Leyendecker funkt: Entspannung für Steuersünder

Aufmachung der Homepage von sueddeutsche.de am 23.01.2018 um 08.51 Uhr
Wenn es um den Kampf gegen Steuerhinterziehung geht, ist Hans Leyendecker nicht weit. Sein Beitrag ist allerdings anders als erwartet: Vor allem, wenn es um erfolgreiche Staatsanwälte und Finanzbeamte im Kampf gegen Steuerhinterziehung geht: Er überbringt nämlich via prominent platzierten Artikeln in der Süddeutschen, die Botschaft an Steuerhinterzieher: „Leute entspannt Euch: Die bisher so schlagkräftige Steuerfahndertruppe wird gerade personell erheblich geschwächt.“ Dieser Modus Operandi läuft gerade zum zweiten Mal ab … | Lesedauer: 9 Minuten
„Er gilt als einer der profiliertesten investigativen Journalisten und deckte seit 1982 viele politische Affären in Deutschland und im Ausland auf.“ steht in einem Wikipedia-Beitrag über ihn. Heute macht er sich wieder einmal stark, um die Nerven von Steuerhinterziehern zu besänftigen [1]:

Aufmachung der Homepage von sueddeutsche.de am 23.01.2018 um 08.51 Uhr

Leyendecker’s Botschaft (2018): Steuerfahndung Wuppertal personell entschärft – Steuersünder können aufatmen

Prominent auf der Homepage platziert bringt die Süddeutsche gleich zwei Beiträge [1, 2] von Leyendecker u.a. darüber, dass „die Oberfinanzdirektion (OFD) Nordrhein-Westfalen jetzt „zurück schlägt“. Die OFD ist die aufsichtführende Behörde für alle Finanzämter in NRW. Und somit auch für die zehn Finanzämter für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung im Lande.

Steuerfahndung Wuppertal verliert ihre Spitzenfachleute – aus formellen Gründen

Dazu gehören auch die Dienststellen in Wuppertal und Bochum. Die Wuppertaler gelten in Fachkreisen als europaweit führend auf ihrem Gebiet. Unter ihrer Federführung wurden mehrfach Steuer-CDs aufgekauft und ausgewertet. Was dem Fiskus seit 2010 SIEBEN MILLIARDEN EURO eingebracht hat. Der langjährige Leiter der Wuppertaler Dienststelle war vergangenes Jahr in Rente gegangen. Er hatte ein „handverlesenes“ Team von fähigen Sachgebiets- und Hauptsachgebietsleitern herangezogen. Nachfolger in der Leitung der Dienststelle wurden zwei Spitzenkräfte aus dem alten Team: Sandra Höfer-Grosjean (45) und als ihr Stellvertreter Volker Radermacher (49) [3]. Diese Personalentscheidung war noch unter dem SPD-Finanzminister Walter-Borjans zustande gekommen.

Fachliche Qualifikation wurde dabei vor formelle Vorschriften gestellt: Höfer-Grosjean hatte nämlich, rein formell, noch nicht „im Bereich der Vollstreckung oder der Betriebsprüfung Erfahrung gesammelt“, wie ein Sprecher der Deutschen Steuergewerkschaft erklärend dazu anmerkt. Daher war sie nach dem Abgang des alten Dienststellenleister zunächst kommissarisch als Leiterin eingesetzt worden.

