Die Berater-Republik

Der Spiegel macht diese Woche auf mit „Die Berater-Republik“, einem langen Elaborat über das Geschäft von Unternehmensberatungen mit der öffentlichen Hand. Inhaltlich ist der Artikel eine Themaverfehlung, denn er beschäftigt sich im Wesentlichen nur mit McKinsey und Affären, die anderweitig schon längst bekannt sind. Was fehlt, ist die Antwort auf die Frage, warum in Ministerien und Behörden die notwendige Kompetenz fehlt und warum eigentlich vor allem die IT-Projekte des Bundes reihenweise scheitern. Wir hätten da ein paar Vorschläge für Antworten …

Innenminister a.D. De Maizière wird Vorstandsvorsitzender der Telekom-Stiftung

Der ehemalige Bundesinnenminister Thomas De Maizière wechselt schon im Herbst 2018 in den Konzernbereich der Deutschen Telekom. Die beantragte „anwaltliche Beratung“ für die Deutsche Telekom AG hat ihm die Bundesregierung erst nach einer Karenzzeit von zwölf Monate genehmigt. Er darf jedoch ab Herbst schon Vorstandsvorsitzender der Deutsche Telekom-Stiftung werden.

Bundesinnenministerium will 200.000 Manntage für ProjektMANAGEMENT extern vergeben

Der Bundesrechnungshof hat über das IT-Projektmanagement des Bundesinnenministerium mehrfach vernichtend geurteilt: Dessen IT-Projekte könnten „nur dann im zeitlichen und finanziellen Rahmen erfolgreich“ abgeschlossen werden, wenn im BMI EIGENES Know-How aufgebaut und das Projektmanagement professionalisiert werde.
Die Antwort aus dem BMI-Beschaffungsamt gleicht einem Stinkefinger an den Rechnungshof: Denn erneut wurden Rahmenverträge über vier Jahre für externe Beratungs- und Unterstützungsleistungen beim Projektmanagement ausgeschrieben. In einer Größenordnung von 200.000 Manntagen! Das entspricht der Arbeitsleistung eines Unternehmens mit 250 Mitarbeitern über vier Jahre! Oder der einer großen Polizeidienststelle, z.B. in Würzburg oder Cottbus.
Die Frist zur Abgabe der Angebote ist am 9.10. abgelaufen.

Wenn die Hetze aus der Zeitung auf die Straße schwappt

Auf ‚Welt Online‘ arbeitet ein Politikredakteur, der dort als Experte für die Flüchtlingskrise bezeichnet wird. Sein Output ist immens: In den letzten fünf Monaten zählen wir 33 Namensartikel von ihm, die eines gemeinsam haben. Darin wird Stimmung gemacht GEGEN Ausländer, GEGEN Zuwanderung und GEGEN das Ausländer- und Asylrecht in seiner bestehenden Form. Und Meinung gemacht FÜR mehr Abschiebungen, FÜR mehr Aus- und Zurückweisungen, FÜR Ankerzentren und generell FÜR die harte Linie der CSU. Differenzierte Information und Diskussion über diese komplexen Themen ist unstreitig notwendig. Die allerdings sucht man in diesen Artikeln vergeblich Auch haben wir inzwischen in mehreren Einzelfällen festgestellt, dass die Behauptungen, insbesondere aus den plakativen Überschriften, sich bei Sichtung der Quellen gerade NICHT belegen ließen. Die Artikel bedienen Emotionen und Meinungen, die sich gegeneitig bestärken in hunderten von Leser-Kommentaren. Deren Inhalte stark dem ähneln, was man in den sozialen Medien und auf Demonstrationen, wie z.B. in Chemnitz, inzwischen als vorherrschende Meinung GEGEN Ausländer und Zuwanderung erlebt.

Wie aus Erbarmen ‚erbärmlich‘ wurde

Der Bundesinnenminister inszenierte über Tage ein Drama, das den Eindruck vermitteln sollte, als stünde die Sicherheit der Bevölkerung auf dem Spiel. Auch sei „nicht mehr vermittelbar“, dass Asylanträge in Deutschland bearbeitet werden sollen, obwohl formell doch das EU-Land zuständig ist, in dem der Antragsteller ursprünglich registriert wurde. Es geht als um die Einhaltung des Dublin-III-Verfahrens, einer Verordnung der EU. Folgt man Seehofer, Dobrindt und Co., so handelte es sich um eine wahre Flut von Antragstellern, die so nicht länger hingenommen werden kann. Daten und Fakten aus dem BMI und BAMF, Teile davon erst gestern veröffentlicht, offenbaren allerdings ein ganz anderes Bild.

