Bundesfinanzministerium misst mit zweierlei Maß

Bei Cum-Ex-Geschäften entstand durch mehrfach ausgestellte Steuerbescheinigungen ein Schaden von mehr als zehn Milliarden Euro. Das Finanzministerium unternahm jahrelang nichts dagegen. Attac soll nach einem Verfahrenstrick, den das Finanzministerium angeordnet hat, auch weiterhin keine Spendenbescheinigungen ausstellen dürfen. Dabei hatte das zuständige Finanzgericht ein gegenteiliges Urteil gefällt.

Wenn das Bundesfinanzministerium jahrelang wegsieht: Mehrfach ausgestellte Steuerbescheinigungen verursachen mehr als zehn Milliarden Schaden durch „Cum-Ex“-Geschäfte

BMF Bildarchiv 2005. Foto: Ilja C. Hendel, mail@iljahendel.com
Auf zwischen zehn und zwölf Milliarden Euro wird der Schaden geschätzt, der für den Bund durch Steuertricks entstanden ist, die unter dem Begriff „Cum-Ex“ bekannt wurden. Über Jahre hinweg war es möglich, dass Steuerbescheinigungen für eine nur einmal abgeführte Kapitalertragssteuer beim Aktienkauf mehrfach ausgestellt wurden und demzufolge bei allen Empfängern auch mehrfach steuermindernd geltend gemacht werden konnten. Noch nie ist dem Staat ein so hoher Steuerschaden entstanden. Er entspricht in etwa dem Betrag, der dem Bund in mehr als zwei Jahren aus der LKA-Maut zufließt.

Verursacht wurde der Schaden durch Banken und Aktienkäufer, die den entsprechenden Steuertrick kannten und ausnutzten. Möglich wurde er, weil das Bundesfinanzministerium lange Zeit nichts unternahm, um diesen Trick zu unterbinden. Schon 2002 hatte der Bundesverband deutscher Banken das Ministerium auf das Problem aufmerksam gemacht. Hans Eichel von der SPD hieß der zuständige Finanzminister damals. Unter seinem Nachfolger Steinbrück, ebenfalls SPD, wurde 2007 dann ein Gesetz verabschiedet, das den Trick allerdings nicht wirklich unterband. Banken und Investoren mussten sich nun lediglich ausländischer Partner bedienen, was nicht wirklich ein Hindernis darstellte. Unter Schäuble von der CDU, seit 2009 Bundesfinanzminister, dauerte es dann immer noch bis Anfang 2012, bis diese Cum-Ex-Geschäfte dann endlich wirksam unterbunden wurden.

Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages, erst 2016 auf Antrag der Oppositionsparteien eingesetzt, versuchte, die Verantwortlichkeiten zu klären. Fast 80 Zeugen und Sachverständige wurden gehört. Darunter auch die beteiligten Finanzminister: Schäuble, der die Sachlage als „komplex und nicht einfach zu lösen“ erklärte. Und Steinbrück, der überhaupt erst seit 2009 von der Problematik erfahren haben will. Es lagen auch jede Menge Akten vor, die – bei entsprechender Auswertung – das Versagen des Finanzministeriums belegen können. Daran allerdings haben die Vertreter der Großen Koalition kein Interesse. Es käme auch reichlich ungelegen in diesen Zeiten des Wahlkampfs. Und so streiten die Vertreter der Großen Koalition und der Opposition seit Monaten um einen Entwurf des Abschlussberichts, in dem, ganz im Sinne der Regierungsfraktionen, kein Versäumnis der Regierung festgestellt und für den Änderungsanträge der Opposition abgelehnt werden. Eine endgültige Fassung soll im Juni vorliegen.

Wenn das Bundesfinanzministerium ganz genau hinsieht: Attac kann weiterhin keine steuermindernden Spendenbescheinigungen ausstellten

Dass sich das Bundesfinanzministerium – entsprechendes Interesse vorausgesetzt – auch sehr genau informieren und um kleine Details kümmern kann, belegt ein jetzt bekannt gewordener Fall. Da geht es um Attac, ein global tätiges Netzwerk, das sich einsetzt für die „Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der BürgerInnen“. Dem deutschen Zweig von Attac hatte das zuständige Finanzamt in Frankfurt/Main im Jahr 2014 die Gemeinnützigkeit aberkannt. Das traf den Finanznerv des Netzwerks ganz empfindlich, weil keine Steuerbescheinigungen an Spender mehr ausgestellt werden konnten und somit Spenden an Attac auch nicht mehr steuerlich abzugsfähig waren. Attac sei „zu politisch“ lautete die Begründung des Finanzamts. Attac rief daraufhin das Finanzgericht an. Das urteilte, dass „das politische Engagement des Netzwerks gegen die neoliberale Globalisierung“ der Gemeinnützigkeit nicht entgegensteht.

Doch so leicht gibt das Bundesfinanzministerium nicht nach, wenn es um Bescheinigungen geht, die die Steuerlast mindern: Es erging nämlich eine Weisung aus der Berliner Wilhelmstraße an das Frankfurter Finanzamt, das Beschwerde beim Bundesfinanzhof eingelegt hat. Mit der Folge, dass das Urteil des hessischen Finanzgerichts nicht rechtskräftig werden konnte. Attac kann also weiterhin keine Steuerbescheinigungen ausstellen. So (schnell) kann es gehen, wenn das Bundesfinanzministerium eigene Interessen und Motive in eine Sache einbringt …

Quellen

[1]   Der größte Fall von Finanzkriminalität in Deutschland, Gerhard Schick (Berichterstatter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss) am 30.04.2017 in der Zeit
http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-04/cum-ex-skandal-steuerhinterziehung-koalition-untersuchungsausschuss

[2]   Prinzip Deckel drauf: Koalition will von Regierungsversagen ablenken. Cum-Ex-Untersuchungsausschuss kann sich auf keinen gemeinsamen Bericht verständen, Benedikt Ugarte Chacoón (Referent der Frkation Die Linke im im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss) am 15.04.2017 in der Jungen Welt
https://www.jungewelt.de/artikel/308909.prinzip-deckel-drauf.html?sstr=Deckel%7Cdrauf

[3]   Webseite des Cum-Ex-Untersuchungausschusses im Deutschen Bundestag mit Links zu wichtigen ERgebnissen und Zeugenauftritten
http://www.bundestag.de/ausschuesse18/ua/4untersuchungsausschuss

[4]   Schäuble-Ministerium behindert Gemeinnützigkeit von Attac: Weisung an Frankfurter Finanzamt, Rechtsstreit weiterzuführen
http://www.attac.de/startseite/detailansicht/news/schaeuble-ministerium-behindert-gemeinnuetzigkeit-von-attac/

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