In deutsch: Beschlüsse der EU-Staatsschefs zur Asylpolitik

Insgesamt 25 Punkte umfasst das Dokument mit den Beschlüssen aus der gestrigen Sitzung des Rats der Staatsschefs der EU-Mitgliedsstaaten [1]. Davon entfallen 12 Punkte bzw. dreieinhalb Seiten auf das Thema Migration, zweieinhalb weitere Seiten sind der ‚Sicherheit und Verteidigung gewidmet. Eineinhalb Seiten dem Thema ‚Beschäftigung, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit, sowie je knapp eine weitere Seite den Schwerpunkten ‚Innovation und Digitales‘, sowie ‚andere Themen‘.

Es lohnt sich, die Beschlüsse zur Migration in ihrer Gänze selbst zu lesen, anstatt sich auf Auszüge in der aktuellen medialen Berichterstattung zu verlassen. Wir haben sie daher nach bestem Wissen und Gewissen hier für Sie übersetzt:

1. Migration

[Bemerkenswert: Eine Unterscheidung nach Flucht und Migration/Einwanderung wird schon nicht mehr vorgenommen. /d. Verf.]
  1. Der Europäische Rat bestätigt zum wiederholten Male, dass eine Vorbedingung für eine funktionierende EU-Politik in einer umfassenden Herangehensweise an das Thema Migration besteht, die eine Kombination ist aus der effektiven Kontrolle der EU-Außengrenzen, verstärkten äußeren (ausländischen) Aktivitäten und den internen Aspekten, dies alles in Übereinstimmung mit unseren Prinzipien und Werten. Dies ist eine Herausforderung nicht nur für einen einzelnen Mitgliedsstaat, sondern für Europa als Ganzes. Seit 2015 wurden eine Reihe von Maßnahmen implementiert, um eine wirksame Kontrolle der EU-Außengrenzen zu erreichen. Als Folge davon konnte die Zahl der entdeckten illegalen Einreisen in die EU vom Spitzenwert im Oktober 2015 um 95% gesenkt werden; auch wenn der Zustrom in jüngster Zeit auf der Östlichen und Westlichen Mittelmeerroute wieder aufgefrischt hat.
  2. Der Europäische Rat ist entschlossen, seine Strategie fortzusetzen und zu verstärken, mit der eine Rückkehr zum unkontrollierten Zustrom wie in 2015 verhindert und illegale Zuwanderung auf allen bestehenden und sich entwickelnden Wegen aufgehalten wird.
  3. Im Hinblick auf die Zentrale Mittelmeerroute sollten die Anstrengungen weitere intensiviert werden, um Schleuser, die von Libyen oder von anderen Regionen aus operieren, zum Stillstand zu bringen. Die EU wird diesbezüglich Italien und andere Mitgliedsstaaten an der Außengrenze weiterhin unterstützen. Sie wird ihre Unterstützung für die (Länder der) Sahel-Zone erhöhen, für die libysche Küstenwache, für Küstengemeinden im Süden, für humane Empfangsbedingungen, für die freiwillige humanitäre Rückkehr, für die Zusammenarbeit mit anderen Ursprungs- und Durchgangsländern und für freiwillige Um- oder Neuansiedelungen. Alle Schiffe, die im Mittelmeer operieren, sind an die geltenden Gesetze gebunden und dürfen die Operationen der libyschen Küstenwache nicht behindern.
  4. Bezüglich der Östlichen Mittelmeerroute sind zusätzliche Anstrengungen notwendig, um Das EU-Türkei-Abkommen in seiner Gänze zu implementieren, um neue Überfahrten aus der Türkei zu verhindern und den Zustrom zum Stoppen zu bringen. Das Rücknahmeabkommen zwischen der EU und der Türkei und die bilateralen Rücknahmeabkommen sollten in einer fairen Weise gegenüber allen Mitgliedsstaaten vollständig umgesetzt werden. Weitere Anstrengungen sind dringend notwendig, um die rasche Rückkehr sicherzustellen und um die Entwicklung neuer See- oder Landrouten zu verhindern. Die Zusammenarbeit mit und Unterstützung von Partnern in der West Balkan-Region bleibt entscheidend für den Informationsaustausch über Wanderungsrouten, um illegale Zuwanderung zu verhindern, um die Ressourcen für den Grenzschutz zu erhöhen und um Rückkehr- und Rücknahme-Verfahren zu verbessern. Im Hinblick auf die Zunahme des Zustroms im westlichen Mittelmeer in jüngster Zeit, wird die EU mit finanziellen und anderen Mitteln alle Bemühungen der Mitgliedsstaaten – und darunter insbesondere die Spaniens – unterstützen, um illegale Zuwanderung zu verhindern.
  5. Um das Geschäftsmodell der Schleuser endgültig zu unterbinden und damit den tragischen Verlust von Leben zu vermeiden, ist es nötig, den Anreiz zunichte zu machen, sich auf eine höchst gefährliche Reise zu begeben (wörtlich: einzuschiffen). Dies erfordert eine neue Herangehensweise, gestützt auf gemeinsame bzw. abgestimmte Aktivitäten zwischen den Mitgliedsstaaten, um diejenigen anzulanden (wörtlich: auszuschiffen), die im Rahmen von Seenotrettungsoperationen gerettet wurden. In diesem Zusammenhang ruft der Europäische Rat, den Rat und die Kommission dazu auf, zügig ein Konzept für regionale Anlandungs-Plattformen (disembarkation platforms) zu sondieren und zwar in enger Zusammenarbeit mit relevanten Drittstaaten, wie auch mit UNHCR und IOM. In/auf solchen Plattformen sollte die charakteristische, individuelle Situation in voller Übereinstimmung mit internationalem Recht beurteilt werden ohne dass dadurch ein Anreiz (Pull Factor) geschaffen wird.
