Chelsea Manning im Hungerstreik

Chelsea Manning ist am Freitag in den Hungerstreik getreten. Manning, ehemals IT-Spezialist beim US-Militär war 2013 wegen der Weitergabe von Dokumenten an Wikileaks zu 35 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Weltweit bekannt wurde das Video, in dem zu sehen ist, wie eine amerikanische Hubschrauberbesatzung zwei Journalisten in Bagdad auf offerner Straße regelrecht jagt und erschießt.
Manning ist seit ihrer Verhaftung gravierenden Schikanen ausgesetzt. Im Juli beging sie einen Selbstmordversuch, der mit weiteren Repressalien, u.a. wegen ‚Behinderung der Vollzugsbeamten‘ beantwortet wurde. Sie möchte mit ihrem Hungerstreik erreichen, dass ihr mehr Würde und Respekt in der Haft entgegengebracht wird.

Die Vorgeschichte

Haftbedingungen, Selbstmordversuch und daraufhin eingeleitete Ermittlungsverfahren

Manning hat im Juli 2016 einen Selbstmordversuch unternommen. Beamte des US-Militärs teilten ihr danach mit, dass gegen sie ein Ermittlungsverfahren anhängig sei wegen „Widerstands gegen Vollzugsbeamte“, „verbotenen Eigentums“ und „bedrohlichen Verhaltens“. Die Folgen davon könnten unbegrenzt lange Einzelhaft sein oder die Rückkehr zu einer Haft unter Hochsicherheitsbedingungen.
Menschenrechtler in den Vereinigten Staaten sind besorgt über die Behandlung von Chelsea Manning im Militärgefängnis. Seit ihrer Verhaftung im Jahr 2010 wurde sie mehrfach für lange Zeit in Einzelhaft gehalten und wiederholt vollkommen entkleidet.

Ein Sprecher des amerikanischen Außenministeriums hatte den Umgang mit ihr als „lächerlich, kontraproduktiv und dumm“ bezeichnet, dies jedoch als seine persönliche Meinung dargestellt. Präident Obama, mit dieser Meinung konfrontiert, erklärte dazu:

„Was den Gefreiten Manning angeht …: Tatsächlich habe ich das Verteidigungsministerium gefragt, ob die Art und Weise, wie man ihn/sie in der Haft behandelt, angemessen sind und unseren Grundnormen entsprechen. Sie haben mir zugesichert, dass dem so ist. …“

Seit ihrer Verurteilung hat man Manning wiederholt mit unbegrenzter Einzelhaft gedroht als Sanktion für so lässliche Vergehen wie das Behalten einer leeren Tube Zahnpasta in ihrer Zelle.

Manning als Whistleblower

Manning, damals noch der Gefreite Bradley Manning, war als IT-Spezialist bei der amerikanischen Armee beschäftigt. Manning wurde 2010 verhaftet unter dem Vorwurf, hunderttausende von Dokumenten über den amerikanischen Krieg im Irak und in Afghanistan an Wikileaks weitergegeben zu haben. Darunter war auch das sehr bekannt gewordene Video, das zeigt, wie eine Hubschrauberbesatzung zwei Journalisten im Bagdad regelrecht jagt und erschießt. Manning’s Enthüllungen haben belegt, dass die Zahl der zivilen Opfer in den beiden Kriegsgebieten weitaus größer war, als vom Pentagon zugegeben.

Manning wurde 2013 von einem Militärgericht der Spionage für schuldig befunden und zu 35 Jahren Haft verurteilt.

Bradley ist schon lange Chelsea

Einen Tag nach ihrer Verurteilung erklärte sie, sich seit ihrer Kindheit als Frau zu fühlen und beantragte eine Hormonersatztherapie zur geschlechtlichen Anpassung. Ihr Antrag zur Änderung des Vornamens Bradley in Chelsea Elizabeth wurde 2014 rechtskräftig. Das Pentagon hat ihrem Antrag auf Hormontherapie 2015 zugestimmt. Sie wird jedoch nach wie vor in einem Männergefängnis inhaftiert, wo eine solche Therapie nicht vorgesehen ist und dort wie ein Mann behandelt, so u.a. auch zum regelmäßigen, in der Armee üblichen Kurzhaarschnitt gezwungen.

Die Erklärung von Chelsea Manning

Manning sagt in ihrer Erklärung vom 9.9.2016:

„…Ich brauche Hilfe. Ich erhalte keine. Ich habe in den letzten sechs Jahren wieder und wieder um Hilfe gebeten… Meine entsprechenden Anträge wurden ignoriert, verschleppt, lächerlich gemacht und vom Militär und der Regierung mit billigen Antworten und hohlen Versprechungen abgespeist.
Ich brauche Hilfe. Und ich hätte früher in diesem Jahr Hilfe gebraucht. Ich wurde zum Selbstmord getrieben durch den Mangel an Rücksicht auf meine transgender Situation, eine Zuwendung, die ich so dringend gebraucht hätte. … Stattdessen werde ich zur Zeit dafür bestraft, dass ich meinen Selbstmordversuch überlebt habe. …
Ich habe heute beschlossen, dass ich nicht zulassen werde, von diesem Gefängnis oder von irgend jemandem in der Regierung weiterhin schikaniert zu werden. Ich habe nichts mehr getan, als um Würde und Respekt zu bitten – von denen ich früher tatsächlich einmal geglaubt habe, dass sie jedem Menschen zustehen.
Ich glaube nicht, dass die Gewährung von Würde und Respekt abhängig gemacht werden dürfen von willkürlichen Kriterien: Ob du transgender bist oder nicht, ob du Militärangehöriger bist oder Zivilist, ob du Bürger dieses Landes bist oder nicht. Als Reaktion auf praktisch jeden Antrag, den ich gestellt habe, habe ich allenfalls sehr begrenzt Würde und Respekt erfahren, jedoch noch eimal mehr Leid und Schmerz.
Ich bitte daher nicht länger. Ich stelle jetzt Forderungen: Vom Mittag des 9. September 2016 ab werde ich mich weigern, mein Haar schneiden oder kürzen zu lassen, ich werde freiwillig kein Essen zu mir nehmen oder Trinken, abgesehen von Wasser und den mir aktuell verschriebenen Medikamenten und dies solange, bis mir ein Minimum an Würde, Respekt und Menschlichkeit entgegengebracht wird. Ich werde alle Regeln, Regularien, Gesetze und Anweisungen beachten mit Ausnahme der beiden Dinge, die ich gerade genannt habe.
Mein Vorgehen ist friedfertig. Ich habe vor, dies – auf meiner Seite – so friedfertig und nicht gewalttätig wie möglich zu belassen. Jegliche physische Verletzung, die mir möglicher Weise durch militärisches oder ziviles Personal zugefügt wird, ist unnötig und rachsüchtig. Ich werde keinen physischen Widerstand leisten und andere Personen nicht verletzen. …
Bevor man mir nicht wieder Würde und Respekt als Mensch entgegenbringt, werde ich das vor mir liegende Leid ertragen. Ich bin darauf mental und physisch vorbereitet. Ich gehe davon aus, dass dieser Leidensweg ein langer sein wird. Möglicher Weise auch bis zu meiner dauerhaften Entmündigung oder meinem Ende. Ich bin darauf vorbereitet.“

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