NSA über die Zusammenarbeit mit Diensten von Drittstaaten

In den Wochen nach den ersten Enthüllungen durch Edward Snowden – im Sommer 2013 – hatten wir eine Reihe von Artikeln zur Zusammenarbeit zwischen BND und NSA und zum Verhalten der Bundesregierung und insbesondere der Bundeskanzlerin veröffentlicht. Nach der Bundestagswahl im September 2013 dauerte es dann noch fast ein halbes Jahr, bis der NSA-Untersuchungsausschuss eingesetzt wurde. Und nach und nach wurden – auch in Amerika – weitere Dokumente aus dem Snowden-Fundus veröffentlicht. Der folgende Artikel bringt eine deutsche Übersetzung eines Dokuments der NSA, in dem diese darstellt, wie man sich die Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten von Drittstaaten so vorstellt. Der Artikel erschien erstmals am 29. Juni 2014 auf dem Polygon-Blog. Wir veröffentlichen ihn hier noch einmal, weil schon viel wieder in Vergessenheit geraten ist, was früher schon einmal öffentlich bzw. bekannt war.

Umfassende Daten über das Leben und die Aktivitäten von Bürgern bzw. aller Internet-Nutzer und dies weltweit. Auf diesen offen zu Tage liegenden Rohstoff setzen die Vereinigten Staaten bei ihrer „SIGINT“, zu deutsch Technischen Aufklärung.

Die Spuren, die der einzelne bei der Nutzung des Internet hinterlässt, ermöglichen es den Nachrichtendiensten, ihn zu lokalisieren, zu beschreiben und sein Handeln besser zu verstehen. Dieser Rohstoff muss nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln beschafft werden, sondern liegt offen zutage. “Open source” / offene Quellen nannten es die Amerikaner schon in ihrem Konzeptpapier „Vision 2015“ [, über das wir hier [1] berichtet hatten]. Sie sprachen dort von einer “Sintflut” (deluge) von Daten, die es auszuschöpfen gilt. In einem weiteren Strategiepapier zur SIGINT im Zeitraum 2012 bis 2016 [2] ist die Rede vom „goldenen Zeitalter der SIGINT“ .

Wer über Internet-Nutzer aus Afghanistan genauso Bescheid wissen will, wie aus Zimbabwe, braucht Partnerdienste von gleicher Denkweise und gleichem Schlag. Nachrichtendienste, die in ihrem jeweiligen Bereich Zugriff haben auf Datenkabel und Internet-Knoten und die faktische oder legale Macht und Fähigkeit, sich die Informationen zu besorgen, die sie gerne hätten. Daher liegt nahe, dass die NSA auf Kooperation mit Diensten in anderen Ländern setzt. Die Zusammenarbeit wird als Win-Win-Situation verkauft. „Wir stellen bewährten und verlässlichen Partnern hochentwickelte Technologie zur Verfügung“, sagt die NSA [3] „und erwarten im Gegenzug zweierlei: Erstens Zugang (access) [zum Abschöpfen von Kommunikationsdaten / d. Verf.] , wie ihn in dieser einzigartigen Weise nur der Partner im jeweiligen Land bieten kann und zweitens die Bereitschaft, ein politisches Risiko einzugehen.“

Dass solche klaren Worte inzwischen öffentlich sind, ist Edward Snowden zu verdanken. Im Fundus der ‚Snowden‘-Dokumente, veröffentlicht auf der Seite der amerikanischen Bürgerrechtsorganisation (http://www.aclu.org) findet sich ein Einseiter vom 15.09.2009: Es ist die Wiedergabe eines Interviews zwischen dem Redakteur von SID-Today, einer Art Intranet-„Zeitung“ der NSA-Abteilung für technische Aufklärung (SID directorate = Signal Intelligence Directorate) und einem namentlich nicht genannten Mitarbeiter „NN“ der NSA-Abteilung für Auswärtige Angelegenheiten [NSA’s Foreign Affairs directorate]. Wir geben dieses Dokument übersetzt und nur unwesentlich gekürzt im Folgenden wieder:

[Einleitung des Interviewers]
„Wir haben uns in einigen vor kurzem erschienenen Beiträgen mit bestimmten Kooperationen zwischen der NSA und Dritt-Partnern beschäftigt. Heute wollen wir einen Schritt zurück gehen und das Große Ganze betrachten: Welche Motivation liegt dem Verkehr der NSA mit Drittpartner-Staaten zugrunde und welches Vorgehen wird dabei gewählt? Um dies herauszufinden, hat SIDToday NN [Bild] von der Einsatzgruppe für technische Aufklärung (SIGINT Operations Group) der NSA-Abteilung für Auslandsbeziehungen (NSA’s Foreign Affairs Directorate) gebeten, einige Fragen zu beantworten. Hier ist, was NN uns mitgeteilt hat:

1. Knüpft die NSA Beziehungen an mit Drittpartnern, um bestimmte, kurzfristige Notwendigkeiten zu befriedigen oder wählen wir (eher) einen langfristigen Ansatz, der darauf ausgerichtet ist, Beziehungen über Jahrzehnte zu entwickeln, auch dann, wenn sie für einige Zeit keinen Ertrag bringen?

