Daten als Ware! Voll im Fokus des Springer-Konzerns

Der Springer Konzern ist in Deutschland ein marktführender Zeitungsverlag. Sich selbst bezeichnet das Haus inzwischen allerdings als „digitales Unternehmen“. Aus internationaler Perspektive betrachtet und im Vergleich mit den digitalen Weltmarktführern ist Springer allerdings nur ein sehr kleiner Marktteilnehmer. Wie Google und Facebook generiert Springer mehr als zwei Drittel seiner Erlöse mit Werbung. Die journalistischen Inhalte der Online-Ausgaben von Bild, Welt und Co. liefern vor allem das „sichere Markenumfeld“ für die Werbekunden. Zielgerichtetes, auf den individuellen Leser gerichtetes Einspielen von Inhalten und Werbung, wird dabei immer wichtiger. Als herausragenden Fachmann holt Springer jetzt Alexander Karp in den Aufsichtsrat, den Gründer und Geschäftsführer von Palantir; nach eigener Darstellung der „marktführenden analytischen Plattform für strategische, operative und taktische Anforderungen“, die gerade dabei ist, auch bei den Sicherheitsbehörden in Deutschland Fuß zu fassen. | Lesedauer: 12 Minuten

Das Geschäft des Springer-Konzerns

Diese Woche stellt der Springer-Konzern seinen Geschäftsbericht für 2017 vor [1]. Auf rund 3,6 Milliarden Euro belaufen sich die Umsatzerlöse, die seit 2016 um 8,3 % gestiegen sind. „Wir sind so digital wie nie“, sagt dazu der Vorstandsvorsitzende, Matthias Döpfner. Und begründet damit das starke Wachstum.

Womit verdient der Springer-Konzern sein Geld?

Der Verkauf von Printausgaben oder Abonnements seiner Zeitungen und Zeitschriften trägt bei Springer mit gerade mal 18% zu den Umsätzen bei. Mehr als zwei Drittel aller Umsatzerlöse, nämlich 71% stammen aus Werbeeinnahmen. Davon wiederum stammen 87% aus den digitalen Geschäftsfeldern, also dem Verkauf von digitalem Werberaum. Mit nur noch 13% trägt der klassische Anzeigenverkauf im Printbereich zu den Werbeeinnahmen bei.

Auf welchen Geschäftsfeldern ist Springer aktiv?

Aus dem Geschäftsbericht des Axel Springer-Konzerns 2017
Springer macht seine Geschäfte auf drei Geschäftsfeldern:

  1. Mit „Classifieds Media“, das sind spezialisierte Online-Portale, auf denen Werbekunden Anzeigen kaufen
  2. mit „News Media“, dem bis dato klassischen journalistischen Angeboten
  3. mit „Marketing Media“, wo Daten über das Online-Verhalten von Nutzern analysiert und für Werbezwecke aufbereitet und verkauft werden;
  4. der Bereich „Services/Holding“ erbringt vor allem konzernintern Dienstleistungen und trägt nur marginal zu den Umsatzerlösen bei.

„Classifieds Media“

Springer betreibt eine Reihe von Online-Portalen, wo Werbekunden für das Inserieren von Stellenanzeigen, Immobilien oder Autos usw. bezahlen.

Dazu gehören

  • Stepstone oder Jobsite als Werbeplatz für Personalabteilungen
  • Immowelt oder Immoweb für Immobilienangebote
  • meinestadt.de als Werbeumfeld für alle möglichen Kleinanzeigen, vom Autohändler bis zum Bootsvertrieb

Springer erzielte damit 2017 einen Umsatz von etwas mehr als einer Milliarde Euro, das entspricht 28% der Umsatzerlöse.

News Media

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Dieser Bereich ist aus dem früheren Verlagsgeschäft hervorgegangen. Hier werden journalistische Inhalte erstellt, die durch zahlende Leser und/oder durch Werbung finanziert werden. In Deutschland gehört Springer mit der Bild-Gruppe und der Welt-Gruppe zu den Marktführern.

Zum internationalen Medienportfolio von Springer gehören der

  • Ringier Axel Springer Media Verlag,
  • Business Insider und eMarketer, die vor allem auf dem US-Markt eine Rolle spielen,
  • upday, die größte Plattform für Nachrichten auf mobilen Geräten
  • und eine Beteiligung an der EU-Ausgabe von Politico, deren amerikanisches Stammblatt sich in fünf Ausgaben pro Woche vor allem mit dem Regierungsbetrieb in den Vereinigten Staaten beschäftigt.

