Papiertiger! Die Beschlüsse der Innenminister zum Wohnungseinbruchdiebstahl

Wohnungseinbruchsdiebstahl (WED) – die aktuelle Situation

Im Mai 2016 mussten die Innenminister von Bund und Ländern etwas tun! Die kurz zuvor veröffentlichte Polizeiliche Kriminalstatistik für 2015 [1] wies mehr als 161.000 Fälle von Wohnungseinbrüchen im Jahr 2015 aus. Das war ein Höchstwert- seit vielen Jahren. Umso mehr, als dabei wirklich nur die Einbrüche in Wohnungen erfasst sind und nicht auch die in Nebengebäude, Lagerräume, Geschäfte und gewerbliche Liegenschaften.

Die Aufklärungsquote beim WED lag bei etwas über 15%, ein so schlechtes Ergebnis, wie in kaum einem anderen Deliktsbereich. Das heißt mit anderen Worten: Die Polizei kann für mehr als 130.000 Einbrüchen aus dem Jahr 2015 nicht sagen, wer die Täter sind, welche Nationalität sie haben und wie viele es waren.

Die Beute aus diesen Einbrüchen ist über alle Berge – genauso wie die Einbrecher. Die Geschädigten bleiben tief verunsichert zurück. Sie fühlen sich nicht mehr sicher in ihren eigenen vier Wänden. Es war keine Polizei da, die den Einbruch verhindert hätte. Und es gelang der Polizei auch nicht, den oder die Täter zu ermitteln und vor Gericht zu bringen.
Eine solche Situation untergräbt das Vertrauensverhältnis zwischen Bürgern und Staat.

Ursachen von so vielen Wohnungseinbrüchen

Aus dem Bundesinnenministerium, sowie von den Vorsitzenden der Polizeigewerkschaften BDK und DPolG erfuhren die Bürger wenig Mitgefühl. Diese Fachleute wussten nämlich schon sehr früh, dass „reisende“, „ausländische“ bzw. „internationale“ Täterbanden die wesentliche Tätergruppe darstellen. Der BDK-Vorsitzende Schulz informierte die Öffentlichkeit via Welt darüber, dass „die georgische Mafia für große Teile der Einbrüche verantwortlich“ sei [2].

Wir fragten bei der Pressestelle des BMI nach einer offiziellen Bestätigung für diese steile These. Die konnte oder wollte man uns nicht geben. Insofern waren wir, wie jedermann sonst in der Öffentlichkeit, angewiesen auf die offiziellen, veröffentlichten Daten. Die stehen in der Polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2015, herausgegeben vom BKA [1]. Und die geben gerade nicht wieder, was das Bundesinnenministerium, die Innenministerkonferenz und der Polizeigewerkschaftler Schulz behaupteten …

Was die PKS 2015 über Wohnungseinbruchsdiebstähle aussagt

Nationalität der Täter

Nur 15,2% der Fälle sind aufgeklärt, d.h. mindestens ein Tatverdächtiger ist namentlich bekannt. Von diesen Tatverdächtigen waren im Jahr 2015

  • 60% Deutsche (sic!!).
  • 8,8% stammten aus Ländern des ehemaligen Jugoslawiens,
  • 8,3% aus Bulgarien und Rumänien,
  • 6% aus der Türkei und Albanien und
  • 2,6% aus Georgien.
  • Die restlichen 14,4% verteilten sich auf alle möglichen anderen Länder.

Aus einer statistischen Basis von nur 15% lassen sich keine generell gültigen Aussagen über die Gesamtmenge (aller Wohnungseinbrüche bzw. Tatverdächtigen) ableiten. Und nicht einmal aus dieser dünnen Datenbasis von 15% Tatverdächtigen aus der PKS 2015 lässt sich belegen, dass Wohnungseinbrüche überwiegend von „ausländischen“ oder „internationalen“ Tätern begangen werden. Erst recht nicht, dass „ein Großteil der Einbrüche auf das Konto der georgischen Mafia geht„. Gibt es polizeiinterne, nicht veröffentlichte Erkenntnisse? Oder was sonst steckt dahinter, wenn Politiker und Polizeigewerkschaftler solche Thesen verbreiten?? (siehe dazu auch [3]).

