Der Algorithmus als Zensurinstanz

Googledocs – eine herrliche einfache und komfortable Möglichkeit, von überall auf seine Dokumente zugreifen und daran arbeiten zu können. Die Euphorie bekam jetzt einen herben Dämpfer: Denn Google sperrte jüngst zahlreiche Autoren von ihren eigenen Dokumenten aus. Der Grund?! „Missbräuchliche Inhalte“. Dieser angebliche „technische Fehler“, er ist inzwischen behoben, macht wieder einmal auf das Geschäftsmodell von Google aufmerksam. Die gigantische Gewinne machen mit den Inhalten, die wir alle mehr oder minder freiwillig preisgeben.

Es ist so herrlich bequem. Gerade für Journalisten und andere, die viel reisen. Kein aufwändiges Herumschleppen von Datenträgern zur Sicherung mehr. Keine Gefahr, dass Grenzbeamte in den Daten rumschnüffeln oder gar Kopien anfertigen wollen. Und auch kein Ärger mehr mit Microsoft’s Word, allerdings damit „kompatibel“. Von überall her erreichbar, selbst wenn noch nicht einmal ein Internet-Anschluss vorhanden ist.
Mit solchen Argumenten ließen sich viele Nutzer überzeugen von Googledocs einem „kostenlosen, webbasierten Software-as-a-Service-Office-Paket von Google zur Erstellung von Textdokumenten, Tabellen, Präsentationen und Fragebögen“.

„Missbräuchlicher“ Inhalt führte bei zahlreichen Nutzern zur Sperrung von Googledocs

Die Euphorie über diesen ‚kostenlosen‘ Komfort hat sich bei zahlreichen Nutzern inzwischen in Wut bzw. Verzweiflung verwandelt. So berichtete Rachael Bale, eine Reporterin, die für National Geographic an einem Artikel über das Abschlachten von Wildtieren (poaching) arbeitet:
Am Dienstag war der bei Googledocs gespeicherte Entwurf ihres Artikels plötzlich nicht mehr bearbeitbar. Viele andere haben das Gleiche berichtet, wie man auf Twitter unter dem Hashtag #googledocs nachlesen kann. Die Google-Leute kümmerten sich auch umgehend um das Problem und erklärten zunächst, dass „ein Stück Software eine kleinen Prozentsatz von Google-Docs als „missbräuchlich“ erkannt“ und daher gesperrt habe. Dies sei ein technischer Fehler, der schon bald behoben würde [1].

Auf weitere Nachfragen beruhigte Google: Die Dokumente würden nicht wirklich automatisiert gelesen; vielmehr überwache ein ‚Mustererkennungssystem‘ den Inhalt und schlage an, wenn es „Anzeichen von Missbrauch“ erkenne. Unnötig zu sagen, dass nur Google weiß, was „Anzeichen von Missbrauch“ sind … Offensichtlich genügt es bereits, als Journalist über Sachverhalte, wie Wildfrevel in Afrika zu schreiben, um die Regeln zu verletzen, unter denen Google seine ‚kostenlosen‘ Dienstleistungen erbringt.

Sage keiner, er hätte es nicht wissen können – die Google Nutzungsbedingungen

Rechtlich/formell befindet sich die Firma damit auf sicherem Boden: Denn als Nutzer muss man diese Nutzungsbedingungen akzeptiert haben, um die entsprechenden Services nutzen zu können. Dort [2] heißt es auch deutlich:

„… Wir erfassen Informationen, um allen unseren Nutzern bessere Dienste zur Verfügung zu stellen – von der Feststellung grundlegender Aspekte wie zum Beispiel der Sprache, die Sie sprechen, bis hin zu komplexeren Fragen wie zum Beispiel der Werbung, die Sie besonders nützlich finden, den Personen, die Ihnen online am wichtigsten sind, oder den YouTube-Videos, die Sie interessant finden könnten. …
und weiter unten, unter der Überschrift „Wie wir die von uns erhobenen Informationen nutzen“ heißt es
„Wir nutzen die im Rahmen unserer Dienste erhobenen Daten zur Bereitstellung, zur Wartung, zum Schutz und zur Verbesserung unserer Dienste, zur Entwicklung neuer Dienste sowie zum Schutz von Google und unseren Nutzern. Wir verwenden diese Daten außerdem, um Ihnen maßgeschneiderte Inhalte anzubieten – beispielsweise, um Ihnen relevantere Suchergebnisse und Werbung zur Verfügung zu stellen.“

und noch weiter unten …


„Unsere automatisierten Systeme analysieren Ihre Inhalte (einschließlich E-Mails), um Ihnen für Sie relevante Produktfunktionen wie personalisierte Suchergebnisse, personalisierte Werbung sowie Spam- und Malwareerkennung bereitzustellen.

Der Google-Nutzer als Wirtschaftsfaktor

Google gibt sich ja viel Mühe als der freundliche Dienstleister zu erscheinen, dessen Bemühen vor allem darauf ausgerichtet ist, „allen unseren Nutzern bessere Dienste zur Verfügung zu stellen“ [in 2]. Wer Verwender der Google-Suche ist, seine Emails mit Gmail bearbeitet, seine Fotosammlungen unter Google Fotos ablegt und den Cloud-Service von Google Drive gerne nutzt, fühlt sich unter Umständen angesprochen von solchen Absichtserklärungen. Er ist jedoch nicht gemeint, sondern fungiert lediglich als eines von vielen Millionen zu bewirtschaftender Nutzerobjekte, manche würden auch „Melkkühe“ dazu sagen. Denn Google macht sein – immenses – Geschäft zwar AUF DER BASIS der Milliarden von Daten, die Nutzer seiner Services – weitgehend unkritisch – preisgeben. Google macht sein eigentliches Geschäft jedoch MIT Werbetreibenden: 87% der Einnahmen des Google-Mutterkonzerns Alphabet stammen aus Werbeeinnahmen. Sie beliefen sich im 3. Quartal 2017 auf 24,1 Milliarden Dollar. Der Gewinn aus sämtlichen Einnahmen in diesem Quartal betrug 6,7 Milliarden Dollar, das ist im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung von einem Drittel [3].

Gewinn des letzten Quartals höher als die Investitionen für den Breitbandausbau in Deutschland in den nächsten vier Jahren

Die Bundesregierung möchte in den nächsten VIER JAHREN [4] insgesamt 4,4 Milliarden Euro = 5,1 Milliarden Dollar für den weiteren Breitbandausbau ausgeben. Mit dem Gewinn von Alphabet allein aus dem letzten QUARTAL wären diese Investitionen auf einen Schlag bezahlt …

Quellen

[1]   A mysterious message is locking Google Docs users out of their files, 31.10.2017, The Washington Post,
https://www.washingtonpost.com/news/the-switch/wp/2017/10/31/a-mysterious-message-is-locking-google-docs-users-out-of-their-files/

[2]   Google Datenschutzerklärung und Nutzungsbedingungen in der Fassung vom 1.11.2017, 07:15
https://www.google.com/intl/de/policies/privacy/

[3]   Google-Mutter Alphabet und Amazon melden satte Gewinne, 27.10.2017, Welt Online
https://www.welt.de/wirtschaft/article170093211/Google-Mutter-Alphabet-und-Amazon-melden-satte-Gewinne.html

[4]   Bundeshaushalt 2018, Pressemitteilung vom 28.06.2017, Bundesfinanzministerium
http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2017/06/2017-06-28-PM20-bundeshaushalt-2018.html

Ergänzender Artikel

[A]   If You’re Locked Out Of Google Docs, You’re Not Alone, 31.10.2017, ValuWalk
http://www.valuewalk.com/2017/10/locked-out-of-google-docs/

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