Die Bild-Gruppe

Bild ist die größte Tageszeit in Europa, hat einen Marktanteil bei den Kaufzeitungen von knapp 80% und eine Reichweite von an die 10 Millionen Leser. Die Bild am Sonntag ist die meistgekaufte überregionale Sonntagszeitung und erreicht sieben von zehn Käufern. Inhaltlich fokussierte Medien, wie Autobild, Computerbild oder Sportbild ergänzen die breit aufgestellte „Bildzeitung“.
Das mediale Umfeld einer Ausgabe der Bild muss so gestaltet sein, dass Werbetreibende und potenzielle Käufer möglichst passgenau zusammengebracht werden. Das erklärt treffend, warum die journalistischen Inhalte von Bild von maximaler Reichweite und größtmöglicher Aufmerksamkeit bestimmt werden.

Die Welt-Gruppe

Zur Welt-Gruppe gehören die Welt am Sonntag; sie ist die auflagenstärkste Sonntagszeitung in Deutschland. Und natürlich die Welt und Welt Kompakt, zusammen die Nummer Drei unter den Qualitätstageszeitungen.

Digitale Medien

Mehr und mehr an Bedeutung gewinnen die jeweiligen Online-Ausgaben dieser Medien, also insbesondere bild.de und welt.de, die Online-Auftritte von Autobild und Co; sowie angeschlossene Online-Portale, wie z.B. Stylebook oder Gruenderszene.

TV-Nachrichtensender Welt, früher N24

Mit dem TV-Nachrichtensender WELT, bis zur Umbenennung am 18.01.2018 besser bekannt als N24, erreicht der News Media Bereich von Springer auch den Fernsehzuschauer.

Titelübergreifende journalistische Arbeit

Die journalistischen Inhalte für die verschiedenen Medien laufen in „integrierten Newsrooms“ zusammen und werden dort für Online- und Printmedien unterschiedlich aufbereitet.

Erlöse aus News Media

Das Geschäftsfeld News Media trägt mit 42% zu den Umsatzerlösen bei. Sie setzen sich zusammen aus den Verkaufserläsen von Print-Produkten und dem Verkauf von digitalen Abonnements. Zu den Werbeerlösen aus News Media macht Springer im Geschäftsbericht 2017 die nebulösen Aussagen, sie stammten aus der „Vermarktung der Reichweiten von Online- und Printmedien“. Die „Wertschöpfungskette sei medienübergreifend ausgerichtet“. Bläst man den Nebel zur Seite, so bedeutet dies, dass das Verhalten des Lesers der Online-Ausgaben erfasst („getrackt“), gespeichert und ausgewertet wird. Mit dem Ziel, jedem Leser, je nach so eingeschätzten Interessen und Kaufkraft in Echtzeit die für diesen maßgeschneiderte individualisierte Werbung auf den Bildschirm zu schicken. Damit hatten wir vor wenigen Wochen in diesem Artikel [A] schon ausführlicher beschäftigt.

Marketing Media

Mindestens ebenso nebulös sind die Aussagen im Geschäftsbericht über das Geschäftsfeld „Marketing Media“: „Die Reichweiten-Vermarktung“ und das „Performance-Marketing“ stehen hier im Mittelpunkt. Wir verstehen diese Aussagen so, dass die umfangreichen Daten, die Springer auf seinen diversen Online-Plattformen und -Medien über den Leser gewinnt, in diesem Geschäftsfeld vermarktet werden. Im vergangenen Jahr erzielte Springer mit diesem Verkauf von Daten über uns alle immerhin schon fast eine Milliarde Euro bzw. 28% seiner gesamten Erlöse.

Springer im Vergleich mit den digitalen Weltmarktführern

Dieses Geschäftsmodell – Daten als Ware – erinnert doch stark an die digitalen Weltmarktführer, also Facebook und Google.
Verglichen mit diesen beiden Giganten ist Springer allerdings derzeit noch ein kleiner, vor allem regionaler Mitspieler.

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Hinweise zur Grafik
Euro-Zahlenwerte aus dem Geschäftsbericht 2017 von Springer wurden mit dem Faktor 1,2 umgerechnet in USD
Der Gewinn von Alphabet im Jahr 2017 fiel, unter anderem durch eine Geldstrafe der EU-Kommission gegenüber Google in Höhe von 2,4 Milliarden Euro, erheblich geringer aus als in den Vorjahren.
Alphabet ist der Name des Mutterkonzerns von Google.