„Kritischer, tiefgründig recherchierter Journalismus“ in Bild und Welt

Matthias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende des Springer-Konzerns, schrieb im Vorwort zum letzten Geschäftsjahresbericht: „Fake News“ und populistischen Trends im Netz setzen unsere Medien kritischen, tiefgründig recherchierten Journalismus entgegen.“ Von der – richtig verstandenen – Umsetzung dieses Qualitätsanspruch ist Marcel Leubecher, ein Politikredakteur der Welt, noch weit entfernt: Mit der Behauptung „Nur noch jeder dritte Bewerber erhält Asyl in Deutschland“, visuell begleitet von einem Strom von Menschen, der sich durch eine Landschaft wälzt und Schlangen von Antragstellern schürt er ein Bedrohungsszenario, ganz nach dem Geschmack der CSU in Wahlkampfzeiten. Wenn solche Behauptungen zigtausendfach via Welt, Welt Online und Bild verbreitet werden, ist der Zweck der Meinungsmache ja erreicht. Dann kann auch ignoriert werden, dass die vom BAMF veröffentlichten Zahlen die Behauptungen von Leubecher gerade NICHT bestätigen.

Meinungsmache mit Hilfe der Polizeilichen Kriminalstatistik

Mit Update vom 28.04.2017
Der Bundesinnenminister und der derzeitige Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Sachsens Innenminister Ulbig, haben am Montag die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2016 in der Bundespressekonferenz vorgestellt. Das Thema war allerdings bereits ‚durch‘ in der Presse, dank eines durchgestochenen Dokuments, auf das sich „exklusiv“ schon am Wochenende die Welt berief: „Zahl der tatverdächtigen Zuwanderer steigt um 52,7 Prozent“ lautete die Überschrift. Die lockte jeden Leser auf eine falsche Fährte. Der glaubt nämlich, dass alle „Zuwanderer“ verantwortlich dafür sind, dass „die Kriminalität“ um mehr als die Hälfte gestiegen ist. Ein in der PKS außerordentlich unglücklich, weil gewählter (sic!) Begriff („Zuwanderer“) wurde damit zur Grundlage für die größte Fake News Blase der letzten Wochen.

Nicht-Identifizierung von Flüchtlingen – das ganz große Versagen des Bundesinnenministers

Aktive Verhinderung eines modernen Einwanderungsrechts seit 15 Jahren durch die Kanzlerin, gepaart mit völliger Unfähigkeit ihres getreuen Adlatus De Maiziere, der verantwortlich ist für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Das sind die wesentlichen Ursachen dafür, dass mehrere hunderttausend Zuwanderer in diesem Land von den Behörden nicht eindeutig identifiziert werden können. Die jüngste bekannt gewordene Folge ist, dass es eine Vielzahl von Fällen gibt, in denen Asylbewerber sich mehrfach registrieren ließen, um Sozialleistungen abzugreifen.
In dieser, für ihn brenzligen Situation, geht der Bundesinnenminister dann mit Chuzpe in die Offensive und verlangt noch mehr Kompetenzen für sein Haus. Das ist starker Tobak!

Die Identität von Flüchtlingen hat mit „Sicherheit der Bevölkerung“ nichts zu tun

Wenn vier von fünf Flüchtlingen im Herbst letzten Jahres ohne Ausweise gekommen sind. Und die Übrigen echte syrische Pässe kaufen konnten, in die Fälscher für viel Geld die Wunschpersonalie und das Passfotos des Käufers eingesetzt haben: Dann steht fest, dass Identitätsangaben von Asylbewerbern auf deren Angaben beruhen. Die können stimmen oder auch nicht. Doch nicht jeder, der falsche Angaben gemacht hat, weil er sich dadurch einen Vorteil im Asylverfahren verspricht, ist deswegen gleich ein Terrorist. Die Behörden sollten sich auf tatsächliche Verdachtsfälle konzentrieren; Politiker sollten Stimmung gegen Asylbewerber nicht weiter mit falschen Argumenten anheizen.

Sicherheit in Zeiten der Schwarzen Null

Proaktives Handeln und Prävention gegen Ereignisse wie aus der letzten Woche ist nicht die Sache des Standard-Politikers. Statt dessen wird lauthals nach Scheinlösungen gerufen, wie Abschaffung von ‚Killerspielen‘, mehr Videoüberwachung und Bundeswehr im Innern.
Wir zeigen auf, dass es vor allem die fixe Idee von Bundesfinanzminister Schäuble von der Schwarzen Null war, die maßgeblich dazu beigetragen hat, dass die Personalstärke, vor allem aber die IT-Ausstattung deutscher Polizeibehörden und deren Leistungsfähigkeit dem internationalen Standard inzwischen um Lichtjahre hinterher hinkt.