Täterbanden bzw. Intensivtäter

Bei „Täterbanden“ bzw. „Intensivtätern“ müssten einzelne Tatbeteiligte ja mehrfach bei der Polizei in Erscheinung getreten sein.
Auch diese Darstellung lässt sich durch die Polizeiliche Kriminalstatistik nicht untermauern: Denn laut Statistik waren

  • rund 76% Einmal-Täter
  • weitere 18% traten 2- bis 5mal in Erscheinung
  • 3% zwischen 6- und 10mal
  • und 3,4% mehr als 10mal

Tatmotive – drei Gruppen

Kriminologen unterteilen Einbrecher ganz grob in drei Gruppen, nämlich

  • gewerbsmäßige Einbrecher
  • Gelegenheitseinbrecher
  • Beschaffungskriminelle

Politiker und Polizeigewerkschaftler tun so, als würden Wohnungseinbrüche nur von gewerbsmäßigen – ausländischen – Tätern begangen. Deutsche Täter, Beschaffungskriminelle und Gelegenheitseinbrecher kommen in ihren Konzepten nicht vor. Warum nicht?!

Wohnungseinbrüche pro 100.000 Einwohner in den Bundesländern

Zu denken gibt außerdem die Verteilung von Wohnungseinbrüchen auf die Bundesländer [4]. Sie belegt nämlich, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen hohen Belastungszahlen in einzelnen Bundesländern und geringer Polizeipräsenz. Länder, in denen in den vergangenen Jahren viel Polizei eingespart wurde, haben signifikant höhere Belastungszahlen als solche, die ihre Polizei nicht geschrumpft haben.

Bundesland Einbrüche pro 100.000 Einwohner
Thüringen 45
Bayern 65
Mecklenburg-Vorpommern 96
Sachsen 96
Sachsen-Anhalt 116
Baden-Württemberg 127
Rheinland-Pfalz 146
Brandenburg 165
Hessen 182
Niedersachsen 188
Bundesrepublik Deutschland 188
Saarland 251
Schleswig-Holstein 267
Nordrhein-Westfalen 300
Berlin 355
Hamburg 429
Bremen 541

Wie die Innenminister das Problem WED bekämpfen wollen

Die Innenminister hatten bei ihrer Frühjahrstagung 2016 ein Problem: Sie mussten zu erkennen geben, dass sie die Sorgen der Bevölkerung ernst nehmen. Es war auch angezeigt, Lösungen anzubieten. Nicht möglich war es ihnen allerdings, Lösungen zu beschließen, die tatsächlich etwas geändert hätten am Problem: Denn mehr Polizei auf der Straße kostet Geld, viel Geld! Nur wegen gestiegener WED-Zahlen mehr Personal einzustellen, das ging ganz und gar nicht: Dem stand die Schuldenbremse im Weg und damit der Finanzminister.

In dieser Situation entschieden sich die Innenminister zur verbalen Aufrüstung (d.h.: viele schöne Worte) und zur Konzentrierung auf einen (angeblichen) Haupt-Verursacher: Sie reduzierten die Täter von Wohnungseinbruchsdiebstahl in Deutschland auf „reisende Einbrecherbanden“, „international agierende Täter“ und „grenzüberschreitende Kriminalität“ und kündigten an, dem ihre „oberste Priorität“ zu widmen.

Die Beschlüsse der Frühjahrstagung

In diesem Sinne fassten sie dann – im Frühjahr 2016 – die folgenden Beschlüsse [5]:

„Noch besserer Datenaustausch“ – die Intensivtäterdatei WED

Effektive Kriminalitätsbekämpfung erfordert einen „noch besseren Datenaustausch von Bund und Ländern“, heißt es im Beschluss.

„Noch besser“ ist – gelinde gesagt – beschönigend: Denn eigentlich gab es gar keinen funktionierenden Datenaustausch zwischen Bund und Ländern.
Das Bundesinnenministerium hat unserer Redaktion im Frühjahr 2016 auf Anfrage mitgeteilt, dass 12 von 16 Bundesländern überhaupt nicht in der Lage sind, bei der für Einbrüche zuständigen Verbunddatei – sie heißt EIVER [a] – Informationen elektronisch anzuliefern.