Springers Geschäftsmodell ist ganz ähnlich zu Facebook und Google

Facebook erzielt seine Attraktivität für die Daten-Spender vor allem mit Hilfe seiner „sozialen“ Plattform (Facebook), seiner Kommunikationsdienste (Whatsapp) und der Plattform zum Teilen von Fotos und Videos (Instagram).

Google ist für Internet-Nutzer weltweit gar nicht mehr wegzudenken als die Search Engine, die einem jederzeit Antworten auf nahezu alle Fragen liefert. Und gleichzeitig im Hintergrund erfasst, worüber man/frau sich denn aktuell so interessiert. Google bekümmert sich noch weitaus fürsorglicher um die als Daten-Spender vorgesehenen Nutzer: Mit dem Emaildienst Gmail, mit Youtube, der weltgrößten Plattform für Videos (und zweitgrößten Suchmaschine) im Internet, mit Google Maps, Google Photos u.v.m.

Springer füllt seinen Honigtopf für Daten-Spender mit „News“, also journalistischen Inhalte, die „von vielen Menschen als eine vertrauenswürdige Quelle für Informationen und Unterhaltung gesehen“ werden, wie es ganz vorne im Geschäftsbericht. heißt. Die Werbeerlöse im Digitalgeschäft sind „aufgrund der Marktmacht von Facebook und Google stark umkämpft, heißt es im Geschäftsbericht. Die beiden Marktführer schöpften in den USA zwei Drittel des digitalen Werbemarktes ab. Springer will sich davon absetzen, indem es dem Werbetreibenden ein „sicheres Markenumfeld“ bietet durch die „Redaktion von Inhalten“. Denn durch die „virale Verbreitung von Falschmeldungen“ würden „Marken von Werbekunden einem rufschädigenden Umfeld ausgesetzt“.

„Alte“ journalistische Tugenden bleiben dabei auf der Strecke

Die klar zum Ausdruck gebrachte geschäftliche Orientierung von Springer lässt Zweifel aufkommen: Steht die Schaffung eines möglichst idealen Markenumfelds für den Werbekunden im Vordergrund? Oder geht es doch noch um die journalistische Leistung, die eine demokratische Gesellschaft erwartet, nämlich“ Öffentlichkeit herstellen, die Mächtigen kritisieren, die Mächtigen kontrollieren, uns alle informieren.“?! [2] Die Antwort, denke ich, liegt auf der Hand.

Weitere personelle Aufrüstung des Digitalbereichs bei Springer

Letzte Zweifel über die eingeschlagene Ausrichtung des Springerkonzerns als digitaler Händler von Nutzerdaten werden zerstreut durch die jüngsten Entscheidungen bei Springer im personellen Bereich [3]:

Dr. Stephanie Caspar, die Frau fürs Digitale im Vorstand

Die erste betrifft Dr. Stephanie Caspar, die zum 1.3.2018 als weiteres Mitglied im Vorstand ein neu geschaffenes Ressort mit der konzernweiten Verantwortung für Technologie und Daten übernahm. Sie startete ihre Karriere als Unternehmensberaterin bei McKinsey, war danach ausschließlich für Digitalunternehmen tätig, wie eBay, Immobilienscout und mirapodo, den Online-Shop für Schuhe. Im Mai 2013 wechselte Caspar zunächst in die Geschäftsführung der Welt-Gruppe, war dann auch für das nationale, digitale Mediengeschäft verantwortlich und verantwortet auch Welt/N24. „Als digitaler Verlag ist Axel Springer auf herausragende Technologie- und Datenkompetenz sowie noch mehr Dynamik bei der Implementierung neuer Entwicklungen angewiesen. Mit Stephanie Caspar wird Technologie-Kompetenz aufgewertet und endlich auch im Vorstand mit eigenem Ressort vertreten sein.“

Zu Ihren Stärken schrieb der Kress-Report [4]: „Ihre digitale Denke und Startup-Mentalität hat in der Welt-Gruppe viel verändert. … Sie ließ ein Welt Usability Labor einrichten, in dem Nutzer eingeladen sind, neue Entwicklungen zu testen und zu bewerten. Sie hat signifikant in (konzerneigene) Softwareentwicklung investiert. Diese über einen externen Dienstleister einzukaufen, halte sie für „fahrlässig“.“

Dr. Alexander Karp von Palantir wird Mitglied im Aufsichtsrat des Springer-Konzerns

Zur Berufung der neuen Frau fürs Digitale im Vorstand des Springer-Konzerns passt auch die Entscheidung des Aufsichtsrats von Springer, der Hauptversammlung Dr. Alexander Karp als künftiges neues Mitglied des Aufsichtsrates vorzuschlagen [5].

