Linke und Grüne fordern öffentliche Ausschusssitzungen des Bundestages

Auf so richtig gute Ideen kommen Grüne immer dann, wenn sie nicht regieren. So auch in diesem Fall. Unter der Federführung von Petra Sitte und Britta Haßelmann haben Linke und Grüne bereits im November 2014 gemeinsam einen Antrag im Bundestag eingebracht, in dem die grundsätzliche Öffentlichkeit der Ausschüsse gefordert wird. Erst jetzt wird über diesen Antrag im Plenum abgestimmt.
Im Antrag [1] fordern die beiden Oppositionsfraktionen, den Paragrafen 69.1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages wie folgt zu ändern:

„Die Beratungen der Ausschüsse sind grundsätzlich öffentlich. Die Öffentlichkeit ist hergestellt, wenn der Presse und sonstigen Zuhörerinnen und Zuhörern im Rahmen der Raumverhältnisse der Zutritt gestattet wird. Öffentliche Sitzungen sollen als Echtzeitübertragung (Livestream) im Internet übertragen werden. Soweit gesetzlich bestimmte oder auf §17 beruhende Geheimhaltungsbedürfnisse oder schutzwürdige Interessen Einzelner das Interesse an der öffentlichen Beratung überwiegen, schließt der Ausschuss für einen bestimmten Verhandlungsgegenstand oder Teile desselben die Öffentlichkeit aus…“

In ihrer Begründung verweisen Linke und Grüne auf den Grundgesetz-Artikel 42 in dem es heißt: „Der Bundestag verhandelt öffentlich.“ Dazu stehe die derzeit geltende Geschäftsordnung des Bundestages, wonach Ausschüsse bisher grundsätzlich nicht öffentlich tagen, im Widerspruch. Weiter heißt es dort:

„Man muss die Bevölkerung nicht davor schützen, zu sehen, wie die parlamentarische Demokratie im Einzelnen funktioniert; im Gegenteil: Es ist ihr Anspruch auf Kontrolle und Kritik, der sie am Leben erhält. Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes; Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt zu verfolgen, was politisch geschieht, ist nicht möglich (BVerfG, Urteil vom 5. November 1975, Az. 2 BvR 193/74). … Kontrolle und Kritik durch die Wählerinnen und Wähler würden nachhaltig gestärkt. Die Transparenz bewahrte ggf. Abgeordnete davor, einseitig von Interessenvertreterinnen und -vertretern beeinflusste Änderungsanträge gerade im nichtöffentlichen Ausschuss einzubringen. Belange, die bisher gar nicht von den organisierten Interessenvertreterinnen und -vertretern gegenüber den Abgeordneten repräsentiert werden, fänden u. U. mehr Eingang in den Beratungsprozess des Ausschusses, weil Bürgerinnen und Bürger mehr Einblick hätten, was gerade wie beraten wird.“

Das Büro Petra Sitte teilte auf unsere Anfrage mit, dass es in neun Bundesländern ebenfalls öffentlich tagende Ausschüsse gebe. Und zwar in

  • Bayern,
  • Berlin,
  • Brandenburg,
  • Bremen,
  • Hamburg,
  • Niedersachsen,
  • Nordrhein-Westfalen,
  • Rheinland-Pfalz,
  • Schleswig-Holstein.

Außerdem tagen die Ausschüsse des Europäischen Parlaments ebenfalls öffentlich.
Erstaunlich an dieser Liste ist die Tatsache, dass es weder in Baden-Württemberg (Grüne/SPD, jetzt Grüne/CDU) noch in Thüringen (Linke/SPD/Grüne Mehrheit) bisher öffentliche Ausschusssitzungen in den Landtagen gibt.

In ihrer Beschlussempfehlung lehnen die Koalitionsfraktionen das Ansinnen der Linken und Grünen ab [2]. Die CDU/CSU erklärt zur Begründung, das Grundgesetz kenne den Begriff der ‚Transparenz‘ gar nicht. Im übrigen, so die Unionsfraktionen, sei „der Schluss, dass die Öffentlichkeit einer Ausschusssitzung deren Qualität und die Ergebnisse automatisch verbessere falsch. Richtig sei häufig das Gegenteil, da sich bei einer zu weitgehenden Öffentlichkeit und Transparenz von Ausschusssitzungen die tatsächliche Entscheidungsfindung in andere Bereiche verschiebe, die der Öffentlichkeit entzogen seien.“

Die SPD erklärte, sie sei zwar für mehr Transparenz und auch für Einführung von Livestreams, befürwortet aber „ebenfalls die Beibehaltung der derzeitigen Regelungen in der Geschäftsordnung des Bundestages,“ also den Vorrang für nicht-öffentliche Ausschusssitzungen.

Der Antrag ist als Tagesordnungspunkt 19 der 176. Sitzung am 09.06.2016 angesetzt und dürfte daher in den Nachtstunden der bis nach Mitternacht terminierten Sitzung aufgerufen werden.

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Quellen

[1]     Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte und der Fraktion DIE LINKE, sowie der Abgeordneten Britta Haßelmann und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: Ausschussöffentlichkeit. 05.11.2014, Deutscher Bundestag
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/030/1803045.pdf

[2]     Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss). 02.05.2016, Deutscher Bundestag
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/082/1808299.pdf