Doch statt dieses Problem anzugehen, kündigten die Innenminister die Einrichtung eines weiteren Datentopfes an, der den Namen „Intensivtäterdatei WED“ erhielt. Also wieder eine Informationsinsel mehr!

Predictive Policing

Den „kriminellen Machenschaften international agierender Täter“ kann nur „durch den Einsatz modernster Technik begegnet werden“, stellten die Innenminister fest. Und begrüßten daher Projekte, wie das Predictive Policing, bei dem „vorausschauende Polizeiarbeit durch ein raum- und zeitbezogenes Zusammenführen verschiedener Datenquellen gefördert“ werden könne.

Predictive Policing – zu deutsch etwa „Polizeieinsatz aufgrund von Kriminalitätsvorhersagen“ – versucht aus Daten über zurückliegende Straftaten und vielen anderen Daten Vorhersagen zu bilden, wo und wann mit welcher Wahrscheinlichkeit Straftaten begangen werden. Die Polizei nutzt solche Vorhersagen, um durch entsprechende Präsenz z.B. Einbrüche zu verhindern. In mehreren Bundesländern gab bzw. gibt es Pilotprojekte. Niedersachsen und Bayern haben umfassende Berichte über ihre Erfahrungen vorgelegt. Bisher lässt sich – so eine Redensart – über Predictive Policing vor allem sagen, dass es gut geeignet ist, die Präsenz von Polizei(streifen) zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort vorherzusagen.

und wieder mal eine Projektgruppe – diesmal für oder gegen „Reisende Wohnungseinbrecher

Und dann unterstützten die Innenminister noch die Einrichtung einer Projektgruppe Reisende Wohnungseinbrecher (=REWO) beim BKA.

Beschlüsse der Herbsttagung

Offenbar führten diese kraftvollen und extrem praxisorientierten Beschlüsse der Frühjahrstagung – überraschenderweise – noch nicht zur Reduzierung der Wohnungseinbrüche. Daher legten die Innenminister bei der Herbsttagung noch mal deutlich nach – vor allem verbal … [6]

Bericht zum Umsetzungsstand und Optimierungsbedarf – Verschlusssache!

Eingangs nahmen sie einen „Bericht zum Umsetzungsstand beschlossener Handlungsempfehlungen und zu gegebenenfalls erkannten Optimierungsbedarfen bei der Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls (WED)“ von Ende August 2016 zur Kenntnis [b]. Der erhielt den Stempel VS-NfD (=Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch), was zur Folge hatte, dass das Dokument in der Schublade verschwand. Schade eigentlich, denn zum „Umsetzungsstand“ und „Optimierungsbedarf“ hätte man gern mehr erfahren …

„Mehr Polizeipräsenz!“

Ob der folgende Beschluss an bevorstehenden Wahlen im nächsten Jahr liegt? Oder an echtem Erkenntniszugewinn?!
Jedenfalls einigten sich die Innenminister auf das Ziel, die „Polizeipräsenz und damit die Prävention weiter zu stärken“.
Leider folgte darauf weder ein konkreter Zeitplan noch Zahlen darüber, welches Bundesland wie viele Polizisten neu einzustellen beabsichtigt. Vielmehr wolle man „ein besonderes Augenmerk auf abgestimmte flächendeckende Präsenzkonzepte“ legen.

Wir haben gegrübelt, was wohl „abgestimmte, flächendeckende Präsenzkonzepte“ sein könnten. Und neigen zu der Auffassung, dass es sich um lebensgroße, hübsch uniformierte, Papp-Polizisten handeln könnte, die, in tausender Stückzahlen eingekauft, an dunklen Straßenecken aufgestellt werden können, um polizeiliche Präsenz zu simulieren.

