Seit den ersten Enthüllungen durch Edward Snowden – im Sommer 2013 – haben wir eine Reihe von Artikeln zur Zusammenarbeit zwischen BND und NSA und zum Verhalten der Bundesregierung und insbesondere der Bundeskanzlerin veröffentlicht. Der folgende Artikel erschien erstmals am 12. Juli 2014 auf dem Polygon-Blog. Aus aktuellem Anlass – und weil schon wieder Vieles in Vergessenheit geraten ist, was damals öffentlich bzw. bekannt war – veröffentlichen wir diesen Artikel hier noch einmal.
„Spionage!“ – das Bühnenbild
Und nach deren Berichten lief der Plot folgendermaßen ab:
Am 4. Juli, einem Freitag und Feiertag in Amerika!, wird der amerikanische Botschafter Emerson ins Auswärtige Amt gebeten. Dort informiert ihn Staatssekretär Steinlein über Ermittlungen des Generalbundesanwalts gegen einen 31-jährigen BND-Mitarbeiter, der im Verdacht steht, Informationen an die Amerikaner weitergegeben zu haben. Steinlein soll dabei eine „zügige Klarstellung“ eingefordert haben. Die auch in der Tat zeitnah erfolgte. Zwei Arbeitstage später, am Morgen des 09.07. präsentierte Emerson ein Angebot der amerikanischen Regierung, abgestimmt mit Präsident Obama, für ein Abkommen zum gegenseitigen Austausch von Informationen aus technischer Aufklärung, das dem „UKUSA“-Abkommen ähnlich sein soll, wie es zwischen den ‚Five Eyes‘ existiert.
Das UKUSA- oder „Five-Eyes“-Abkommen
In diesem Abkommen, das auf das Jahr 1946 zurückgeht, verpflichteten sich die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich gegenseitig zum umfassenden Austausch der jeweils im Rahmen der technischen Aufklärung gewonnenen Informationen, also insbesondere all der Informationen, die bei der strategischen Überwachung von Telekommunikation, Internet- und Emailverkehr erhoben wird. Im Gegenzug ist im Abkommen das wechselseitige Ausspionieren relativ beschränkt.
‚Five Eyes‘ heißt der elitäre Zirkel deshalb, weil sich die anderen englischsprechenden Nationen, nämlich Kanada, Australien und Neuseeland, dem Bündnis aus UK und USA wenig später angeschlossen haben.
Es passt nicht ganz zum Theaterdonner und insofern hat Innenminister deMaiziére einen taktischen Fehler begangen, dass er die Enthüllungen des BND-Maulwurfs als „lächerlich“ bezeichnete. Denn warum sollte eine deutsche Regierung wegen einer relativen Petitesse diesen öffentlichen Affront gegenüber dem wichtigsten Partner und Verbündeten, den Vereinigten Staaten, riskieren?!
Dass es tatsächlich um den Beitritt Deutschlands als gleichberechtigter Partner zum wichtigsten Nachrichtendienst-Bündnis der westlichen Hemisphäre geht, ist da erheblich glaubwürdiger, zumal es dafür seit längerem diverse Anzeichen gibt, wie wir hier zuletzt berichtet hatten.
Die Frage nach dem Warum
Es stellt sich jedoch die Frage, warum die Regierung Merkel, ohne dies öffentlich zuzugeben, unbedingt Beitritt zum clandestinen Bündnis der führenden westlichen Nachrichtendienste zu erlangen sucht? Klar ist, dass es hier um ein Geschäft auf Gegenseitigkeit geht: Do ut des!
Gewogen und für zu leicht befunden
Doch ist die Handelsware, also Informationen aus technischer Aufklärung, die deutsche Dienste aktuell einbringen könnten, offensichtlich zu spärlich. Sonst käme es nicht zu Berichten [2], dass die Deutschen in früheren Verhandlungen zum gleichen Thema „blass geworden“ seien, angesichts der Liste der Forderungen, die die Partnerdienste, insbesondere die USA, verlangen, bevor sie einem Beitritt Deutschlands zustimmen.
Was versprechen sich die Deutschen also vom Beitritt?!
Ein schlimmer Verdacht!
Treibendes Motiv für die deutsche Seite muss also die Handelsware, also Information, sein, die man von den künftigen Bündnispartnern zu erhalten hofft. Und damit kommt ein schlimmer Verdacht auf:
Denn seit der Enthüllung einiger Snowden-Files steht die Annahme im Raum, dass die Dienste der Vereinigten Staaten die Telekommunikation deutscher Bürger und Unternehmen in Deutschland flächendeckend überwachen, speichern und – bei Bedarf – auch auswerten. Eine so weitgehende Überwachung im Inland ist den deutschen Diensten durch das Grundgesetz verwehrt, woran auch die erhebliche Aufweichung des ursprünglich im Artikel 10 des Grundgesetz vorgesehenen Schutzes des Brief- und Fernmeldegeheimnisses durch das „G10-Gesetz“ nichts ändert. Der Beitritt zum Bündnis der Nachrichtendienste unter amerikanischer Führung würde den deutschen Diensten den Zugriff ermöglichen zu Informationen aus flächendeckender Fernmeldeüberwachung in Deutschland, die sie selbst nicht erbringen dürfen. Das alles wäre „ganz legal“.
Bundeskanzlerin Merkel und ihre Minister müssen die Frage beantworten, wie verhindert werden soll, dass der von ihnen betriebene Beitritt zum Bündnis der Nachrichtendienste zur oben beschriebenen, vollständigen Aushebelung des Brief- und Fernmeldegeheimnisses führt. Sie müssen erklären, mit welcher Zielsetzung sie diesen Beitritt „im Hintergrund“ vehement betreiben und Ablenkungsmanöver fahren, mit denen die Öffentlichkeit für dumm verkauft werden soll.
Und Presse, wie auch Parlamenarierer sollten endlich ihre Naivität bzw. Gutgläubigkeit ablegen und sich mit der Frage auseinandersetzen, wem all das eigentlich nützt, das die Regierung Merkel hier veranstaltet. Bürgern und Unternehmen in Deutschland nämlich mit Sicherheit nicht!
Quellen zu diesem Beitrag
[1] U.S. Offered Berlin „Five Eyes“ Pact. Merkel Was Done with it. 12.07.2014, Bloomberg.comhttp://www.bloomberg.com/news/articles/2014-07-11/berlin-spying-prompted-u-s-offer-too-late-to-sway-merkel [2] German investigation of U.S. espionage widens, 09.07.2014, Washington Post
http://www.washingtonpost.com/world/national-security/german-investigation-of-us-espionage-widens/2014/07/09/8829d518-0791-11e4-a0dd-f2b22a257353_story.html
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