Angeblich ist die Privatisierung der Autobahnen vom Tisch. Behaupten Vertreter der Großen Koalition. Doch nur das Eigentum an den Autobahnen darf nicht veräußert werden. Wohl aber der „Nießbrauch“, also die Mautgebühren, die für die Nutzung in Zukunft zu zahlen sind. Am Donnerstag dieser Woche soll dieser größte Raubzug gegen den deutschen Steuerzahler vollendet werden. Mit der satten Mehrheit von SPD, CDU und CSU. Die empfehlen sich damit für die Wiederwahl.
Mit Update vom 31.5.2017, 15.10 Uhr.
Verkehrsausschuss macht den Weg frei für die Gründung der „Instrastrukturgesellschaft Verkehr
Update vom 31.05.2017, 15.10
Der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages hat der Gründung der „Intrastrukturgesellschaft Verkehr“ in seiner heutigen Sitzung mit der Mehrheit von CDU/CSU und SPD zugestimmt. Die Abgeordneten von Bündnis90/Grüne enthielten sich, die der Linksfraktion stimmten mit Nein. Damit ist eine weitere Voraussetzung geschaffen für den für den morgigen Donnerstag angesetzten Beschluss über die Privatisierung der Nutzung der Autobahnen.
Am Donnerstag dieser Woche soll im Bundestag der größte Raubzug gegen den deutschen Steuerzahler vollendet werden: Es geht um die Autobahnen, um die PKW-Maut und um die Möglichkeit, Finanzinvestoren die Möglichkeit zur Geldanlage und Renditegenerierung aus Mauteinnahmen zu eröffnen. An den Plänen dazu wird – vor allem im Hause des Bundesfinanzministers – seit Jahren gearbeitet. Die neue Regelung wurde verpackt in ein Paket von Änderungen am Grundgesetz (und weitere Gesetze), mit denen die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu geregelt werden. Die Länder, seit Einführung der „Schuldenbremse“ notorisch knapp bei Kasse, erhalten demnach rund 10 Milliarden Euro mehr pro Jahr. Im Gegenzug gaben sie u.a. ihren Widerstand auf gegen die Übernahme von Bau, Betrieb und Erhaltung der Autobahnen durch den Bund. Bisher hatten die Länder diese Aufgabe wahrgenommen im Auftrag des Bundes. Und so ist es bisher auch im Art. 90 des Grundgesetzes geregelt:
(2) Die Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften verwalten die Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs im Auftrage des Bundes.
(3) Auf Antrag eines Landes kann der Bund Bundesautobahnen und sonstige Bundesstraßen des Fernverkehrs, soweit sie im Gebiet dieses Landes liegen, in bundeseigene Verwaltung übernehmen.
Die neue Fassung des Artikels 90 sieht nunmehr so aus:
(2) Die Verwaltung der Bundesautobahnen wird in Bundesverwaltung geführt. Der Bund kann sich zur Erledigung seiner Aufgaben einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen. Diese Gesellschaft steht im unveräußerlichen Eigentum des Bundes. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
(3) Die Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften verwalten die sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs im Auftrage des Bundes.
(4) Auf Antrag eines Landes kann der Bund die sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs, soweit sie im Gebiet dieses Landes liegen, in Bundesverwaltung übernehmen.
Der Profit wird aus den Nutzungsgebühren gezogen, also den Mautgebühren …
Das klingt bei oberflächlichem Lesen positiv: Denn „das Eigentum an den Bundesautobahnen… ist unveräußerlich“. Und auch die private Verwaltungsgesellschaft steht „im unveräußerlichen Eigentum des Bundes“. CDU/CSU und SPD gaben sich in den vergangenen Wochen auch alle Mühe, dem dummen Volk weis zu machen, dass damit die „Privatisierung“ der Autobahnen vom Tisch ist.
Doch man muss nicht Eigentümer sein, um aus dem Nutzen einer Sache finanzielle Vorteile zu ziehen. Juristen nennen dieses Konzept den Nießbrauch: Wenn die Eltern ihr Häuschen schon zu Lebzeiten an den Nachbarn verkaufen, jedoch ein Wohnrecht bis zum Lebensende vereinbart wird, dann ist das eine Form des Nießbrauchs. Und das soll, im Falle der Autobahnen, folgendermaßen von statten gehen:
Schritt 1: Die Bundesautobahnverwaltungsgesellschaft
Bau, Betrieb, Erhaltung und – eben auch der Nießbrauch – soll an die neue Bundesautobahnverwaltungsgesellschaft übertragen werden.
