— Update vom 01.12.2016 – 05.00 Uhr —
Jetzt ist es also beschlossene Sache: Auf ihrer Herbsttagung haben die Innenminister die Einführung des neuen, „offiziellen“ Presseausweises beschlossen.
Eine „Ständige Kommission“, besetzt aus Vertretern des Deutschen Presserats und IMK-Vertretern entscheidet ab 2018, welche Presseverbände noch Presseausweise ausstellen dürfen.
Damit wächst die Gefahr, dass nur noch „staatlich approbierte Journalisten“ Auskünfte von Behörden, Institutionen und Firmen erhalten und als Pressevertreter an Veranstaltungen teilnehmen können.
Der niedersächsische Innenminister Pistorius kündigt einen „offiziellen Presseausweis“ an. Darauf will er sich mit seinen Ministerkollegen auf der morgen beginnenden Herbsttagung der Innenminister verständigen. Das ist verwunderlich! Denn einen bei Behörden und Polizei bekannten, mit der Innenministerkonferenz abgestimmten Presseausweis gibt es längst.
Der Vorstoß von Pistorius läuft darauf hinaus, dass Journalisten nur noch nach staatlicher Gesinnungsprüfung den neuen, „offiziellen“ Presseausweis erhalten. Das Recht auf Presseauskunft und unbeeinträchtigte Pressearbeit erhielten dann nur noch staatlich approbierte Journalisten.
Der heute verwendete, offizielle Presseausweis
Der aktuelle, „offizielle“ Presseausweis
- ist – seit 1950!- mit der Innenministerkonferenz abgestimmt und von dieser anerkannt: Mit der Folge, dass Behörden und Polizeibeamte diesen Presseausweis schon seit Jahren als den „offiziellen“ kennen und anerkennen.
- wird derzeit von den folgenden journalistischen Berufsverbänden ausgestellt. Das sind
- und zwar, nachdem diese – intensiv – geprüft haben, ob der Antragsteller hauptberuflicher Journalist ist, also von den Einnahmen seiner journalistischen Tätigkeit lebt.
- muss alljährlich neu beantragt werden.
- Das Erfordernis der Hauptberuflichkeit wurde von den Innenministern seit 2006 in einem „Leitbild“ bekräftigt.
- Nachdem weitere Verbände die Zulassung zur Ausstellung von Presseausweisen erhalten wollten bzw. gerichtlich erstritten hatten, zog die Innenministerkonferenz für den Presseausweis ab 2009 die Genehmigung zurück, dass auf der Rückseite ein Satz aufgedruckt ist mit der Aufforderung der IMK, den Ausweis-Inhaber bei seiner Arbeit zu unterstützen“.
- Seitdem steht dort nur noch der Satz „Institutionen und Unternehmen werden gebeten, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.“
(Schein-)Argumente von Pistorius
Pistorius sieht sich und seine Kollegen in der Verantwortung „die Arbeit der hauptberuflichen Journalisten und damit eine seriöse, faktenbasierte Informationskultur zu schützen„. Ich selbst und sicher viele andere Kollegen sähen es als vorrangig an, dass sich eine „seriöse, faktenbasierte Informationskultur“ zuvor in der Pressestelle von so manchem Ministerium und mancher Behörde entwickelt: Vor allem, wenn es darum geht, Presseanfragen von Inhabern des heute offiziellen Presseausweises zeitnah, wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten. [Einige unserer einschlägigen Erfahrungen können Sie hier oder hier nachlesen.]
Weiterer Grund für die Neuregelung ist ein angeblich entstandener Wildwuchs rund um Presseausweise, die man, so der Minister, bei „unzähligen Anbietern für mehr oder weniger geringe Summen“ kaufen könne. Das Problem mit nicht behördlich anerkannten Presseausweisen ist allgemein bekannt. Sie sind bei manchen Mitmenschen begehrt, um auf Schnäppchenjagd zu gehen und „mit Presserabatt“ einkaufen zu können [Kann mir bitte jemand sagen, ob es noch Firmen gibt, die auf solche windigen „Ausweise“ hin Preisnachlässe einräumen?]. Mitarbeiter in Pressestellen von Behörden und Polizeibeamte sind jedoch mit Sicherheit in der Lage sind, den bisherigen, offiziellen und relativ fälschungssicheren Presseausweis von solchen Schäppchen-Jagdausweisen zu unterscheiden.
