlich eine güldene Idee gekommen: Dass es nämlich keine Probleme mit nicht direkt eingeladenen Gästen im Raum Mittenwald – Elmau – Garmisch geben wird, wenn solche Gäste in dieser Region zur fraglichen Zeit gar nicht vorkommen! Die geographischen Konstellation in der Region sorgt ja ohnehin schon dafür, dass man eigentlich nur die strategischen Kenntnisse von Ritter Kunibert haben muss: „Hast Du Engpass, musst Du Burg hinbauen, Schranke über Straße ziehen oder sonstige Kontrollstelle einrichten!“ Je nachdem, was effektiv und opportun erscheint.
Zum Abzählen solcher Engpässe auf dem Weg von München nach Elmau brauchst Du keine zehn Finger. Zum Abfahren braucht man ein bisschen länger. Ich habe mir die Spazierfahrt im Regen gegönnt und kann Dir sagen: Die bayerische Polizei hat ganze Arbeit geleistet! Mit dem Auto wird’s sehr schwierig werden, von Norden her auch nur in die Nähe von Garmisch bzw. Klais / Elmau zu kommen.
An einer Stelle übertreiben sie’s aber, wie ich finde: Auf der A95 – lange vor dem Autobahnende an der Ausfahrt Sindelsdorf – geht es nämlich zu Gipfelzeiten gar nicht mehr weiter: Jedenfalls sind dort jetzt schon Schilder vorbereitet:
Demnach muss man die Autobahn bei Sindelsdorf verlassen bzw. gerät beim Weiterfahren in eine Polizeikontrolle und darf dann nur mit Genehmigung der Polizei weiter fahren oder halt gar nicht. Das gibt ein lustiges Park-In auf der Autobahn …
Über die Auskunftsfreudigkeit des Klinikums Garmisch
… wollte ich Dir eigentlich auch noch berichten. Wir haben nämlich einige Fragen gestellt zur medizinischen Grund- und Notfallversorgung in Gipfel-Zeiten. So wie es aktuell aussieht, könnte es allerdings bis nach dem Gipfel dauern, bis wir Antworten haben.
Aber, Du weißt ja: Ich bleibe am Ball und halte Dich auf dem Laufenden.
Liebe Grüße
Chris
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Emails aus Elmau: Lieber Stefan …
Die Emails aus Elmau berichten – nicht immer nur ernst gemeint – von den Beobachtungen vor Ort und im weiteren Umkreis zu den Vorbereitungen auf den G7-Gipfel.
Der „liebe Stefan“ hatte sich gewünscht, vor allem das Gute, Sinnvolle und Positive in meinen Berichten hervorzuheben.
Bisher sind erschienen:
Emails aus Elmau (01) vom 12.05.2015: Lieber Stefan … Über schweißende Polizisten und das H7-Spiel
Emails aus Elmau (02) vom 14.05.2015: Lieber Stefan … Über Katastrophenschutz beim G7-Gipfel, das THW und Gulaschkanonen
Emails aus Elmau (03) vom 20.05.2015: Lieber Stefan … Wie die Münchner mental auf den Gipfel vorbereitet werden
Emails aus Elmau (04) vom 20.05.2015: Lieber Stefan … Von Särgen und anderen Großraumbehältern
Emails aus Elmau (05) vom 23.05.2015: Lieber Stefan … Über den Stand der Vorbereitungen auf eingeladene und nicht eingeladene Gäste
Quellen zu diesem Beitrag
[1] G7-Gipfel: Elmau rüstet auf, ARD-Mittagsmagazin, 21.05.2015http://www.ardmediathek.de/tv/Mittagsmagazin/G7-Gipfel-Elmau-r%C3%BCstet-auf/Das-Erste/Video?documentId=28436092&bcastId=314636 [2] Berücksichtigung des Naturschutzes beim G7-Gipfel im Schloss Elmau, Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Deutschen Bundestag vom 06.05.2015, DBT-Drs. 18/4883
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/048/1804883.pdf [3] Leitbild der Bayerischen Polizei
http://www.olev.de/l/leitbilder/polizei/DE-BY-Polizei.pdf