„Reisende Intensivtäter …“

Wie schon nach der Frühjahrstagung, findet sich auch in den Beschlüssen der Herbsttagung ein langer Abschnitt, in dem es sehr abstrakt um „reisende Täter“, „länder- und staatenübergreifende Bekämpfung des WED“, “ international agierende Täter“, „weitere Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit“ usw. usw. ging.
Symbolpolitik“ nannte das ein Ermittler von Wohnungseinbruchsdiebstählen, der in einer vor wenigen Tagen ausgestrahlten Dokumentation über Wohnungseinbruchsdiebstahl [7] zu Wort kam. Irgendetwas Konkretes, Praktisches, Umsetzbares ist im Übrigen in diesem Beschluss der Innenminister nicht zu finden.

Weitere, zur Umsetzung empfohlene Maßnahmen

Darauf folgte eine nummerierte Liste von Maßnahmen, die einigermaßen konkret aussehen: Leider stellten sie sich bei näherem Hinsehen als die Wiederholung dessen heraus, was zuvor schon beschlossen, aber offensichtlich nicht umgesetzt worden war:

  1. Man will sich jetzt auf einen „täterorientierten Ansatz“ konzentrieren, „Intensivtäterkonzepte“ erarbeiten und konsequent anwenden und umsetzen und „Einbruchsserien in geeigneter Weise auswerten“.
    • Wirklich neu ist nichts an diesem Einfall. Hätte die Polizei Mittel, Methoden und Prozesse, um Delikte der organisierten Kriminalität zu ermitteln und auszuwerten, wäre dieser Absatz überflüssig, weil selbstverständlich.
    • Zum Wohnungseinbruchsdiebstahl passen die beschlossenen Maßnahmen auch nur teilweise: Denn mehr als drei Viertel aller Täter, die im vergangenen Jahr überhaupt von der Polizei als solche erkannt wurden (siehe oben), fallen gar nicht ins Raster der Intensivtäter. Sie wurden nämlich „nur“ bei einem einzigen Einbruch oder Einbruchsversuch ertappt.
  2. Der Plan aus der Frühjahrstagung mit der neuen Intensivtäterdatei WED wird jetzt wieder fallen gelassen. Stattdessen sollen entsprechende Sachverhalte nun doch in der seit Jahren existierenden Inpol-Fall-Datei EIVER [a] , sowie im Inpol-Zentralsystem abgebildet werden.
    • Dass diese Schnapsidee vom weiteren Datentopf – „Intensivtäterdatei WED“ – fallen gelassen wurde, ist zu begrüßen. Schade ist es um die Zeit, die mit diesem untauglichen Vorschlag ungenutzt verstrichen ist.
    • Die Fallbearbeitungssysteme in 12 von 16 Bundesländern waren im Frühjahr 2016 nicht in der Lage, Daten elektronisch bei der Verbunddatei EIVER anzuliefern. Nichts spricht dafür, dass sich an dieser Situation seitdem etwas geändert hat.
    • Die Folge ist, dass relevante Informationen über Wohnungseinbrüche in 12 von 16 Bundesländern weiterhin manuell erfasst werden müssen. Das bedeutet Doppelarbeit für Polizeibeamte. Denn die entsprechenden Sachverhalte liegen im landeseigenen Vorgangs- bzw. Fallbearbeitungssystem längst „elektronisch“ vor und müssen nun noch einmal abgetippt werden. Das nur, weil die IT-Ausstattung der Polizei seit Jahren nicht in der Lage ist, solche banalen Anforderungen zu erfüllen! [8]
    • Auch der PIAV, der Polizeiliche Informations- und Analyseverbund, verspricht für die Ermittlung und Auswertung von Wohnungseinbruchsdiebstählen in absehbarer Zeit keine Besserung. In Ausbaustufe 3 des PIAV – zuletzt angekündigt für „2018“ – sollten die Polizeibehörden in der Lage sein, Informationen zu diesem Deliktsbereich behörden-übergreifend zu teilen. Am 08.12.2016 hat das BMI jedoch bekannt gemacht [9], dass es wieder einmal eine Verzögerung beim PIAV gibt: Die Ausbaustufe 2 kommt nun nicht 2017, sondern „nach Planung“ erst im Februar 2018. Entsprechende Verzögerungen für die darauf aufbauenden Ausbaustufen 3 und folgende sind also absehbar.
  3. Die länderübergreifende Zusammenarbeit soll gefördert werden, insbesondere durch Teilnahme an der Projektgruppe REWO (=reisende Wohnungseinbrecher).
    Solche Projektgruppen – in anderen Deliktsbereichen bereits eingeführt – sind immer dann das probate Mittel und werden gerne vereinbart zwischen Bund und Ländern, wenn es keine andere funktionierende Lösung für den Informationsaustausch gibt, als sich an einem Tisch zusammen zu setzen und miteinander zu reden.