Pressearbeit nur noch für Journalisten mit staatlicher Zulassung?!
Und getreu dem Motto „Viel hilft Viel“ setzt Pistorius dann noch obendrauf, dass sich „in jüngster Zeit beispielsweise Extremisten als Journalisten ausgegeben und so Zugang zu geschützten Bereichen etwa bei Demonstrationen erhalten“ hätten. Beweise für diese Behauptung?! Fehlanzeige! Rein logisch betrachtet, würde dagegen allerdings auch ein neuer, offizieller Presseausweis nichts nützen. Denn auch ein hauptberuflicher Journalist mit neuem offiziellen Presseausweis könnte ja – rein theoretisch – auch ‚Extremist‚ sein.
Oder etwa nicht?! Dann steckt ja mehr hinter der Ankündigung von Herrn Pistorius, als er im Gespräch mit der Zeitung rausließ. Denn dann geht es ihm darum, Presseausweise in Zukunft nur noch an solche Antragsteller auszugeben, die eine Gesinnungsprüfung und Check durch die Verfassungsschutzbehörden bestanden haben?! Es wäre das jedoch ein verheerendes Zeichen und massiver Anschlag auf das Presseauskunftsrecht, wenn in Zukunft nur noch „staatlich approbierte“ Journalisten und Ausweisinhaber überhaupt Presseanfragen stellen oder an entsprechenden Veranstaltungen teilnehmen dürften.
— Update vom 01.12.2016 – 06.00 Uhr —
Jetzt ist es also beschlossene Sache: Auf ihrer Herbsttagung haben die Innenminister die Einführung dieses „offiziellen“ Presseausweises beschlossen, über den wir vor zwei Tagen berichtet hatten.
Von der Gefahr des Missbrauchs durch Extremisten, die in der Ankündigung von Pistorius (siehe unten) noch ein wesentlicher Grund war, ist jetzt keine Rede mehr.
- Vielmehr soll es – ab 2018 – einen Presseausweis geben, der das Plazet der Innenministerkonferenz hat und von Behörden und Polizei anerkannt wird.
- Er soll „den Nachweis erleichtern, anerkannte Vertreterin bzw. anerkannter Vertreter der Presse zu sein.“
- Zur Ausgabe berechtigt sein sollen „alle Pressevereinigungen, die die in der Vereinbarung enthaltenen Voraussetzungen erfüllen“.
- Mit „Vereinbarung“ ist die Festlegung eines „transparenten Verfahren nach objektiven Kriterien“ gemeint, auf das sich die Innenminister (im Vorfeld der Konferenz) mit dem Deutschen Presserat geeinigt haben.
- Die entsprechende Berechtigung wird erteilt durch eine „Ständige Kommission“, die mit jeweils zwei Mitgliedern des Presserats und Abgesandten der Innenministerkonferenz besetzt wird. Diese Kommission entscheidet darüber, welche Verbände zur Ausstellung des neuen, offiziellen Presseausweises berechtigt werden.
Die genauen Inhalte dieser Vereinbarung sind öffentlich nicht bekannt. Vom Deutschen Presserat gibt es hier eine Pressemitteilung unter dem Titel „Wiedereinführung bundeseinheitlicher Presseausweis“.
Wir bleiben bei unserer Einschätzung, dass dies ein Angriff auf das Presse(auskunfts)recht ist. Denn es besteht die Gefahr, dass nur noch „staatlich approbierte“ Journalisten Auskünfte von Behörden, Firmen und Institutionen erhalten bzw. als Pressevertreter an Veranstaltungen teilnehmen können.
Quelle
[1] Pistorius kündigt neuen Presseausweis an, 28.11.2016, Neue Osnabrücker Zeitunghttp://www.noz.de/deutschland-welt/niedersachsen/artikel/812937/pistorius-kuendigt-offiziellen-presseausweis-an
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Die Vorteile des aktuell eingeführten, offiziellen Presseausweises für Behörden, Polizei und Unternehmen sind hier beschrieben.
Was der Presseausweis bewirkt und wie man ihn beantragt, kann man hier nachlesen …
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1 Gedanke zu „Angriff auf das Presse(auskunfts)recht“
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