Wenn die Hetze aus der Zeitung auf die Straße schwappt

Auf ‚Welt Online‘ arbeitet ein Politikredakteur, der dort als Experte für die Flüchtlingskrise bezeichnet wird. Sein Output ist immens: In den letzten fünf Monaten zählen wir 33 Namensartikel von ihm, die eines gemeinsam haben. Darin wird Stimmung gemacht GEGEN Ausländer, GEGEN Zuwanderung und GEGEN das Ausländer- und Asylrecht in seiner bestehenden Form. Und Meinung gemacht FÜR mehr Abschiebungen, FÜR mehr Aus- und Zurückweisungen, FÜR Ankerzentren und generell FÜR die harte Linie der CSU. Differenzierte Information und Diskussion über diese komplexen Themen ist unstreitig notwendig. Die allerdings sucht man in diesen Artikeln vergeblich Auch haben wir inzwischen in mehreren Einzelfällen festgestellt, dass die Behauptungen, insbesondere aus den plakativen Überschriften, sich bei Sichtung der Quellen gerade NICHT belegen ließen. Die Artikel bedienen Emotionen und Meinungen, die sich gegeneitig bestärken in hunderten von Leser-Kommentaren. Deren Inhalte stark dem ähneln, was man in den sozialen Medien und auf Demonstrationen, wie z.B. in Chemnitz, inzwischen als vorherrschende Meinung GEGEN Ausländer und Zuwanderung erlebt.

Die weitere Dimension des POLIKS-„Datenskandals“ der Berliner Polizei

Dass PolizistInnen aus den polizeilichen Informationssystemen, die sie nutzen können, ihre eigene Neugierde befriedigen. Oder für Dritte interessante Informationen zu Geld machen: Das kommt immer wieder vor. So nun auch in Berlin. Was den „Datenskandal“ mit dem System POLIKS der Berliner Polizei speziell macht, ist wie banal und einfach es war, dass Unbefugte innerhalb der Polizei die Nutzerkennung eines Kollegen kapern konnten. Und damit Zugang hatten zu DEN Informationen, Vorgängen, Dokumenten und Akten, die der unwissentlich gekaperte Eigentümer hatte. Wie auch zu allen externen Datenbanken, z.B. beim BKA, Schengen Informationssystem (SIS) oder Ausländerzentralregister (AZR), mit denen der legitime Eigentümer arbeiten durfte. Diese Möglichkeit bestand über lange Zeit und war in der Berliner Polizei allgemein bekannt. Das wirft die Frage auf: Welchen rechtlichen und polizeilichen Wert haben eigentlich Informationen, Dokumente und Akten im System POLIKS, die über einen längeren Zeitraum, einfach, unbemerkt und undokumentiert von Unbefugten manipuliert werden konnten?!
Insbesondere Journalisten, denen aufgrund von POLIKS-Informationen die Akkreditierung beim G20-Gipfel entzogen worden war oder auch die Ermittler der Behörden-Versäumnisse im Falle Anis Amri dürften sich mit diesem Problem beschäftigen.

Mit einem Update zur Diskussion auf Twitter zu diesem Artikel vom 26.08.2018

Organisierte und dokumentierte Doppelmoral

Die Fallzahlen und Schadenssumme im letzten Jahr für Organisierte Kriminalität waren so „hervorragend“, dass der neue Bundesinnenminister Seehofer glatt konstatieren konnte, dass „Deutschland kein Raum für OK ist“. Der BKA-Präsident hatte auch nichts Substanzielles und breitete sich aus über die „notwendige gemeinsame digitale Plattform für die polizeiliche Zusammenarbeit“. An der sein Haus seit fünfzehn Jahren ebenso federführend, wie im Ergebnis bisher vergeblich arbeitet, was er allerdings nicht erwähnte.
Es ist ein quasi limbischer Reflex, dass ein BKA-Präsident warnen muss vor dem „hohen Bedrohungs- und Schadenspotenzial“ durch OK. Obwohl die durchschnittlichen Fallzahlen der letzten Jahre nur bei 75% der Jahre bis 2005 liegen. Damals begann der personelle Kahlschlag in der Polizei … Und obwohl für 2017 eine geradezu unglaublich niedrige Schadenssumme – Peanuts würden bestimmte Banker sagen – von nur 209 Millionen Euro ausgewiesen wurden. Im Jahr zuvor war es noch über eine Milliarde Euro!
Das herausgeputzte Aussehen im Bundeslagebild OK ist eine Folge des Systems. Denn wo kaum mehr qualifizierte OK-Ermittler tätig sind, wo Plattformen für den flächendeckenden Informationsaustausch zwischen den Polizeibehörden von Bund und Ländern nicht existieren und wo notwendige und vorhandene Werkzeuge für OK-Strukturermittlungen durch softwaretechnische Universalwerkzeuge ersetzt wurden: Da kann man keine validen Aussagen über aktuelle Aktivitäten, Bedrohungen oder den angerichteten Schaden durch Organisierte Kriminalität in Deutschland mehr treffen.
Immerhin gibt es noch interessante Informationen von Europol …

