Parlamentsarbeit auf Sparflamme

Der Hauptausschuss in der 18. Wahlperiode bei seiner konstitutierenden Sitzung
© DBT/Melde
Acht Wochen nach der Wahl tritt der Bundestag nächste Woche wieder zusammen. Da es mit der Regierungsbildung absehbar noch dauert, sind sämtliche Fachausschüsse noch nicht besetzt. Übergangsweise soll daher ein vielköpfiger, so genannter ‚Hauptausschuss‘ eingesetzt werden. Ansonsten ist die Hälfte der Sitzungen verplant für die Verlängerung von Mandaten für Auslandseinsätze der Bundeswehr. Eine aktuelle Stunde beschäftigt sich mit den Paradise Papers. Und SPD, Linke und AfD üben das Stellen von Anträgen.

Bundestagsausschüsse wegen anhaltender „Sondierung“ zur Regierungsbildung noch nicht besetzt – die Arbeit übernimmt ein „Hauptausschuss“

Der Hauptausschuss in der 18. Wahlperiode bei seiner konstitutierenden Sitzung
© DBT/Melde
Nicht nur das Regieren, auch der Parlamentsbetrieb läuft aktuell auf Sparflamme. Grund ist, dass die ständigen Ausschüsse, in denen ein Großteil der parlamentarischen Arbeit stattfindet wegen der noch andauernden Sondierungsverhandlungen noch nicht besetzt sind. Denn Ausschussposten werden erst vergeben, wenn die Regierung steht und die Personalfragen in allen Fraktionen geklärt sind. Bis dahin soll ein „Hauptausschuss“ eingesetzt werden, ein Gremium, das stellvertretend für die noch nicht eingesetzten ständigen Ausschüsse Vorlagen zu beraten und Beschlussempfehlungen für das Plenum zu formulieren hat.

Während fünf Fraktionen diesen Antrag unterstützen, möchte die Linksfraktion die im Grundgesetz vorgesehenen Pflichtausschüsse, nämlich den

  • Auswärtigen Ausschuss,
  • den Verteidigungsausschuss und
  • den Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union

umgehend eingesetzt wissen [a].

Für diesen Antrag ist allerdings keine Mehrheit zu erwarten. Die nächste Sitzung des Bundestages, am Dienstag, dem 21.11., wird also in fünf Minuten ohne Aussprache zunächst diesen Hauptausschuss, sowie den Petitionsausschuss und einen Geschäftsordnungsausschuss auf den Weg bringen. Wenn das zu Beginn der letzten Wahlperiode schon einmal angewandte Verfahren wiederholt wird, dürfte der Hauptausschuss mindestens 47 Mitglieder haben [b] und der aktuelle Bundestagspräsident, Wolfgang Schäuble, den Vorsitz des Hauptausschusses übernehmen. Das ist für die kleineren Fraktionen ein Nachteil, weil die ihnen anteilig zustehenden (wenigen) Ausschussmitglieder die gesamte Bandbreite der parlamentarischen Fachausschüsse abdecken müssen.

Verlängerung von Bundeswehreinsätzen beansprucht die Hälfte der Zeit in der nächsten Sitzungswoche

Die Hälfte der Sitzungszeit in der nächsten Woche ist vorgesehen, um die notwendige Zustimmung des Bundestages für sieben Auslandseinsätze der Bundeswehr zu erlangen:
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Aktuelle Stunde zur Geldwäschebekämpfung im Zusammenhang mit den Paradise Papers

Die Linke verlangt, das Thema „Schlussfolgerungen für Steuerpolitik und Geldwäschebekämpfung aus den Paradise Papers“ auf die Tagesordnung des Plenums zu setzen. Anlass sind die jüngsten Veröffentlichungen über die sogenannten ‚Paradise Papers‘, in denen Strukturen, Akteure und Nutznießer „steuerlicher Parallelwelten“ (Regierungssprecher Steffen Seibert) offengelegt werden.

Zustimmung des Bundestages zur vorzeitigen Kreditrückzahlung durch die Republik Irland den den IWF, Schweden und Dänemark

Das Bundesfinanzministerium benötigt die Zustimmung des Bundestages, um seinerzeit einem Antrag der Republik Irland zuzustimmen, die den Rest ihrer Verbindlichkeiten beim IWF; sowie bei Schweden und Dänemark vorzeitig zurückzahlen will, um dadurch von der günstigen Zinssituation auf den Märkten zu profitieren. An sich ist eine jeweils paritätische Rückzahlung an den EFSF und an den IWF vorgesehen.

