Die SPD will ihren bisherigen Koalititionspartner im Bund jetzt anscheinend rechts überholen und „mit einer harten Linie in der Innenpolitik um Stimmen werben“. Hier ein Faktencheck zu den bisher bekannt gewordenen Forderungen.
Versprechungen der SPD „im Falle eines Wahlsieges“
„Mehr Sicherheit im Alltag“ lautet die Devise. Die Behörden müssten sich „der Alltagskriminalität annehmen“ durch „mehr Prävention und effektive Strafverfolgung„. „Für den Fall eines Wahlsieges [sic!] stellt die SPD dann „15.000 neue Stellen bei der Polizei in Bund und Ländern“ in Aussicht, die vor allem gegen „Körperverletzungen, Vandalismus, Diebstahl und vor allem Wohnungseinbrüche“ vorgehen sollen. Außerdem sollen die „Beratungsangebote der Polizei für Bürger zum Schutz vor Kriminalität erheblich erweitert“ werden.“
Dazu der Faktencheck
1. Mehr Stellen bei der Polizei
Im Falle eines Wahlsieges im Bund kann die SPD allenfalls für den Bund mehr Stellen versprechen. Und das auch dann nur dann, wenn der mit Sicherheit zu erwartende Koalitionspartner dabei mitspielt.
Die insgesamt angestrebten 15.000 neuen Stellen wären – im Bezug auf die 300.000 Vollzeitäquivalente bei der Polizei im Jahr 2016 – [2] eine Steigerung um 5%. Es entfallen allerdings nur 14% aller Stellen in der Polizei auf den Bund und die restlichen 86 % sind von den Ländern zu stellen. Bleibt es bei diesen Zahlenverhältnissen, so kann die SPD – für den Bund – allenfalls 14% „versprechen“, das sind gerade mal 2.100 Stellen mehr.
Die SPD ist in zwölf von 16 Bundesländern an der Regierung beteiligt, in zehn Ländern stellt sie den Regierungschef [3]. In fünf heute SPD-geführten Ländern wurden in den vergangenen Jahren massiv Stellen abgebaut in der Polizei; besonders krass in Mecklenburg-Vorpommern mit einem Minus von 14,9% und in Brandenburg mit einem Minus von 14,5%, die beide seit 2005 von der SPD geführt werden (Belege dazu in [2]).
Fazit: Billige Effekthascherei; Einhalten kann die SPD ihre Versprechungen nicht ohne die Zustimmung des künftigen Koalitionspartners. In den Ländern hatte sie seit Jahren als Regierungspartei die Gelegenheit, bei der Polizei personell aufzustocken. Doch gerade in den seit langer Zeit SPD-geführten Ländern wurde besonders viel Personal abgebaut.
2. Einsatzschwerpunkte: Körperverletzungen, Vandalismus, Diebstahl und Wohnungseinbrüche
Für Gefahrenabwehr und Strafverfolgung bei diesen Straftaten sind vor allem die Polizeibehörden der Länder zuständig. Aufgabenschwerpunkte der Bundespolizei, hervorgegangen aus dem früheren Bundesgrenzschutz und der Bahnpolizei, sind die Sicherung der Außengrenzen, sowie Schutzaufgaben im Bereich der Flugsicherung und des Eisenbahnbetriebes [4]. Und das Bundeskriminalamt hat originär kriminalpolizeiliche Aufgaben vor allem auf dem Gebiet der Terrorabwehr, jedoch nicht auf den genannten Gebieten der allgemeinen Kriminalität [5].
Fazit also: Inhaltsleere Ankündigungen, da der Bund auf diesen Gebieten nicht zuständig ist. Als Regierungsführer oder Koalitionspartner in zwölf Ländern hätte die SPD seit Jahren Entscheidungen treffen können, um entsprechende Ergebnisse vorzuweisen.
3. Wohnungseinbrüche
Mehr als 150.000 mal [6] wurde im vergangenen Jahr in Wohnungen eingebrochen, umgerechnet sind das 1 Einbruch pro 265 Haushalte [7] [Update am 17.05. um 20.10: Hier stand irrtümlich zuvor „25“ statt richtig „265“]. Klar, das tangiert die Menschen im Lande und macht sie unzufrieden mit der Sicherheitspolitik. Statt wirksam etwas zu unternehmen – und das würde heißen: Schon seit Jahren mehr Polizei auf die Straße zu bringen – taktieren die Innenminister von Bund und Ländern seit Jahren herum. Zweimal jährlich, zur Frühjahrs- und Herbstkonferenz der Innenminister, kommen ebenso schlaue, wie später dann nicht umgesetzte Vorschläge [siehe 8a, 8b und 8c].
Fazit:Auf die bisherigen Entschlüsse der Innenministerkonferenz zur Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls folgten keine Taten. Die Innenminister – acht von ihnen stellt aktuell die SPD – haben sich als Papiertier entlarvt.
