Bei vielen Bau-Großprojekten in Deutschland laufen die Kosten vollkommen aus dem Ruder. Das räumt sogar die Bundesregierung ein: Sie schätzt, dass 40% der Projekte, die mehr als 10 Millionen Euro kosten (und was sind schon 10 Millionen für ein Großprojekt!) den Zeit- und Kostenrahmen sprengen.
[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=“13″]Bei IT-Großprojekten sieht es noch schlimmer aus: Nach einer Studie der Universität Oxford scheitern 40% aller IT-Großprojekte vollständig, bei weiteren 17% verdoppeln sich die Kosten und wird der Zeitrahmen um mehr als 166% überzogen (Mehr dazu hier …) ][/perfectpullquote]Entschließungsantrag im Bundestag
Bündnis90/Die Grünen haben zu diesem Problem einen Entschließungsantrag im Bundestag [1] eingebracht:
Der soll feststellen:
Noch fataler sieht es für den Berliner Flughafen BER aus. … Ein genauer Eröffnungstermin steht noch immer nicht fest – nur ein vager Zeitraum, der mit fortschreitender Bauphase immer unwahrscheinlicher wird. Was hingegen jetzt schon feststeht, sind Mehrkosten von momentan mindestens 2,9 Milliarden Euro, das entspricht deutlich mehr als dem doppeltem der ursprünglich veranschlagten Kosten. Die tatsächlichen Baukosten sind nicht absehbar. Genauso wenig wie der genaue Eröffnungstermin. Fünf Jahre nach dem geplanten Eröffnungstermin 2011 steht noch immer nicht fest, wenn das erste Flugzeug abheben wird.
Ein weiteres Beispiel ist Stuttgart 21. Das Fragezeichen hinter der geplanten Inbetriebnahme des neuen Tiefbahnhofes 2021 wird immer größer – genauso wie die Kosten. Momentan liegt der Kostenrahmen bei geschätzten 6,5 Milliarden Euro.
Viele dieser Kostenexplosionen und Zeitverzögerungen bei Großprojekten sind vermeidbar, wenn die unter Fachleuten geltenden Grundsätze und Regeln bei Planung, Bau und Abnahme einfach eingehalten werden würden. … Häufig werden Projekte aber so geplant, dass der Zeit- und Kostenrahmen nur auf dem Papier eingehalten wird. Kosten werden künstlich zu gering veranschlagt, um die Zustimmung zu den Projekten zu erhöhen. Die Folge ist, dass dann beim Bauen massive Erweiterungen und Anpassungen nötig werden, die am Ende zu den bekannten Verzögerungen und Kostensteigerungen führen. Hinzu kommen als weitere Kostentreiber:
- Unvollständige Planungen,
- Änderungswünsche im Bauverlauf,
- fehlende Öffentlichkeitsbeteiligung,
- mangelnde personelle Ausstattung sowie
- Kompetenzfragen in den Ämtern und Kontrollinstanzen.
Auch das Ausweichen auf öffentlich-private-Partnerschaften drehen an der Kostenschraube. Aus den Erfahrungen ist bekannt: ÖPP-Projekte als Finanzierungsalternative staatlicher Aufgaben werden politisch nur unzureichend kontrolliert, sind intransparent und im Vergleich zur Finanzierung durch die öffentliche Hand unwirtschaftlich. Für den Steuerzahler ist eine solche Lösung teuer.
Aufforderungen des Bundestags an die Bundesregierung
Konkret fordert der Antrag …
- Realistische Planung und Controlling
- Verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen
- Einen vollständigen Verzicht auf ÖPP-Projekte, da diese erwiesenermaßen Projekte verteuern und den Steuerzahler mehr Geld kosten [siehe dazu [2],
- eine starke öffentliche Verwaltung, die qualitativ und quantitativ über das notwendige Personal verfügt und es erlaubt, das ausufernde Outsourcing an Externe Firmen zu begrenzen und die Korruption wirksam zu bekämpfen, sowie
- für mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung zu sorgen
Befassung noch nicht terminiert
Wann der Antrag auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages gesetzt wird, ist derzeit noch nicht bekannt. Über das Ergebnis werden wir weiter berichten.
IT-Großprojekte haben die gleichen Probleme
Die IT-Projekte des Bundes weisen ganz ähnliche Probleme auf, wie in diesen beiden Artikeln näher ausgeführt ist:
- IT-Verbundprojekte der Polizei: Anfällig für spätere Desaster, 21.10.2013, POLICE-IT
https://police-it.org/it-verbundprojekte-der-polizei-anfaellig-fuer-spaetere-desaster - Massive Kritik des Bundesrechnungshofs an IT-Projekten des Bundes, 23.10.2014, POLICE-IT
https://police-it.org/massive-kritik-des-rechnungshofs-an-it-projekten-des-bundes - Und das aktuelle IT-Leuchtturmprojekt der deutschen Polizeibehörden, der PIAV = Polizeiliche Informations- und Analyseverbund, lässt erwarten, dass auch dieses Projekt allen negativen Merkmalen entsprechen wird, die die Fraktion in ihrem Antrag beschrieben hat. Mehr dazu in Fragen und Antworten zum Polizeilichen Informations- und Analyseverbund PIAV.
Speziell im Bereich der IT-Großprojekte von Bund und Ländern wäre noch die Forderung zu erheben, das existierende Vergaberecht auch in diesem Bereich endlich zu beachten und anzuwenden, statt seit Jahren nach Gutsherrenart überwiegend „freihändig“ Aufträge zu vergeben.
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Belege
[1] Nicht um jeden Preis – Großprojekte im Zeit- und Kostenrahmen realisieren, 11.05.2016, DBT-Drs: 18/8402, Deutscher Bundestaghttp://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/084/1808402.pdf [2] Gemeinsamer Erfahrungsbericht des Bundesrechnungshofs und der Landesrechnungshöfe über die Wirtschaftlichkeit von ÖPP-Projekten
http://www.landesrechnungshof-sh.de/file/erfahrungsbericht_oepp.pdf