Schritt 2: Ausgliederung an ÖPP – öffentlich-private Partnerschaften
Wie auch bisher schon können private Partner den Ausbau, die bauliche und betriebliche Erhaltung und deren anteilige Finanzierung übernehmen. ÖPP – öffentlich-private Partnerschaften nennen sich diese Konstrukte. Nur am Rande sei erwähnt, dass die Rechnungshöfe von Bund und Ländern [1] und andere Fachleute [2] seit Jahren Sturm laufen gegen dieses Geschäftsmodell. Weil es für den Nutzer nachweislich erheblich teurer wird als ohne private Beteiligung. Wir hatten darüber schon vor zwei Jahren ausführlich berichtet [3].
Schritt 3: Erlöse aus der Nutzung generieren
Der private Partner erwartet natürlich Einnahmen aus diesem Geschäft. Die können bestritten werden aus den Maut-Gebühren für den jeweiligen Streckenabschnitt. So geschieht es bisher mit der LKW-Maut.
Hier kommt nun der Verkehrsminister ins Spiel und sein angebliches Steckenpferd – die PKW-Maut. Denn so unsinnig, unwirtschaftlich und angeblich nur dem CSU-bayerischen Starrsinn geschuldet, wie immer wieder zu lesen war, ist dieser Vorstoß gar nicht, jedenfalls nicht aus der Sicht von Schäuble und Dobrindt. Denn das im März 2017 beschlossene [4a] Gesetz zur Einführung einer Infrastrukturabgabe [4b] regelt zwei neue Vorhaben.
- Das erste, die Einführung der PKW-Maut und
- das zweite, die Einführung eines ‚Infrastrukturabgabenregister‘ nimmt im Entwurf mindestens ebenso viel Raum ein, spielt jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung keine Rolle. Es handelt sich dabei um eine Datenbank, die beim Kraftfahrtbundesamt neu aufgebaut werden soll. Deren Zweck besteht darin, das aktuelle PKW-Kennzeichen zu verbinden mit dem Namen und Wohnort des aktuellen Halters. Und mit dessen Bankverbindung, die benötigt wird für die Abbuchung der Mautgebühren von dessen Konto.
Beides zusammen, die neue Bundesautobahnverwaltungsgesellschaft und das neue Infrastrukturabgabenregister, sind aus der Sicht von Schäuble und Dobrindt die notwendigen Komponenten zur schrittweisen Privatisierung der Nutzung der Autobahnen durch die Hintertür. Die Frage des Eigentums ist dabei von untergeordneter Bedeutung. Denn man muss nicht Eigentümer von Autobahnen sein, um daraus zu Einnahmen zu generieren. Es genügt vollkommen, wenn die neue Bundesautobahnverwaltungsgesellschaft den Betrieb auslagert an private ‚Partner‘ und denen im Gegenzug die Einnahmen überlässt. Oder indem sich an der Bundesautobahnverwaltungsgesellschaft, die im Eigentum des Bundes steht, z.B. über Genussscheine auch private Partner beteiligen – und dafür entsprechende Renditen erhalten, die aus den Betriebseinnahmen generiert werden. All das ist in der Neufassung des Art 90 GG auch vorgesehen.
Schritt 4: Das Abrechnungssystem
Für nutzungsabhängige Einnahmen braucht man jedoch ein Abrechnungssystem. Ein wesentlicher Teil davon steht bereits: In Form der Mautbrücken des Toll Collect Systems auf rund 13.000 Autobahnkilometern. Schon seit langem ist bekannt, dass die Mautbrücken die Kennzeichen aller Fahrzeuge erheben. Bisher werden davon nur die Daten der mautpflichtigen Lastwagen verarbeitet, während die PKW-Kennzeichen – derzeit noch – Abfallprodukt sind und nicht gespeichert bzw. anderweitig genutzt werden. Das dürfte sich nach dem neuen Plan jedoch ändern.
Schritt 5: Die Abrechnung der Streckennutzung
Denn wenn in Zukunft der private Betreiber eines Autobahn-Streckenabschnittes Einnahmen erzielen möchte, muss erfasst werden, welcher PKW diesen Streckenabschnitt genutzt hat. Das lässt sich mit Hilfe der Mautbrücken leicht feststellen, indem die KFZ-Kennzeichen gelesen und gespeichert werden. Was zur Abrechnung noch fehlt, ist die Möglichkeit, das Kennzeichen zu einem bestimmten Datum und Zeitpunkt dem dann zuständigen Halter zuzuordnen. Dieser Link zwischen Kennzeichen und Halter wird – zeitaktuell und hoheitlich gesichert – durch das neue Infrastrukturabgabenregister des Kraftfahrtbundesamtes hergestellt. Es muss nun nur noch die Nutzung dieser Daten dem Streckenabschnittsbetreiber für die Abrechnung und Abbuchung der Gebühren zur Verfügung gestellt werden.