„Strafverschärfung“ wird gefordert – Mehr Telekommunikationsüberwachung kommt dabei heraus

Recht unspektakulär kommt dann daher, dass sich die Innenminister zwei Gesetzesänderungen wünschen. Wen stört das schon, wenn der „minder schwere Fall des Wohnungseinbruchsdiebstahls“ im Strafgesetzbuch gestrichen oder in der Strafprozessordnung eine scheinbare Kleinigkeit ergänzt werden soll. Der Strafrahmen wird dadurch verschärft – Sie erinnern sich vielleicht, das ist die Forderung, die Volker Kauder [c] seit Jahren auf allen Kanälen wiederholt. Mindestens ein Jahr Haft fordert er für Wohnungseinbrecher.
An den Stammtischen findet man diese Forderung vollkommen richtig! Eingebuchtet gehören die! Blöd ist nur: 15% der Tatverdächtigen werden überhaupt namentlich festgestellt, in 3% der Fälle kommt es zu einer Verurteilung. Aus der Sicht des Einbrechers heißt das: Welcher Profi im Gewerbe ist schon
(a) doof genug ist, sich erwischen zu lassen und
(b) blöd genug, einer Untersuchungshaft, Gerichtsverhandlung und Verurteilung nicht zu entgehen.

Insofern geht die Sache mit der Strafverschärfung ins Leere. Sie ist gut genug für uninformierte Stammtische. Und zielte – so die Sicht von Kauder und politischen Weggefährten – ja auch gar nicht auf längere Haftstrafen ab. Sondern vielmehr darauf, dass eine Mindeststrafe von einem Jahr festgeschrieben wird. Damit handelt es sich um eine (katalogmäßig) so schwere Straftat, dass das Mittel der Telekommunikationsüberwachung (nach §100 a Strafprozessordnung) eingesetzt werden darf. Und das – und nicht die Haft für nicht gefasste Einbrecher – ist es, was Kauder und die Innenminister tatsächlich bezwecken.

Die Folge der von den Innenministern beschlossenen „kleinen“ Gesetzesänderungen ist, dass Polizei nach nahezu jedem Wohnungseinbruch eine Funkzellenabfrage und -auswertung durchführen darf. [Wir hatten in diesem Artikel [10] schon darüber berichtet.] Und zwar nicht erst dann (, wie es aktuell in der StPO vorgesehen ist,) wenn „bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen …“, sondern auch bereits dann, wenn „die Ermittlerinnen und Ermittler Anhaltspunkte für eine bandenmäßige Begehung gesammelt haben“.

Einem betroffenen Bürger, dessen Wohnung in der Nacht zuvor auf den Kopf gestellt wurde, helfen solche Maßnahmen gar nichts: Für die Vermeidung des Einbruchs wäre eine Streife im Viertel wirksamer gewesen. Denn, wie selbst Wendt, der DPolG-Vorsitzende und Mayer, der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion in einer Fernsehsendung [11] bestätigten: „Das Risiko entdeckt zu werden, schreckt ab!“

Das Risiko, dass die Nummer des eigenen Handy Wochen später auf Telekommunikationsprotokollen bei der Polizei auftaucht, werden Einbruchs-Profis für überschaubar halten. Entweder sie schalten ihr Handy beim Bruch gar nicht ein. Oder sie entsorgen ihre Mobiltelefone laufend und besorgen sich bei ihren diversen Brüchen immer wieder ein anderes vom bestohlenen Wohnungsbesitzer.

