Der Schock, den die Regierungsmitglieder über die Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten zur Schau stellen, wirft die Frage auf, welche Risikoanalyse der Bundesnachrichtendienst zur US-Wahl abgeliefert hat. Der von der Wahl in jedem Fall profitierte: Erhielt er doch, gerade noch rechtzeitig vor der Wahl in den Staaten, ein neues BND-Gesetz, das die umfassenden Assistenzdienste des BND für die amerikanischen Dienste auf eine gesetzliche Grundlage stellt. Ein deutliches Zeichen der Ergebenheit an den amerikanischen Partner – egal, wie die Wahl ausgehen würde.
Wenn der BND dieser Aufgabe nachgekommen wäre, könnte die Wahl von Donald Trump zum nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten nicht die Überraschung ausgelöst haben, die Regierungsmitglieder in Berlin gestern zur Schau stellten.
Faktoren, die für die Wahl des Kandidaten Trump sprachen
Dass Trump die Wahl gewinnen könnte, ergab sich schon abstrakt aus der Natur der Sache: Es wurde über zwei Kandidaten abgestimmt. Dass Trump die Wahl gewinnen könnte, war auch nicht unwahrscheinlich: Die jüngsten Wahlprognosen der Meinungsforscher sahen für Clinton alles andere als einen klaren Vorsprung. Und die Abstimmung über den Brexit, wie auch Wahlprognosen bei Landtagswahlen in Deutschland in jüngster Zeit haben gezeigt, wie sehr solche Prognosen daneben liegen. Dass Trump die Stimmung vieler Wähler und deren Frust über den Politbetrieb besser aufgreift als Clinton, war ebenfalls nicht unbekannt. Auch, dass die Kandidatin Clinton von vielen Wählern als Teil dieses politischen Establishments angesehen wird. Eine objektive und umfassende Bewertung der Risiken des Wahlausgangs hätte all diese Faktoren berücksichtigen müssen.
Wie sah die Analyse des BND zur Wahl des nächsten US-Präsidenten aus?
Wie also sah die Analyse zum Ausgang der Präsidentenwahl in Amerika aus, die der einzige Auslandsnachrichtendienst Deutschlands der Regierung zukommen ließ? Hat er die Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten eines Wahlsiegs von Trump falsch eingeschätzt? Hat er, wie fast alle deutschen Politiker, den Wunsch nach dem Sieg der Kandidatin Clinton ersetzt durch die auf der Hand liegenden Fakten? Sind die Vereinigten Staaten für den BND inzwischen terra incognita: Ein Staatsgebiet, auf dem sich „Ausspähen unter Freunden“ verbietet oder aufgrund geheimer bilateraler Vereinbarungen sogar verboten ist?
Oder ist es ganz falsch, den BND der Vernachlässigung seiner Aufgaben zu verdächtigen? Liegt der Fehler vielmehr bei dessen Abnehmern in der Regierung, die entsprechende Einschätzungen nicht wahrhaben wollten?!
Frage nach dem Sinn und Zweck des BND
So oder so stellt sich (wieder einmal) die Frage nach dem Sinn und Zweck des Bundesnachrichtendienstes. Der entweder die Aufgaben nicht erfüllt, die er vorgibt zu haben. Oder dessen Abnehmer die Leistungen nicht nutzen, die der Dienst für sie erbringt.
Das BND-Gesetz vom Oktober – strategische Vorbereitungen des BND auf ergebene Zusammenarbeit mit dem nächsten US-Präsidenten
Oder waren die geschockten und überraschten Reaktionen von gestern nichts anderes als Schauspielerei? Weil sich die Regierung längst eingestellt hat auf Veränderungen in der Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten. Und der BND der eigentliche Nutznießer der neuen Situation ist? Für diese Möglichkeit sprechen die Aktivitäten der Großen Koalition im letzten halben Jahr:
Im Mai 2016 weilte Bundesinnenminister De Maizière in Washington. Er unterschrieb dort ein geheimes, bilaterales Abkommen über den „verbesserten Datenaustausch“. Versuche der Oppositionsparteien im Bundestag zu erfahren, was eigentlich da vereinbart wurde, blockte die Regierung ab.
Im Oktober 2016 beschloss die große Koalition mit ihrer satten Mehrheit eine umfassende Lizenz für den BND zum Datensammeln. Damit wurden all die Praktiken per Gesetz zugelassen, die Edward Snowden vor drei Jahren aufgedeckt hatte. Seit damals war offensichtlich, dass der BND seine wesentliche Aufgabe darin sieht, Assistenzdienste beim Ausspähen für die Nachrichtendienste der Vereinigten Staaten zu erbringen. Was bisher unzulässig war (allerdings zu keinerlei Sanktionen führte), wurde durch die Gesetzesänderung zur legalen Praxis erklärt. Dass die parlamentarische Kontrolle des Geheimdienstes damit weiter geschwächt statt ausgedehnt wurde, dass die Mehrheit der Experten in einer Anhörung den Gesetzentwurf für verfassungswidrig hielt, dass die Datenschutzbeauftragte der Regierung die technische Konzeption für „überkommen“ hält, das alles konnte die die Mehrheit der Großen Koalition nicht beeinflussen. Die Neufassung des BND-Gesetzes wurde vielmehr im Oktober im Eilverfahren durch das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren gepeitscht. Mit dem Ergebnis, dass das Gesetz noch in diesem Jahr in Kraft treten kann.
Der BND wird damit vollkommen legal Hand in Hand arbeiten dürfen und vor allem weiter Zuarbeiten erbringen dürfen für die US-amerikanischen Dienste. Deren Nutzung und Stärkung – im Sinne der Vereinigten Staaten – ein besonderes Anliegen beider Präsidentschaftskandidaten gewesen ist. Ein nette Geste der Ergebenheit der Bundesregierung an den neuen Präsidenten, egal wer es werden würde. Und ein geschickter Schachzug des BND und seiner Unterstützer, um schon vor der Wahl des nächsten US-Präsidenten auch die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen für eine weiterhin ungetrübte und ausgedehnte Zusammenarbeit mit den amerikanischen Geheimdiensten.
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