Lieber Stefan,
die Stadterer [a] werden jetzt auch mental auf den Gipfel vorbereitet. Das war auch Zeit. Weil es nur zwei Fünf-Sterne-Hotels im Elmauer Tal gibt, werden auch die in der Stadt gebraucht. Zum Beispiel das ‚Vier-Jahreszeiten‘ in der Maximilianstraße. Dort wohnen ‚Delegationsmitglieder‘. Und deswegen darf in der ganzen Maximilianstraße rund um den Gipfel nicht mehr geparkt werden. Das freut die Geschäftsleute dort sicher. Dann kommen nicht mehr so viele arabische Kunden, aber viele deutsche Polizisten, die gerade keine Schicht haben und ihrem Frauchen auch mal ein Schuhchen für 500 Euro mitbringen wollen. Oder ein anderes Schnäppchen dort einkaufen.
Insgesamt werden in München exakt 915 zusätzliche Halteverbotschilder verteilt. Haben Stadtverwaltung und Münchener Polizei gestern bekanntgegeben [1]. Grund sind „verkehrliche Beeinträchtigungen aufgrund der Transfers der Staatsgäste“ und der „diplomatische Verkehr in München“. Ehrlich gesagt, Stefan, das glaub‘ ich nicht ganz. Die sind nur auf den Geschmack gekommen mit ihrem Arbeitsbeschaffungsprogramm für Polizisten: Kanaldeckel-Zuschweißen! Da kannste dann keine Autos brauchen, die auf den Gullys rumstehen. Also verhängste ein Halteverbot.
Vielleicht sind auch die „sich fortbewegenden Versammlungen“ der Grund. Das sind Demos, die dürfen nur nicht so heißen, wenn ein Polizeidirektor zur Presse spricht. Und wenn keine Autos links und rechts der Straße stehen, passen locker drei Reihen Polizisten links und rechts auf diese Stellflächen. Damit ist dann jede Versammlung gut behütet, egal wie beweglich sie ist.
Es gibt übrigens ’ne ganze Reihe solcher Versammlungen. Am letzten Mai-Wochenende ist im Olympiapark ein Rockfestival. Man rechnet mit rund 60.000 Besuchern. Und weil der bayerische Innenminister Herrmann ja grundsätzlich was gegen Camps hat im Zusammenhang mit Elmau, darf auch im Olympiapark keiner schlafen. Da können die schon mal trainieren, wie das ist, wenn man drei Tage durchmacht. Ab dem 30. Mai gibt es dann auch stehende und bewegliche Versammlungen. Von Leuten, die allgemein was gegen den Gipfel haben oder gegen TTIP oder Armut oder für das Klima. Für den 4. Juni (Feiertag in Bayern und Österreich) ist eine sehr bewegliche Versammlung angemeldet mit erwarteten 10.000 Teilnehmern. Im Anschluss daran bewegen sich die dann – also ein Teil von denen – wieder fort und zwar auf Fahrrädern nach Bad Tölz. Da kannste dann ja mal auf die Isarbrücke gehen und gucken. Oder ein Plätzchen in Eurem Garten zum Übernachten anbieten. Denn mit Camps wird’s auch in Tölz eher nix sein.
Für die Münchner haben der bayerische Sonnenkönig und seine Beamten noch eine besondere Überraschung parat. Über das lange Wochenende, vom Donnerstag, 4. Juni bis Dienstag, 9. Juni, sollten die Münchener nämlich vielleicht auch eher Fahrrad fahren: Weil der gesamte Mittlere Ring, der Altstadtring und Straßenzüge innerhalb des Altstadtrings immer wieder teilweise gesperrt werden. Alte Münchener erinnern sich noch daran, was ihnen der Uropa erzählt hat. Immer wenn der König mit seinem Gefolge aus der Residenz (Altstadtring) oder aus Schloss Nymphenburg (Mittlerer Ring) eine Ausfahrt gemacht hat, wurden die Straßen gesperrt. Und so ist das halt heute wieder, wenn die Kaiserinanzlerin bzw. ihre Gäste mal durch München fahren müssen.
Der Ratschlag aus dem KVR lautet übrigens, „wenn möglich öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen“. Dann hoffen wir mal, dass die Bahn bis dahin ihre Blockadehaltung aufgegeben hat und nicht weiter oder schon wieder gestreikt wird. Wenn doch, haben etliche Münchener Unternehmen am 8. und 9. Juni hoheitsbedingten Sonderurlaub.
Apropos Urlaub: Den würden sich die Abiturienten sicher wünschen: Denn ab dem 8. Juni sind mündliche Prüfungen. Wegen der „Verkehrsbeeinträchtigungen“, sagt das Kreisverwaltungsreferat, sollen sie „die Anfahrtszeit zur Schule entsprechend großzügig berechnen“. Gemeint ist vermutlich, dass sie berechnen sollen, wann sie bei großzügiger Schätzung zuhause los müssen, um rechtzeitig in der Schule zu sein. Woran man sieht, dass auch das Deutsch-Abitur der bayerischen Beamten schon ’ne Weile her ist.
Jetzt muss ich leider weg – aber sei sicher: Ich halte Dich fortbewegt – äh: auf dem Laufenden
Liebe Grüße
Chris
Fußnote
[a] Stadterer ::= Bezeichnung der oberbayerischen Landbevölkerung für die Bewohner der ‚Stadt‘ ::= München____________________________________________________________________________________
Emails aus Elmau: Lieber Stefan …
Die Emails aus Elmau berichten – nicht immer nur ernst gemeint – von den Beobachtungen vor Ort und im weiteren Umkreis zu den Vorbereitungen auf den G7-Gipfel.
Der „liebe Stefan“ hatte sich gewünscht, vor allem das Gute, Sinnvolle und Positive in meinen Berichten hervorzuheben.
Bisher sind erschienen:
Emails aus Elmau (01) vom 12.05.2015: Lieber Stefan … Über schweißende Polizisten und das H7-Spiel
Emails aus Elmau (02) vom 14.05.2015: Lieber Stefan … Über Katastrophenschutz beim G7-Gipfel, das THW und Gulaschkanonen
Emails aus Elmau (03) vom 20.05.2015: Lieber Stefan … Wie die Münchner mental auf den Gipfel vorbereitet werden
Emails aus Elmau (04) vom 20.05.2015: Lieber Stefan … Von Särgen und anderen Großraumbehältern
Emails aus Elmau (05) vom 23.05.2015: Lieber Stefan … Über den Stand der Vorbereitungen auf eingeladene und nicht eingeladene Gäste
Quelle zu diesem Beitrag
[1] Auswirkungen des G7-Gipfels auf die LH München, Pressegespräch vom Dienstag, 19.05.2015, Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt Münchenhttp://www.muenchen.de/rathaus/dms/Home/Stadtverwaltung/Kreisverwaltungsreferat/allgemein/Startseite/Aktuelles-und-Presse/Dokumente/PK-G7-Gipfel/PK%20G7-Gipfel.pdf