Karp ist gemeinsam mit dem aus Deutschland stammenden Paypal-Gründer Peter Thiel Gründer und Geschäftsführer der geheimnisumwitterten Firma Palantir.

Palantir, eine Firma aus dem kalifornischen Palo Alto, bezeichnet sich selbst als marktführende analytische Plattform für die strategische, operative und taktische Anforderungen. Plakativer wird Palantir als technologischer Marktführer bei der Auswertung großer Datenmengen aus diversen Datenquellen (also „Big Data“) bezeichnet. Und nichts könnte besser zu einem „digitalen Unternehmen“ wie Springer passen: Wo es darauf ankommt, Daten über Nutzer aus Online-Zeitungen, von Anzeigenportalen, und aus Quellen von Dritten so passgenau und vor allem auch in Echtzeit zusammenzubringen, dass daraus individualisierte Werbung platziert und verkauft werden kann.

Palantir ist seit 2012 auch mit einer in Frankfurt ansässigen Tochtergesellschaft (Palantir Technologies GmbH) auf dem deutschen Markt aktiv. Und konnte am 02.02.2018 einen Auftrag einfahren vom Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung (PTLV) im Hessischen Innenministerium. Auftragsgegenstand ist die „Beschaffung und der Betrieb einer Analyseplattform für die Polizei Hessen zur effektiven Bekämpfung des islamistischen Terrorismus und der schweren und Organisierten Kriminalität“.

Ein weiteres Indiz für den Megatrend, der schon auf dem Europäischen Polizeikongress zu bemerken war (Mehr dazu in [B]): Daten als Ware! Sie stammen aus diversen Quellen und Datenbanken, müssen zusammengeführt, miteinander abgeglichen und nutzbar gemacht werden: Sowohl aus Sicht einer werbetreibenden Wirtschaft, als auch aus der Sicht von Polizei- und Sicherheitsbehörden. Palantir ist, in Deutschland, der erste Hersteller dem eine Anknüpfung mit beiden Bereichen gelungen ist. Eine sehr beunruhigende Feststellung für Datenschutz und Privacy!

Quellen

[1]   Geschäftsbericht des Springer-Konzerns für 2017
http://www.axelspringer.de/publikationen/cw_publikation_de_31768043.html?action=pdf

[2]   “Das ist eine Reaktion auf das Versagen der traditionellen Medien“, 07.03.2018, nachdenkseiten.de
http://www.nachdenkseiten.de/?p=42783

[3]   Verstärkung für Döpfner, Wiele & Co.: Springer beruft Digital-Managerin stephanie Caspar in den Vorstand, 13.02.2018, Meedia.de
http://meedia.de/2018/02/13/verstaerkung-fuer-doepfner-wiele-co-springer-beruft-digital-managerin-stephanie-caspar-in-den-vorstand/

[4]   WeltN24-Geschäftsführerin Stephanie Caspar im Porträt: Die Exotin bei Axel Srpinger, 25.11.2015, Kress-Report
https://kress.de/news/detail/beitrag/133451-weltn24-geschaeftsfuehrerin-stephanie-caspar-im-portraet-die-exotin-bei-axel-springer.html

[5]   Aufsichtsrat der Axel Spring SE: Berufung von Iris Knobloch und Dr. Alexander Karp vorgeschlagen“, 07.03.2018, axelspringer.de
http://www.axelspringer.de/presse/Aufsichtsrat-der-Axel-Springer-SE-Berufung-von-Dr.-Iris-Knobloch-und-Dr.-Alexander-Karp-vorgeschlagen-Bill-Ford-und-Rudolf-Knepper-scheiden-aus_31768105.html

Verwandte Beiträge

[A]   Journalismus 2017 aus Sicht des Konsumenten – Teil 6 (Schluss): Ihr Käuferpotenzial bestimmt, welche Inhalte Sie sehen, 19. Januar 2018, CIVES
https://cives.de/ihr-kaeuferpotenzial-bestimmt-welche-inhalte-sie-sehen-6991

[B]   
Mit Daten für polizeiliche IT-Ausstattung bezahlen?! Der Megatrend in der TECHNIK der Inneren Sicherheit
14.02.2018, CIVES
https://cives.de/der-megatrend-in-der-technik-der-inneren-sicherheit-7263

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