  6. Diejenigen, die gerettet wurden, sollten – im Rahmen gemeinsamer Anstrengungen, auf dem Gebiet der EU in geschlossene Aufnahmelager überstellt werden, die auf freiwilliger Basis in Mitgliedsstaaten erreichtet werden; dort würde es ein zügiges und sicheres Verfahren mit voller Unterstützung der EU erlauben, zwischen gesetzwidrigen Zuwanderern, die zur Rückkehr gezwungen werden und solchen zu unterschieden, die internationalen Schutz benötigen und für die das Prinzip der Solidarität anzuwenden wäre. Alle Maßnahmen im Zusammenhang mit diesen Aufnahmelagern, einschließlich der Verteilung und Ansiedelung werden auf dieser Basis geschehen und unbeschadet der Dublin (IV)-Reform.
  7. Der Europäische Rat stimmt der Freigabe der zweiten Tranche des Flüchtlingshilfspakets in der Türkei zu, was gleichzeitig verbunden ist mit dem Transfer von 500 Millionen Euro aus der 11. EDF-Reserve an den EU-Trust Fund für Afrika. Die Mitgliedsstaaten werden darüber hinaus aufgerufen, weitere Einzahlungen an den EU Trust Fund für Afrika zu leisten, um ihn wieder aufzufüllen.
  8. Um das Zuwanderungsproblem an seinen Wurzeln zu packen, ist eine Partnerschaft mit Afrika notwendig, die auf eine wesentliche sozio-ökonomische Transformation des afrikanischen Kontinents abzielt und sich abstützt auf die Prinzipien und Ziele, wie sie durch die afrikanischen Ländern in deren Agenda 2063 definiert worden sind. Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten müssen sich dieser Herausforderung stellen. Wir müssen das Ausmaß und die Gleichwertigkeit unserer Zusammenarbeit mit Afrika auf eine neue Stufe heben. Das macht nicht nur eine Erhöhung der Mittel für die Entwicklungshilfe notwendig, sondern auch den Aufbau eines neuen Rahmens, der eine erhebliche Ausweitung privater Investitionen durch Afrikaner und Europäer ermöglicht. Bildung, Gesundheit, Infrastruktur, Innovation, gute Regierungsführung und Emanzipation der Frauen sind dabei die besonderen Schwerpunkte. Afrika ist unser Nachbar; dies sollte zum Ausdruck kommen durch verstärkten Austausch und Kontakte zwischen den Menschen auf beiden Kontinenten auf allen Ebenen der Gesellschaft. Die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der Afrikanischen Union ist ein wichtiger Baustein unserer Beziehungen. Der Europäische Rat fordert und fördert diese weitere Entwicklung.
  9. Im Hinblick auf den nächsten Finanzrahmenplan unterstreicht der Europäische Rat die Notwendigkeit von flexiblen Instrumenten, die schnell eingesetzt werden können, um illegale Migration zu bekämpfen. Die Innere Sicherheit, das integrierte Grenzmanagement, Finanzmittel für Asyl und Zuwanderung sollten daher ganz ausdrücklich auch erhebliche Komponenten für das externe Migrationsmanagement umfassen.
  10. Der Europäische Rat weist darauf hin, dass alle Mitgliedsstaaten die effektive Kontrolle der EU-Außengrenzen finanzielll und materiall zu unterstützen haben. Er unterstreicht die Notwendigkeit, die effektive Rückkehr abgelehnter Zuwanderer erheblich zu beschleunigen. Bezüglich dieser beiden Themen sollte die unterstützende Rolle von FRONTEX einschließlich der Zusammenarbeit mit Drittstaaten durch mehr Ressourcen und ein erweitertes Mandat weiter ausgebaut werden. Der Rat begrüßt die Absicht der Kommission, Gesetzesvorschläge für eine effektivere und kohärente Europäische Rückkehrpolitik vorzulegen.
  11. Im Hinblick auf die Situation innerhalb der EU gilt, dass das Weiterziehen von Asylsuchenden von einem in einen anderen Mitgliedsstaat die Integrität des gemeinsamen Europäischen Asylsystems und des Schengen-Abkommens gefährden. Mitgliedsstaaten sollten intern alle notwendigen gesetzgeberischen und administrativen Maßnahmen treffen, um solche Bewegungen zu unterbinden und zu diesem Zweck auf das engste miteinander kooperieren.
  12. Was die Reform eines neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystems angeht: Hier wurden dank der unermüdlichen Anstrengungen der bulgarischen und früherer Präsidentschaften schon wesentliche Fortschritte erzielt. Diverse Dokumente stehen vor der Fertigstellung. Hinsichtlich der Reform des Dublin-Verfahrens muss eine Übereinkunft gefunden werden, die Verantwortlichkeiten und Solidarität in Einklang bringt und dabei die Situation der Menschen berücksichtigt, die nach Seenotrettungsoperationen an Land gehen. Der Europäische Rat unterstreicht die Notwendigkeit einer raschen Lösung für dieses gesamte Paket und fordert den Rat dazu auf, diese Arbeit so rasch wie möglich zu Ende zu bringen. Ein Bericht über den erzielten Fortschritt wird während der Oktober-Sitzung des Rats der Staatsschefs vorgelegt.