Was kann dieses Vorhaben noch aufhalten?
Grundgesetzänderungen, von denen aktuell die Privatisierung der Autobahnen-Nutzung ein Teil ist, erfordern im Bundestag die Zustimmung einer (qualifizierten oder absoluten) Zweidrittelmehrheit: D.h., dass zwei Drittel aller stimmberechtigten [!] Abgeordneten der Grundgesetzänderung zustimmen müssten. Bei derzeit 630 Abgeordneten ist die absolute Zweidrittelmehrheit bei 420 Stimmen erreicht. Die CDU/CSU verfügt über 309 Sitze, die SPD über 193, zusammen also 502 Sitze. Neben sämtliche Abgeordneten der Opposition müssten also 82 Abgeordnete der Großen Koalition die Grundgesetzänderung ablehnen, um die beabsichtigte Privatisierung der Nutzung der Autobahnen doch noch zum Scheitern zu bringen. Fragen Sie doch Ihren Wahlkreisabgeordneten danach!
Fußnoten
[a] Eine erste Version dieses Textes war bereits im Dezember 2016 erschienen, nachdem das Bundeskabinett das entsprechende Gesetzgebungsvorhaben auf den Weg gebracht hatte. Diese Version wurde an den aktuellen Sachstand angepasst. [b] Auch die Einführung des Fluggastdatensystems zur Speicherung von Flugreisedaten wurde inzwischen verabschiedet. Das System wird beim Bundeskriminalamt aufgebaut und betrieben. [c] Siehe auch: „Privatisierung stoppen!“ Eine Darstellung des Sachverhalts von Sarah Wagenknecht in der Jungen Welt vom 30.05.2017Quellen
[1] Gutachten des Bundesrechnungshofs zu Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP) im Bundesfernstraßenbau, 05.01.2009https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/gutachten-berichte-bwv/berichte/langfassungen/2009-bwv-gutachten-oeffentlich-private-partnerschaften-oepp-im-bundesfernstrassenbau
[2] Public Private Partnership: Die Plünderung des Staates, Werner Rügemer, 02.2010 in Blätter für deutsche und internationale Politik
https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2010/februar/public-private-partnership-die-pluenderung-des-staates#_ftnref
[3] PKW-Maut ermöglicht umfassende Mobilitätskontrolle, 02.11.2014, CIVES
https://cives.de/pkw-maut-ermoeglicht-umfassende-mobilitaetskontrolle-2728
[4a] Plenarprotokoll der 226. Sitzung des Deutschen Bundestages am 24.03.2017, Abstimmung über den Gesetzentwurf ab 22705(D)
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/18/18226.pdf
[4b] Gesetz über die Erhebung einer zeitbezogenen Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen (Infrastrukturabgabengesetz – InfrAG)
https://www.gesetze-im-internet.de/infrag/BJNR090410015.html
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Das ist Augenwischerei. Beim Streit um das Eigentum an Immobilien (Elternhaus-Kinder) wird grundsätzlich nach dem Prinzip entschieden: wer trägt zur Zeit die Kosten? Und diese Falle steckt, ob gewollt oder nicht, und von welcher Seite aus gewollt, in der obigen Formulierung.
Und so wird es enden: nach ein paar Anstandsjahr(zehnt)en werden die privaten Träger das Eigentum einklagen.
Bei den zuständigen Politikern stellt sich wieder mal die Frage: strohdumm oder gekauft oder beides?
Guten Morgen Herr Pieroth,
zu Ihrer letzten Anmerkung,…. ja, beides trifft zu!!!!
Ein frustfreies WE….
Guten Morgen Redaktion,
nun, die Änderung(en) des GG ist/sind zurzeit „Programm“. Welch einfältiger Mitmensch dieses Landes glaubt an eine Ablehnung des Ganzen? Eine Ablehnung innerhalb der „Großen Koaltion“ wird es aufgrund der Partei(zuge)hörigkeit und aus Angst des Imageverlustes des einzelnen nicht geben. Wenn überhaupt, dann als sogenanntes „Fake“, damit die Schlafschafe sehen, dass doch einige ein Gewissen haben, welches aber bei allen in Abrede zu stellen ist.
Es ist zunehmenst ein trauriger Anblick, wie „verkommen“ dieses korrupte, von Macht besessene, abnorme Systemverhalten voranschreitet.
Besten Gruß
Gute Nacht Deutschland!!!