„Modernste Mittel bei Tatortarbeit und Spurensicherung!

Und dann steht noch in den jüngsten Beschlüssen der Innenminister, dass „bei der Tatortaufnahme, der Spurensicherung und -analyse“ modernste technische Mittel zum Einsatz kommen“ sollen.

  • Sarkastisches Auflachen dürfte die Folge sein bei den vielen Bürgern, die schon von Wohnungseinbrüchen betroffen waren. Die festgestellt haben, dass ein/zwei Beamte für die Spurensicherung entweder Stunden nach der Anzeige bei der Polizei aufgetaucht sind oder auch gar nicht kamen. Dass diese Polizeikräfte augenscheinlich allenfalls „schnellbesohlt“ und mit einem Spurensicherungs-Basiskoffer ausgestattet hinausgeschickt werden.
  • Viele Betroffene, die solche Spurensicherungs- und Tatortarbeit am eigenen Beispiel erlebt haben, erzählen ihren Arbeitskollegen, Freunden und Bekannten von ihrer Frustration über die Arbeit der Polizei. Das trägt dann dazu bei, dass ein nicht geringer Prozentsatz von Wohnungseinbrüchen gar nicht mehr zur Anzeige gebracht wird. Weil sich der Betroffene fragt, was Polizei zu all dem Schlamassel Positives beitragen könnte. Und da ihm auf diese Frage keine befriedigende Antwort einfällt, beschließt er, sich den Aufwand einer Anzeige bei der Polizei gleich ganz zu sparen … [c]
  • Auflachen dürften auch die Kriminaltechniker, also die Profis für Tatortarbeit, Spurensicherung und -auswertung in den Polizeibehörden. Diese Leute gehören einer von der Politik zum Schrumpfen verurteilten Gattung an. Seit Jahren grassiert in ihren Kreisen der Personalschwund durch Verrentung oder vorzeitige Pensionierung aufgrund gesundheitlicher, in einem harten (Schicht-)Dienst zugezogener Einschränkungen. Sie werden sich fragen, wer eigentlich die angekündigten „modernsten technischen Mittel“ zum Einsatz bringen soll. Denn für eine Nachbesetzung mit qualifizierten, jungen Kräften ist weder ausreichendes Personal vorhanden, noch entsprechende Ausbildungskapazitäten.
  • Die Folge ist – und wird noch auf Jahre so bleiben – dass professionelle kriminaltechnische Arbeit am Tatort von umfassend qualifizierten Fachleuten nur an solchen Tatorten geleistet werden kann, wo es sich um schwere Straftaten von herausragender Bedeutung handelt. Familie Mustermann, deren Terrassentür aufgebrochen wurde, gehört (, was ja einerseits ein Glücksfall ist,) nicht zum Kreis dieser Auserwählten und wird sich daher auch weiterhin mit keiner bzw. einer Basis-Spurensicherung zufrieden geben müssen.

Das Fazit

Aus der Sicht von potenziellen Geschädigten von Wohnungseinbrüchen in der Zukunft liefern die Pläne der Innenminister zur Bekämpfung des Wohnungseinbruchsdiebstahls ein ernüchterndes Bild:

  • Mehr Polizei?! – gibt’s nicht!
  • Teilen von relevanten Informationen zwischen Polizeibehörden?! – funktioniert im Wesentlichen nur durch manuelle Eingabe, also Doppelarbeit
  • Alle sonstigen Maßnahmen?! Viel Konzept und Plan, nichts praktisch Umsetzbares!

Für die Polizei ist dagegen durchaus etwas rausgesprungen:

  • Polizei darf bald Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen im Fall von Wohnungseinbruch einsetzen
  • Gegenüber Predictive Policing sind die Innenministern weiterhin aufgeschlossen
  • Bei der Tatortaufnahme, Spurensicherung und -analyse“ versprechen sie „den Einsatz modernster technischer Mittel“. Das wirft die Frage auf: Was genau ist es, was die Innenminister unter „modernsten technischen Mitteln“ für die Kriminaltechnik verstehen und wem nützt das?