[Antwort:] „Wir bauen Beziehungen zu ausländischen Partnern auf, um Anforderungen der US-Nachrichtendienste zu erfüllen. Für bestimmte, kurzfristige Erfordernisse mag es ausreichend sein, dass wir die CIA (Chiefs of station) an solchen Standorten nutzen, wo wir nicht über eine SIGINT-Partnerschaft verfügen. [Solche] formellen Kooperationen erfordern beträchtliche Mittel; wenn wir also unsere Ziele – insbesondere kurzfristige Ziele – durch Einschaltung der CIA erreichen können, ist das ok. Wenn andererseits der Austausch [] in Menge oder Komplexität zunimmt, oder wenn eine direkte Partnerschaft notwendig wird [z.B. weil wir zeitnahen, direkten Austausch von Informationen brauchen), dann werden wir eine formelle SIGINT-Partnerschaft aufbauen, nachdem dies vom DNI genehmigt wurde.

Viele unserer entsprechenden Beziehungen umfassen, in der Tat, schon mehrere Jahrzehnte, was es uns erlaubt, mehr wechselseitiges Vertrauen und Sich-Aufeinander-Verlassen aufzubauen. Dies hat zu einem Ausbau der Zusammenarbeit geführt, und in Folge dazu, dass die NSA z.B. bereit sein kann, auch hochentwickelte Technologien mit einem bewährten und zuverlässigen Partner zu teilen unter der Voraussetzung, dass dieser Partner seinerseits die Bereitschaft hat, etwas politisch Riskantes zu tun. Um Vertrauen aufzubauen, braucht es Jahre, aber es kann in sehr kurzer Zeit auch wieder verloren gehen.

„2. Worauf sind wir aus? Sind es die Zugänge [zu Informationen], über die unsere Partner verfügen, oder ist es ihre Fachkenntnis über ein bestimmtes [Aufklärungs-]Ziel … oder ist es unmöglich, dies zu generalisieren, weil es sich von Fall zu Fall unterscheidet?“

[Antwort:] „Ja, ja und … Ja! Die geografische Lage unserer Partner und ihr Zugang zur Kommunikation von Aufklärungszielen oberster Priorität sind ein riesiges Plus, genauso aber auch ihre Fachkenntnis über bestimmte Ziele. Abgesehen von seltenen Ausnahmen kennen sie ihre regionale Nachbarschaft besser als wir und sie unterstützen uns ganz außerordentlich , wenn es um die [entsprechenden] Fremdsprachen geht.“

3. Sind unsere nachrichtendienstlichen Beziehungen mit ausländischen Partnern normalerweise unbeeinflusst vom kurzfristigen politischen Auf und Ab oder nicht?
[Antwort:] „Aus vielerlei Gründen werden unsere nachrichtendienstlichen Beziehungen nur selten von politischen Störungen beeinflusst, weder von internationalen, noch von inländischen. Denn – erstens – unterstützen wir unsere Partner beim Ausgleich von kritischen nachrichtendienstlichen Defiziten, ganz so, wie sie uns unterstützen. Zweitens: In vielen Hauptstädten unserer ausländischen Partner haben nur wenige hochrangige Beamte außerhalb des Verteidigungs- bzw. Nachrichtendienst-Apparats überhaupt Kenntnis von einer SIGINT-Beziehung zu den Vereinigten Staaten / der NSA.

[…]

4. Was wollen Drittpartner üblicher Weise von uns? Und was springt für sie raus bei dieser Beziehung?
[Antwort:] „Allgemein gesprochen, wollen Drittpartner Zugang zu unserer Technologie und teilhaben an unserer regionalen bzw. globalen Abdeckung. Im Austausch dafür, dass sie uns einzigartige Zugänge ermöglichen, analytische Kompetenz über die jeweilige Region zur Verfügung stellen und unser Frühwarnsystem unterstützen, versorgen wir sie mit technischen Lösungen (z.B. Hardware, Software) und/oder Zugang zu entsprechenden Technologien. Wir müssen uns vor Augen halten, dass unserer Partner darum bemüht sind, ihre eigenen, nationalen nachrichtendienstlichen Anforderungen zu erfüllen. Abgesehen von der Unterstützung, die wir im Krisenfall leisten, können wir unsere SIGINT-Partnerschaften nur voranbringen, wenn die Anforderungen der Vereinigten Staaten sich in Deckung bringen lassen mit deren Anforderungen. „

Der Interviewer bedankt sich für das Gespräch und unterstreicht seine Erkenntnis, dass die Abteilung für Auslandsbeziehungen der NSA eine „enabling organization“ sei, die ihre Beziehungen zu Auslandspartnern nicht in einem Vakuum pflegt, sondern in voller Übereinstimmung und ständiger Abstimmung mit den sonstigen Entscheidern der nachrichtendienstlichen Gemeinde der Vereinigten Staaten.

Bei dieser allgemeinen Darstellung sollte es allerdings nicht bleiben. In den ‚Snowden‘-Dokumenten finden sich auch ausführliche und konkrete Aussagen über Dauer, Art und Umfang der Zusammenarbeit zwischen der NSA und den deutschen Diensten, insbesondere dem BND, BfV und BSI. Lesen Sie
dazu morgen mehr an dieser Stelle …

Quellen zu diesem Beitrag

[1]   Teil 7 vom 02. August 2013: Eng aufeinander abgestimmt: Das amerikanische ‚Vision 2015‘-Konzept und die Politik der Inneren Sicherheit in Europa
[2]    SIGINT-Strategy 2012 – 2016, NSA / CSS, 23.02.2012 in der Datenbank der ‚Snowden‘-Dokumente auf http://www.aclu.org
[3]    What Are We After With Our Third Party Relationship? — And What Do They Want From Us, Generally Speaking? 15.09.2009, SID-Today [Intranet-Publikation der Abteilung für technische Aufklärung [SIGINT Directorate], in der Datenbank der ‚Snowden‘-Dokumente auf http://www.aclu.org

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