Ganz im Sinne der neuen Regierung aus CDU und FDP

Nach dem Regierungswechsel und unter dem neuen NRW-Finanzminister von der CDU wurde diese Entscheidung nicht etwa bestätigt. Vielmehr setzte die Oberfinanzdirektion, das Bindeglied zwischen Finanzministerium und Finanzämtern, den beiden Fachkräften einen Dienststellenleiter vor die Nase, der über die spezifischen Kenntnisse und Erfahrungen der beiden Spezialisten gerade NICHT verfügt. Das Ergebnis war abzusehen: Sandra Höfer-Grosjean und Volker Radermacher gaben ihren Beamtenjob auf und werden ab März 2018 für Deloitte Legal tätig sein, einem international tätigen Rechtsberatungsunternehmen. In der Pressemitteilung des Unternehmens vom 18.01.2018 [4] wird die Expertise der beiden Fachleute so dargestellt:

Sandra Höfer-Grosjean begann ihr Einweisungsjahr nach ihrem 2. Staatsexamen beim Finanzamt Wuppertal-Elberfeld im Jahr 2000. Neun Jahre später wechselte sie zum Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Wuppertal und wurde kurze Zeit später Hauptsachgebietsleiterin für Straf- und Bußgeldsachen. Seit 2013 ist sie ständige Vertreterin des Vorstehers des Finanzamts und Hauptsachgebietsleiterin Steuerfahndung. Schwerpunkte ihrer bisherigen Arbeit lagen in der Lenkung und Begleitung von Verfahrenskomplexen in den Bereichen Cum-Ex (sic! / d. Verf.) und Steuerhinterziehung sowie der Ermittlungsleitung in Bezug auf Verbandsgeldbußen. Zudem war Frau Höfer-Grosjean ebenfalls in den Kauf von Daten-CDs zur Ermittlung von Steuerhinterziehung eingebunden.

Volker Radermacher startete seine berufliche Laufbahn 1993, nach seinem Abschluss als Diplom-Finanzwirt, beim Finanzamt Remscheid. Bereits 1994 wechselte er zum Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung nach Düsseldorf. 2012 wechselte er nach Wuppertal, wo er bis 2017 Hauptsachgebietsleiter Steuerfahndung und Stellvertreter des Dienststellenleiters war. Seine Tätigkeitsschwerpunkte lagen vor allem in der Bearbeitung und Begleitung von Großverfahren bei Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung oder Straftaten in Unternehmen. Zudem arbeitete Herr Radermacher eng mit Informanten für den Ankauf von Daten-CDs zusammen und war auch mit internationalen Ermittlungsbehörden bestens vernetzt.“

Der Präsident der Oberfinanzdirektion NRW findet es „natürlich immer schade, wenn Kollegen die Finanzverwaltung verlassen und in die freie Wirtschaft wechseln“. Das Handelsblatt titelt über die Angelegenheit, etwas weniger tiefenentspannt: „Ein Feiertag für Steuersünder“ [5]. Bei denen würden, heißt es an anderer Stelle, jetzt die Champagnerkorken knallen.

Leyendecker’s Investigation bleibt blind auf einem Auge

Nun könnte man von einer Speerspitze des investigativen Journalismus, wie Hans Leyendecker, erwarten, dass er der naheliegenden Frage nachgeht, warum eigentlich die OFD zwei Spitzenleute im Kampf gegen Cum-Ex und Steuerhinterziehung mit formellen Argumenten aus dem Amt drängt. Die Frage vermisst man bei Leyendecker allerdings, erst Recht eine Antwort darauf. Der neue Minister (von der CDU) sei „noch zu unsicher“ .,.. und dann entscheidet eben die OFD, schreibt er stattdessen [1]. Ja, wenn das sooo einfach ist mit der Investigation … Oder ging es vielmehr um die klare Botschaft aus der neuen NRW-Landesregierung von FDP und CDU: „Liebe Steuersünder, macht Euch keine Sorgen. Wir haben die Scharfschützen an die Leine gelegt.“??

Leyendecker’s Mitwirkung (2008): Rufmord an einer erfolgreichen Staatsanwältin

Die politische Konstellation 2017/2018 ist ganz ähnlich wie die nach 2005. In beiden Fällen hatte eine NRW-Regierung aus SPD und Grünen die letzte Landtagswahl (2005 / 2017) verloren und war abgelöst worden von einer Koalition aus CDU und FDP. Unter Rot-Grün waren die Steuerfahndung in den Finanzbehörden und der Justiz jeweils aufgebaut und ermutigt worden. Der SPD-Finanzminister Walter-Borjans sagte dazu, er habe den Fahndern „stets Rückendeckung gegeben“ und das habe die Kreativität der Ermittler „auch ein klein wenig beflügelt.“ [3]. Die kreativen Ermittler, von denen er sprach, beflügeln in Kürze allerdings die Mandanten von Deloitte Legal.