Aus all dem folgt: Das klingt nach tatkräftigem Handeln, kostet nicht viel und trägt kaum dazu bei, dass Wohnungseinbrüche wesentlich weniger werden. Keine guten Aussichten für künftige Betroffene …

Fußnoten

[a]   EIVER steht für Eigentums- und Vermögensdelikte. Es handelt sich um eine Verbunddatei auf der Basis von Inpol-Fall, hervorgegangen aus der früheren Inpol-Fall-Datei DOK-DEO

[b]   Die Kenntnisnahme irgendwelcher Berichte ist i.d.R. der erste Punkt der Beschlüsse der Innenministerkonferenz zu einem bestimmten Thema. Siehe dazu ‚Typischer Aufbau eines Beschlusses der Innenministerkonferenz‘ in ‚Wie arbeitet die Innenministerkonferenz?‚. 28.11.2016, POLICE-IT

[c]   Daraus folgt wiederum, dass die Gesamtzahl der Wohnungseinbrüche wesentlich höher ist als die Zahl der „Fälle“, die in der Polizeilichen Kriminalstatistik auftauchen. Denn die PKS zählt nur die der Polizei (durch Anzeige) bekannt gemachten / gewordenen Fälle.

Quellen

[1]   Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 2015
https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/PolizeilicheKriminalstatistik/PKS2015/pks2015_node.html

[2]   Georgische Mafia schleust Einbrecher als Asylbewerber ein, 31.03.2016, Welt
http://www.welt.de/politik/deutschland/article153828683/Georgische-Mafia-schleust-Einbrecher-als-Asylbewerber-ein.html

[3]   Visafreiheit für Georgien und die Polizeiliche Kriminalstatistik, 30.08.2016, POLICE-IT
https://police-it.org/visafreiheit-fuer-georgien-und-die-polizeiliche-kriminalstatistik

[4]   Die Zahlen zu den Belastungszahlen für Wohnungseinbruchsdiebstahl stammen aus 2014. Eine Aufbereitung findet sich in
https://de.wikipedia.org/wiki/Wohnungseinbruch

[5]   Sammlung der zur Veröffentlichung freigegebenen Beschlüsse der 204. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder
vom 15. bis 17. Juni 2016 Mettlach-Orscholz (Saarland)
http://www.innenministerkonferenz.de/IMK/DE/termine/to-beschluesse/20160615-17.html?nn=4812328

[6]   Sammlung der zur Veröffentlichung freigegebenen Beschlüsse der 205. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder
vom 29. bis 30. November 2016 Saarbrücken
http://www.innenministerkonferenz.de/IMK/DE/termine/to-beschluesse/20161129-30.html?nn=4812328

[7]   Die Story im Ersten: Einbrecherbanden auf Deutschlandtour, 05.12.2016, ARD (NDR) / Ein Film von Thomas Berbner und Jan Liebold,
http://www.ardmediathek.de/tv/Reportage-Dokumentation/Die-Story-im-Ersten-Einbrecherbanden-au/Das-Erste/Video?bcastId=799280&documentId=39363836

[8]   Die aktuelle Situation ist ein Desaster – Fakten zum polizeilichen Informationsaustausch, 19.06.2016, POLICE-IT
https://police-it.org/die-aktuelle-situation-ist-ein-desaster

[9]   ’Update vom 14.12.2016 – Das BMI widerspricht sich selbst und am gleichen Tag‘ in ‚Trotz geplanter Modernisierung und Vereinheitlichung: Das BMI hält weiterhin am PIAV fest‘, 09.12.2016, POLICE-IT
https://police-it.org/piav-gescheitert-innenminister-neue-alte-visionen

[10]   Beabsichtigte Strafverschärfung bei Wohnungseinbruch kann zu massenhafter Funkzellenabfrage führen, 02.12.2016, POLICE-IT
https://police-it.org/beabsichtigte-strafverschaerfung-bei-wohnungseinbruch-kann-zu-massenhafter-funkzellenabfrage-fuehren

[11]   “Harte Hand und null Toleranz – Was macht Deutschland sicher?“ – phoenix Runde am 29.11.2016

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