Cives-Ticker No. 4

G7-Gipfel: Sternmarsch des Aktionsbündnis am 7.6. in weiten Teilen verboten

Mit einem Sternmarsch von mehreren Orten aus in Richtung Elmau wollte das Aktionsbündnis ‚Stop G7 Elmau‘ den Protest nach Elmau tragen. Wie zu erwarten war, sind die Behörden strikt dagegen. Weite Teile wurden nun „quasi verboten“, wie das Aktionsbündnis etwas kryptisch mitteilt. Man wolle dagegen klagen. Weitere Einzelheiten sollen bei einer Pressekonferenz am morgigen Dienstag bekanntgegeben werden.
Quelle: Presse-Erklärung des Bündnis Stop G7-Elmau vom 01.06.215

G7-Gipfel: Wenn zwei Züge ungebremst aufeinander zu fahren …

…kracht es unausweichlich. Diesen Eindruck vermitteln derzeit sowohl die polizeiliche Einsatzführung als auch der Teil der Gipfelgegner, die Proteste vor Ort im Werdenfelser Land durchführen wollen. Das vom Aktionsbündnis angemeldete Camp für die Gipfelgegner vor Ort wurde von den Behörden verboten, eine Klage ist anhängig, was aufschiebende Wirkung zur Folge haben dürfte.
Das Bündnis will am heutigen Montag mit den Arbeiten für den Aufbau des Camps beginnen. Die Polizei hat angekündigt, sie würde „nirgendwo ein Lager von Demonstranten dulden“, das sie für eine Keimzelle der Gewalt hält. „Auch die Anfahrt zu der gepachteten Fläche ist verboten“.

Die Fronten sind offensichtlich schon jetzt sehr verhärtet. Beide Seiten sind nicht mehr in der Lage, die Position der jeweils anderen Seite verstehen zu wollen und nach einem echten Interessenausgleich zu suchen. Die Staatsmacht vor allem, personifiziert durch die bayerische Polizei, bietet damit ein beschämend unsouveränes Bild.

[Zum Hintergrund: Die Gipfelgegner konnten sich auf eine gemeinsame Haltung zur Gewalt bei den Veranstaltungen nicht verständigen. Die Veranstaltungen der nach eigener Erklärung strikt gewaltfreien finden insbesondere in Form des Alternativgipfels am 3. und 4. und in Form einer großen Kundgebung am 4.6. in München statt.] Quelle: Polizei warnt G7-Gegner vor Protestcamp: Wir greifen sofort ein!, 01.06.2015, Merkur

Politiker und Problemlösungskompetenz
Alles eine Frage der Verhandlungsmacht

Der griechische Ministerpräsident Tsipras sagte gestern, sein Land sei für das Ausbleiben einer Einigung nicht verantwortlich. Vielmehr liege dies „an der Besessenheit von einigen institutionellen Vertretern, die auf unzumutbaren Lösungen bestehen und sich gleichgültig zeigen gegenüber den demokratischen Ergebnissen der jüngsten griechischen Wahlen“. [1] Sinngemäß könnte auch die Bundeskanzlerin so argumentieren, wenn sie nach dem No-Spy-Abkommen mit den USA gefragt wird. Und wäre damit die Verantwortung los.
Quelle: Griechenland: Gespräche mit Geldgebern weiter ohne Ergebnis, 31.05.2015, Standard

Presse und Politik
Merkel-Interview am 01.06.2015 in der Süddeutschen Zeitung

(1): Huldvolle Absichtserklärungen, wenig Greifbares
In der Süddeutschen Zeitung erschien am vergangenen Samstag ein langes Interview mit Kanzlerin Merkel. Es würde einen eigenen, längeren Artikel erfordern, um darzustellen, was eigentlich gefragt war und was die Kanzlerin nicht beantwortet hat.