Die Zumwinkel-Affäre: Steuerhinterziehung durch den Vorstandsvorsitzenden der Post AG

Auch nachdem die Regierung Rau 2005 die Wahl verloren hatte, gab es in NRW eine äußerst erfolgreiche Spezialistin für Steuerstrafsachen, nämlich die Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen. Die arbeitete schon seit 1993 bei der Schwerpunktabteilung Wirtschaftskriminalität der Staatsanwaltschaft Bochum und befasste sich dort auch mit unversteuerten Millionen in Liechtensteiner Stiftungen [6]. Im Februar 2008 wurde Frau Lichtinghagen sehr plötzlich sehr bekannt durch die Festnahme des Topmanagers Klaus Zumwinkel. Der war Vorstandsvorsitzender der Post, Aufsichtsratsvorsitzender bei der Postbank und Telekom und Mitglied des Aufsichtsrats bei Lufthansa und Arcandor.

Die Leyendecker’sche Kampagne gegen Lichtinghagen

Dass Zumwinkel im Januar 2009 zu zwei Jahren auf Bewährung und einer Geldbuße von einer Million Euro verurteilt wurde [7], kam für die Staatsanwältin Lichtinghagen allerdings ein klein wenig zu spät. Denn im Dezember 2008 hatte Hans Leyendecker, kongenial unterstützt von dem Kollegen Nitschmann, eine Rufmordkampagne gegen Lichtinghagen in der Süddeutschen begonnen, die ihresgleichen suchte und noch immer sucht.

Es begann mit einem Artikel am 11.12.08, in dem von ‚Schauermittlungen‘ die Rede ist und die Festnahme von Zumwinkel als „Heimsuchung“ für den Steuersünder Zumwinkel bezeichnet wird. In den Tagen darauf schossen die beiden Edelfedern dann aus allen Rohren gegen Lichtinghagen. Selbst heute findet man noch diese Machwerke auf der Webseite der SZ:

Suchergebnis auf sueddeutsche.de zu Lichtinghagen und Leyendecker (Auszug)

Scheibchenweise „enthüllt“ darin das SZ-Schreiber-Duo (unfehlbar) die „Wahrheit“ über Margrit Lichtinghagen. Statt namentlicher Nennung wird sie bei den Edelfedern rasch zur „Dame“. Von „Filz-Vorwürfen“ ist da die Rede, weil sie angeblich Geldbußen von verurteilten Steuersündern zum Vorteil für ihre Tochter instrumentalisiert habe. Von Illoyalität und Eigenmächtigkeiten und davon, dass sie angeblich „bei Millionen schweren Bußgeldzuweisungen an gemeinnützige Institutionen über Jahre hinweg „getrickst und gemauschelt“ habe. Belastbare Quellen, wie häufig bei Leyendecker, sucht man vergebens. „Die Nation staunt – und die Kollegen des Manager Magazins, der Rheinischen Post (RP), der Neuen Westfälischen, des WDR, der Münsterschen Zeitung u.a. schreiben fleißig und ungeprüft alle Behauptungen des Enthüller-Duos ab. Aus dem Fall Zumwinkel wird der Fall Lichtinghagen.“ schreibt später Eva-Maria Gößling in Emma [9] dazu.

Freiwilliger Rückzug der erfolgreichen Staatsanwältin

Frau Lichtinghagen hält dem Trommelfeuer nur wenige Tage stand. Dann beantragt die erfolgreiche Staatsanwältin in Wirtschaftsstrafsachen ihre Versetzung an ein Amtsgericht.