Wie sich die ‚Welt‘ ihre ‚Fakten‘ selbst produziert

Die Welt Online – seit Wochen auf dem Trip der Hetze gegen Ausländer – hat gestern eine neue Kampagne losgetreten: Diesmal geht es gegen 1,5% aller 15,3 Millionen Kindergeldempfänger. Nämlich solche Kinder, die im Ausland leben und für die Kindergeld gezahlt wird, weil ihre Eltern Deutsche sind bzw. in Deutschland arbeiten. Aus den an die zehn Artikeln allein gestern in der Welt Online zu diesem Thema entsteht der Eindruck vom flächendeckenden Betrug. Allerdings hat die Zunahme nach Auskunft einer Sprecherin der Bundesanstalt für Arbeit meist weniger mit Betrug zu tun, sondern vielmehr mit der Tatsache, dass „im Sinne der Freizügigkeit in der EU immer mehr Menschen in Deutschland arbeiten“.
Eingebettet in einen meinungs’starken‘ Artikel lancierte die Welt Online dann gestern noch eine Leserbefragung: Die prompt zum gewünschten Ergebnis führte: 83% „der Deutschen“ (sic!!) wird 24 Stunden später behauptet, seien gegen Kindergeld-Zahlungen ins EU-Ausland.
„Journalismus“ solcher Art kann so einfach sein …

Fake News vom BKA-Präsidenten und der Welt Online

Im Kindesmissbrauchsfall von Staufen wurde gestern das letzte Urteil gesprochen. Dies nimmt BKA-Präsident Münch zum Anlass, um seine Forderung nach der Vorratsdatenspeicherung zu wiederholen. Er behauptet zur Begründung, dass 2017 angeblich „über 8.000“ Fälle von Kinderpornografie nicht aufgeklärt wurden. Was im krassen Widerspruch zur Polizeilichen Kriminalstatistik aus seinem eigenen Hause steht: Denn von den insgesamt nicht „über 8.000“, sondern laut PKS 6.512 Fällen wurden 5.828 (=89,5%) aufgeklärt. Obwohl dieser Widerspruch leicht überprüfbar ist, wird er in der heutigen Presselandschaft ungeprüft vielfach übernommen und als Faktum verbreitet.

Die Welt Online setzt noch eins drauf: Sie behauptet, dass MANGELNDE Vorratsdatenspeicherung Kindesmissbrauch FÖRDERT! Beweise liefert sie nicht für diesen Unsinn. Publizistische Grundsätze, wie sie im Pressekodex niedergelegt sind, hindern die Welt Online auch in diesem Fall nicht daran, Fake News in Umlauf zu bringen. Denn ‚Krawall bringt Quote‘ und steigert die Werbeeinnnahmen. Die machten im letzten Jahr schon 71% des Umsatzes des Springer Konzerns aus. So macht man geschäftlichen Erfolg mit falschen Behauptungen.

Die Hunnen kommen – oder etwa doch nicht?!

„Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund steigt deutlich“ behauptete die Welt Online am 01.08 [1]. Sie bezieht sich dabei auf Daten des Statistischen Bundesamts: Aus denen sie ableitet, dass die Flut von ‚Migranten‘ stetig anschwillt. Dabei aber unter den Tisch fallen lässt, dass 68% der Ausländer in Deutschland aus Europa stammen, von denen die meisten schon viele Jahre im Lande sind. Damit betreibt die ‚Welt‘ ein weiteres Mal unverhohlen Propaganda für die Ideologie von CSU und CDU. Sie bedient sich damit aus dem Methodenkoffer des Politischen Framings. Worauf man achten sollte, um auf solche Manipulation nicht hereinzufallen, das beleuchtet der folgende Artikel.