Bemerkenswert ist insbesondere die Unfähigkeit oder Unwilligkeit auf Argumente einzugehen, die in der Bevölkerung weit verbreitet sind: Über die Unverhältnismäßigkeit dieser Veranstaltung, des Personaleinsatzes und der Kosten. Und über die weit verbreitete Ansicht bzw. Erfahrung von früheren Veranstaltung dieser Art, dass wenig bis gar nichts dabei herauskommt. Merkel teilt mit, dass es „am Ertrag nicht mangeln“ werde, denn „dafür haben wir lange gearbeitet“. Wenn das so ist, fragt man sich allerdings, warum die Schlussnoten über das Ergebnis dieser Arbeit nicht mit wesentlich weniger Aufwand und Kosten ausgetauscht werden können, als hier geplant. Noch einmal auf Aufwand und Kosten angesprochen, teilt Merkel lediglich mit, man wolle „unseren Gästen ein wunderschönes Stück Deutschland zeigen …“.
Quelle: „Am Ertrag wird es nicht mangeln“ 29.05.2015, Süddeutsche Zeitung (kostenpflichtiger Zugang)

(2): Haarspalterei und ausweichende Antworten
Merkel wurde im gleichen Interview auch nach den Aussagen zum angeblichen No-Spy-Abkommen mit Amerika vor der letzten Bundestagswahl gefragt. Hier der O-Ton:
20150601 Merkel SZ Interview
  

TK-Überwachung | Vorratsdatenspeicherung
Kritische Bundesdatenschutzbeauftragte von der öffentlichen Anhörung des Innenausschuss ausgeladen

Andrea Voßhoff, Parteigängerin der CDU und von dieser auch zum Amt der Bundesdatenschutzbeauftragten vorgeschlagen, wurde bisher meist komplette Linientreue mit der Politik der Inneren Sicherheit der CDU/CSU unterstellt. Diese Annahme war entweder zu einfach und/oder die Haltung von Voßhoff hat sich geändert, zumindest, was den neuen Entwurf zur Vorratsdatenspeicherung angeht. Die wirft ihrer Meinung nach nämlich „erhebliche verfassungsrechtliche Probleme“ auf. Eine Ansicht, in der Frau Voßhoff übereinstimmt mit ihrem Amtsvorgänger, Peter Schaar. Der Spiegel berichtet nun in seiner aktuellen Ausgabe, dass die Datenschutzbeauftragte den Innenpolitikern der Fraktionen ihre Bedenken in einer schriftlichen Stellungnahme vorgelegt habe. Heute in einer Woche soll es vor dem Innenausschuss des Bundestages eine öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf geben. Die Bundesdatenschutzbeauftragte sei jedoch „wegen eines Vetos der Union“ daran nicht beteiligt.
Quellen: Union sperrt oberste Datenschützerin aus, 29.05.2015, Spiegel Online
Verfassungs- und europarechtliche Bedenken gegen Gesetzesentwurf zur Vorratsdatenspeicherung, 24.05.2015, Peter Schaar in Telepolis

Überwachung NSA
Analyse Paralyse

Im amerikanischen Kongress wurde in den letzten Tagen vehement debattiert darüber, welches neue Mandat die NSA für Überwachungsmaßnahmen gegenüber amerikanischen Bürgern erhalten soll, bevor der Patriot Act zum heutigen Montag ausläuft. Bekanntlich konnte man sich bisher noch nicht einigen, so dass das Abhören der eigenen Bevölkerung in den Vereinigten Staaten zumindest derzeit nicht zulässig ist.

In dieser Debatte spielte auch die Stellungnahme eines NSA-Analytikers eine Rolle, die der schon 2011 verfasst hatte. „Analyse-Paralyse [etwa: Lähmung durch bzw. bei der Analyse] ist nicht nur ein nettes Wortspiel. Es ist das, was passiert, wenn man so viel Zeit mit der Analyse der Situation verbringt, dass letztendlich jedes Ergebnis unmöglich wird. Das ist es, was bei der Auswertung von Informationen aus Maßnahmen der strategischen Überwachung geschieht, wo wir Zugriff auf schier endlose Informationen und damit Möglichkeiten haben und uns daran aufarbeiten, die aussichtsreichsten zu priorisieren, einzuengen und auszuschöpfen.“

Wieder mal sagt ein Insider genau das, was bisher immer hinterher als Erklärung angeführt wurde auf die Frage, warum Terroranschläge trotz umfangreicher Überwachung nicht verhindert werden konnten: Egal, ob bei den Anschlägen vom 11.9. oder zuletzt beim Attentat auf den Boston-Marathon. Immer hieß es: Wir hatten die Informationen – im Prinzip – aber wir haben ihre Relevanz nicht erkannt.
Quelle: Inside NSA, Officials privately criticize, „collect it all“ surveillance, 28.05.2015, TheIntercept