Die Opposition demonstriert Aktivität: Je zwei Anträge von SPD, Linken und AfD

Die SPD brachte einen Antrag ein zum ‚Erhalt der Stahlstandorte‘. Ferner möchte sie über den Entwurf ihres Gesetzes zur Neuordnung der Einwanderung qualifizierter Fachkräfte (Einwanderungsgesetz) beraten.

Die Linksfraktion reklamiert die Einhaltung eines Wahlkampfversprechens: Personalbemessung in Krankenhäusern. Sie fordert in ihrem Antrag, für „spürbar mehr Pflegekräfte in den Krankenhäusern zu sorgen“, deren Finanzierung durch die Kostenträger zu sichern, „verbindliche, tatsächlich arbeitsentlastende und in allen Bereichen der Krankenhäuser wirkende Personalbemessungszahlen“ einzuführen und die Fallpauschalen bezüglich der Personalkosten außer Kraft zu setzen.

Bildung ist bisher eine Aufgabe der Länder. Die sind damit allerdings finanziell überfordert. In ihrem Antrag fordert die Linksfraktion Bildung zur gesamtstaatlichen Aufgabe zu machen und das Grundgesetz dementsprechend zu ändern.

Mit ihren zwei Anträge greift die AfD zentrale Forderungen aus ihrem Wahlprogramm auf. Zum einen beantragt sie, mit Syrien über die Rückführung der in Deutschland aufgenommenen schutzsuchenden Syrer zu verhandeln. Ein entsprechendes Abkommen solle sicherstellen, dass die Rückkehrer in Syrien nur in sicheren Gebieten untergebracht werden, dass ihre Versorgung mit dem Nötigsten gewährleistet wird und dass sie wegen eventuell gegen die syrische Regierung gerichteter Aktivitäten vor und während ihrer Flucht nicht verfolgt werden.

Im zweiten Antrag unter dem Titel ‚Rechtskonformität der Euro-Stabilisierung‘, verlangt sie, dass die Bundesregierung gegen sämtliche Beschlüsse der Europäischen Zentralbank (EZB) vor dem Europäischen Gerichtshof klagen solle, die seit Anfang 2015 zum Ankauf von Staats- und Unternehmensleihen sowie von Derivaten gefasst worden waren. Sie verweist darauf, dass selbst das „sehr Euro- und EU-freundliche“ Bundesverfassungsgericht gravierende Bedenken im Hinblick auf das deutsche Verfassungsrecht wie auch auf die europäischen Verträge von Maastricht und Lissabon geäußert habe. Und dass das Verfassungsgericht beim Europäischen Gerichtshof angeregt habe, festzustellen, dass die inzwischen über zwei Billionen Euro ausmachenden Staatsanleiheankäufe über die „Public Sector Purchase Programme“ (PSPP) vertrags- und verfassungswidrig seien.

Alle genannten Anträge sollen an den zu Beginn der Sitzungswoche noch einzusetzenden Hauptausschuss überwiesen werden. Der wird die vorgesehene parlamentarische Befassung allein nicht durchführen (können), bis die Fachausschüsse nicht eingesetzt sind. Was wiederum erst nach einer Regierungsbildung und Personalverteilung zu erwarten ist. Insofern ist den Anträgen der Opposition zum jetzigen Zeitpunkt zumindest zu entnehmen, wo die jeweilige Fraktion inhaltliche Schwerpunkte setzt.

Fußnoten

[a]   Zur verfassungsrechtlichen Bewertung des „Hauptausschusses“ siehe ‚Das Arbeitsparlament im Wartemodus – ein Hauptausschuss für den 19. Deutschen Bundestag?‘, Simon Gelze, 23.10.2017
http://verfassungsblog.de/das-arbeitsparlament-im-wartemodus-ein-hauptausschuss-fuer-den-19-deutschen-bundestag/

[b]   ggf. auch mehr als die 47 Mitglieder der letzten Wahlperiode, weil der aktauelle 19. Bundestag 709 Mitglieder hat, während der 18. noch mit 630 auskam. Der Antrag war bei Veröffentlichung dieses Artikels noch nicht öffentlich.

Quellen

[1]   Die Tagesordnung für die 2. und 3. Sitzung des Deutschen Bundestages enthält die Links zu allen oben erwähnten Drucksachen.
https://www.bundestag.de/tagesordnung

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