4. Erweiterung der „Beratungsangebot der Polizei“ für Bürger
Beratung der Bürger, insbesondere darüber, wie sie ihr Haus oder ihre Wohnung einbruchssicher(er) machen können, ist gut und richtig. Allerdings, wie die Versprechen zuvor, ganz sicher keine Bundesangelegenheit. Beispielsweise in Brandenburg, einem seit langem SPD-geführten Land, wurden 14,9% der Stellen in der Polizei abgebaut. Das ist auf der Negativskala der zweite Platz von unten. Dieser Personalabbau ging ganz massiv auch zu Lasten der Polizisten in den kriminalpolizeilichen Beratungsstellen.
Fazit: Ein weiteres, leeres Versprechen.
Wo waren die Innenpolitiker der SPD in den vergangenen vier Jahren?
Angriffslustig kommen führende Innenpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion laut Tagesspiegel rüber: Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Högl behauptet: „In der Flüchtlingspolitik und beim Stellenaufbau der Polizei musste De Maizière von uns zum Jagen getragen werden.“ Wer die Gesetzgebungsverfahren und Beschlussempfehlungen des Innenausschusses zu den einschlägigen Gesetzen allerdings aufmerksam beobachtet hat, konnte feststellen, dass sich CDU/CSU und SPD jeweils sehr einig waren in ihrem Abstimmungsverhalten.
Nur noch peinlich wirkt in diesem Zusammenhang, wenn der Sprecher der SPD im Innenausschuss, Burkhard Lischka, jetzt behauptet, „der Innenminister habe sträflich vernachlässigt, die innere Sicherheit in Deutschland zu stärken“. Das ist zum einen peinlich, weil man von Widerstand und über die Vorstellungen des Innenministers hinausgehenden Forderungen der SPD bislang nichts vernommen hat. Und es ist zum anderen peinlich, weil die jeweiligen Redebeiträge von SPD-Abgeordneten bei den abschließenden Lesungen der jeweiligen Gesetze eilfertige Willfährigkeit und Zustimmung mit „unserem Koalitionspartner“ zum Ausdruck gebracht haben. Ganz im Gegenteil wurde ja in den vergangenen Monaten bei zunehmend schärferen politischen Forderungen der CDU/CSU zur Flüchtlingspolitik und Sicherheitspolitik seitens der SPD-Fraktionsführung gerne darauf verwiesen, dass man – leider, leider – gehalten sei, die Beschlüsse des Koalitionsvertrages umzusetzen und daher entgegen dem eigenen Wollen diesen scharfen Forderungen zustimmen müsse.
Update 17.05.2015, 14.45
Es handelt sich um den ‚Entwurf des Leitantrags der Programmkommission für das Regierungsprogramm 2017‘ mit Stand vom 15.05.2017, den man von der Webseite der SPD unter dieser Adresse herunterladen kann.
Quellen
[1] SPD rüstet bei Innerer Sicherheit auf, 17.05.2017, Tagesspiegel
http://www.tagesspiegel.de/politik/entwurf-fuer-wahlprogramm-spd-ruestet-bei-innerer-sicherheit-auf/19812814.html
[2] Polizei: Personalabbau im Osten, Zuwächse in einigen westlichen FLächenländern, 2906.2016, Destatis
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/ImFokus/OeffentlicheFinanzenSteuern/PersonalPolizei.html
[3] eigene Recherchen unter Zuhilfenahme von Wikipedia
[4] Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Ausgabe, Teil B, Rn 145f
[5] Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Ausgabe, Teil B, Rn 153ff
[6] Polizeiliche Kriminalstatistik 2016, IMK-Bericht, 04.2017, Bundeskriminalamt: Die genaue Zahl der Wohnungseinbruchdiebstähle in 2016 betrug laut Kriminalstatistik 151.265.
[7] Die Zahl der Haushalte betrug laut Angaben des Statistischen Bundesamts 40,2 Millionen
[8a] Papiertiger! Die Beschlüsse der Innenminister zum Wohnungseinbruchsdiebstahl, 16.12.2016, POLICE-IT
https://police-it.org/wohnungseinbruchsdiebstahl-plaene-der-innenminister
[8b] Wohnungseinbrüche: Union zieht SPD über den Tisch, 30.03.2017, POLICE-IT
https://police-it.org/wohnungseinbrueche-union-zieht-spd-ueber-den-tisch
[8c] Mission almost accomplished, 09.05.2017, POLICE-IT
https://police-it.org/mission-almost-accomplished
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„Mehr als 150.000 mal [6] wurde im vergangenen Jahr in Wohnungen eingebrochen, umgerechnet sind das 1 Einbruch pro 25 Haushalte [7].“
Das wäre ja sehr schlimm, stimmt aber so nicht ganz.
40.200.000 / 151.265 = 265,76 :-)
Das ist aber trotzdem noch schlimm genug.
da haben Sie vollkommen Recht – vielen Dank (:-)