Das Datum wird bei sueddeutsche.de falsch dargestellt, siehe [a]

Befriedigt titelt Leyendecker im Januar 2009: „Schwarzfahrer statt Schwarzgeld“ „Die Bochumer Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen, die als Zumwinkel-Ermittlerin bundesweit bekannt wurde, soll im Januar 2009 als Einzelrichterin beim Amtsgericht Essen beginnen.“

Entlastung für Frau Lichtinghagen – für Leyendecker nur eine kleine Meldung wert

Am 22.06.Juni 2009 bringt Leyendecker dann ein kleines Stück in der Süddeutschen unter dem Titel „Ex-Staatsanwältin entlastet“. Wir hatten es archiviert, online konnten wir es nicht finden. Margrit Lichtinghagen, heißt es darin, habe nach Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft keine Rechtsbeugung begangen; sie werde nicht mit einem Ermittlungsverfahren überzogen. Und es „konnten die Prüfer bei den Millionenzahlungen an gemeinnützige Einrichtungen keine Unrechtsvereinbarung erkennen“.

Zu dem Zeitpunkt allerdings war das Kind längst im Brunnen. Die Fachfrau Lichtenhagen war zum Schweigen gebracht worden, die Botschaft des Hans Leyendecker eindeutig. An Kollegen von Frau Lichtinghagen gerichtet, lautete sie: „Überlegt gut, was Euch Eure weitere Karriere Wert ist.“ Und Steuerpflichtige, die es nicht so genau genommen hatten in ihrer Steuererklärung konnten aufatmen.

Fußnoten

[a]   Die Artikel der Süddeutschen Zeitung aus dem Jahr 2008/2009 sind online auf sueddeutsche.de unter dem falschen Datum, nämlich dem 17.05.2010, eingestellt.

Quellen

[1]   Die Oberfinanzdirektion schlägt zurück, 23.01.2018, 05:19, sueddeutsche.de
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/steuerfahndung-die-oberfinanzdirektion-schlaegt-zurueck-1.3835689

[2]   “Ich glaube nicht, dass es noch Ankäufe geben wird“ , 23.01.2018, 05:20 sueddeutsche.de
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/experten-spezialisten-fuer-schwarzgeld-1.3835695

[3]   Finanzverwaltung: Zwei Top-Fahnder verlassen die Steuerfahndung, 19.01.2018, Kölner Stadtanzeiger
https://www.ksta.de/nrw/finanzverwaltung-zwei-top-fahnder-verlassen-die-steuerfahndung-29524214

[4]   Deloitte Legal holt Steuerstrafrechtsexperten an Bord, 18.01.2018, Deloitte Legal
https://www2.deloitte.com/de/de/pages/presse/contents/pressemitteilung-2018-deloittelegalsteuerstrafrechtsexperten.html

[5]   Ein Feiertag für Steuersünder, 18.01.2018, Handelsblatt.com
http://www.handelsblatt.com/my/finanzen/steuern-recht/steuern/steuerfahndung-wuppertal-verliert-top-leute-ein-feiertag-fuer-steuersuender/20861550.html

[6]   Schwere Vorwürfe gegen Zumwinkel-Ermittlerin, 14.12.2008, Welt Online
https://www.welt.de/wirtschaft/article2876570/Schwere-Vorwuerfe-gegen-Zumwinkel-Ermittlerin.html

[7]   Steuerhinterziehung Zumwinkel zu 24 Monaten auf Bewährung verurteilt, 26.01.2009, Spiegel Online
http://www.spiegel.de/wirtschaft/steuerhinterziehung-zumwinkel-zu-24-monaten-auf-bewaehrung-verurteilt-a-603534.html

[8]   Im Gefängnis der Gerüchte, 01.03.2009, Eva-Maria Gößling in Emma
https://www.emma.de/artikel/staatsanwaeltin-lichtinghagen-im-gefaengnis-der-geruechte-263974

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