Auskunftsersuchen nach § 112 TKG – statistisch aufgebohrt

Die Bundesnetzagentur arbeitet jährlich in ihrem Jahresbericht [1] das automatisierte Auskunftsverfahren nach § 112 Telekommunikationsgesetz (TKG) auf. Aufgrund dieser Regelung können die gesetzlich berechtigten Stellen, in der Regel sind das die Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendienste, bei der Bundesnetzagentur Kundendaten wie Name, Anschrift oder Rufnummer ersuchen. In den letzten Jahren riefen die Behörden über diesen Weg immer häufiger die zu bestimmten Anschlüssen gehörenden Namen der Anschlussinhaber ab. Gelöscht werden diese Daten in den polizeilichen Informationssystemen jedoch selten bis nie.

Wie Ersuchen und Abfragen funktionieren

Die Bundesnetzagentur leitet diese „Ersuchen“ automatisiert in Form einer „Abfrage“ an die TK-Diensteanbieter weiter und führt die Antworten zusammen. Derzeit dürfen 107 Behörden diese Anfragen stellen, 116 Telekommunikationsunternehmen nehmen am Verfahren teil. In den Behörden werden „mehrere tausend“ Abfragestellen betrieben, berichtet die Bremer Datenschutzbeauftragte in ihrem gestern vorgestellten Tätigkeitsbericht [2]. Die Bundesnetzagentur dient bei der Abfrage als Vermittlerin. Eine solche Abfrage kann über eine kleine Funktion im polizeilichen Fallbearbeitungssystem angestoßen werden; das später zurückkommende Ergebnis wird dann direkt im Fallbearbeitungssystem gespeichert. Abfrageergebnisse führen also zu einer Anreicherung des polizeilichen Informationsbestandes.

Namens- und Nummernersuchen

Bei einem Namensersuchen stößt die Bundesnetzagentur bei allen 115 TK-Unternehmen eine Abfrage an, da unbekannt ist, bei wem eine Person welche und wie viele Rufnummern hat. Wenige Namensersuchen erzeugen daher eine große Anzahl von Abfragen. Im Jahr 2015 erzeugten deshalb 0,22 Mio. Ersuchen 25,19 Mio. Abfragen.
Bei einem Rufnummernersuchen erhalten die Behörden Auskünfte zu Namen, Anschrift und Netzbetreiber der abgefragten Rufnummer. Hier müssen wesentlich weniger Unternehmen abgefragt werden. Deshalb gab es im Jahr 2017 bei 7,4 Mio. Rufnummernersuchen nur 9,54 Mio. Abfragen.

Steigende Zahl von Namensermittlungen

Während im Jahr 2008 noch 18-mal so viele Namen wie Rufnummern ersucht wurden, waren es 2015 bereits 34-mal so viele. Dies kann auf die in den letzten Jahren immer beliebter werdenden Funkzellenabfragen [3] zurückgeführt werden, bei denen pro Abfrage je nach Uhrzeit und Ort wenige bis zigtausende von Rufnummern erfasst werden können.

(Quelle: [1]) Sicherheitsbehörden stoßen immer häufiger Rufnummernabfragen an, mit denen der Anschlussinhaber ermittelt wird.

Ermittlungsansätze, z.B. nach Wohnungseinbrüchen

Aus Nordrhein-Westfalen ist beispielsweise zu vernehmen, dass Funkzellenabfrage gerne zur Ermittlung von mutmaßlich bandenmäßig organisierten Einbruchs-Serien verwendet werden. Denn auch wenn ein bei einem Einbruch Beteiligter nicht telefoniert, hinterlässt sein nicht ausgeschaltetes Handy dennoch nützliche Positionsdaten. Wenn dann bei verschiedenen Einbrüchen die gleiche(n) Rufnummer(n) auftauchen, ist das ein wertvoller Ermittlungsansatz für die Polizei.

Bestandsdatenersuchen gehören zum Alltagsgeschäft

Werden die Bestandsdaten-Auskünfte der Bundesnetzagentur tatsächlich genutzt, um TK-Überwachungsanordnungen vorzubereiten? Die Zahlen verneinen das: So kommen auf eine einzige TK-Überwachungsanordnung im Schnitt der letzten acht Jahre rund 1.580 Abfragen. Gleichwohl stehen sowohl die Abfragen und die Ersuchen durchaus in einer Relation zu den TK-Überwachungsanordnungen [4]: Im Jahresverlauf entwickeln sich beide Zahlen mit ähnlicher Intensität, was wahrscheinlich auf eine ähnliche Entwicklung der Ermittlungsverfahren zurückzuführen ist. Das lässt darauf schließen, dass das Bestandsdatenersuchen ein Bestandteil der täglichen Ermittlungsarbeit ist.

Sowohl Auskunftsersuchen wie die Summe der Erst- und Verlängerungsanordnungen für Telekommunikationsüberwachungsanordnungen entwickeln sich mit ähnlicher Intensität. (Quelle: [1], [4])

Vom Umgang mit den Datenbergen in der Praxis

Die abgefragten Namen und Rufnummern werden so lange in den Informationssystemen von Polizei und Staatsanwaltschaft gespeichert, bis das jeweilige Verfahren endgültig abgeschlossen ist. Im Falle von Ermittlungen, die nicht mit Verurteilungen enden, werden die Daten erst dann gelöscht, wenn die Löschfrist für die entsprechenden Daten abgelaufen ist. Und selbst die kann im begründeten Einzelfall verlängert werden. In den polizeilichen Fallbearbeitungssystemen häuft sich damit über die Jahre ein immer größerer Datenberg an.

Prüfungen von Datenschutz-Aufsichtsbehörden, ob die Löschfristen von Polizei und Staatsanwaltschaften eingehalten werden, sind selten. In Bayern führte jedoch der Landesdatenschutzbeauftragte Thomas Petri in den vergangenen Jahren mehrere erfolgreich durch. Zuletzt stellte er bei einer Prüfung bei zwei Staatsanwaltschaften fest, dass diese mit den bei Funkzellenabfragen erhobenen Daten höchst unterschiedlich umgehen [5]: Während die eine Behörde die Betroffenen benachrichtigte, was eine Löschung nach sich zog, war dies bei der anderen aktenkundig nicht der Fall.

Systematische Prüfungen bei den Polizeibehörden stehen noch aus: Wie notwendig diese sind, hatte Petri bereits bei der stichprobenartigen Prüfung des bayerischen „Kriminalaktennachweises“ (KAN) feststellen müssen: Die Daten mehrere tausend Bürger waren entweder unberechtigt oder zu lange gespeichert worden. Sogar die Bayerische Staatszeitung sprach nach Bekanntwerden der Prüfung von einer „Speicheritis“, die beendet werden solle [6].

Quellen

[1]   Jahresbericht 2015, Bundesnetzagentur
https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Allgemeines/Bundesnetzagentur/Publikationen/Berichte/2016/Jahresbericht2015.pdf?__blob=publicationFile&v=2

[2]   Tätigkeitsbericht der Bremer Landesbeauftragten für Datenschutz 2016
https://ssl.bremen.de/datenschutz/sixcms/media.php/13/39.%20Jahresbericht%20Datenschutz.pdf

[3]   Überwachung per Mobilfunk: Länder nutzen Funkzellenabfrage intensiv, 101. 03. 2017, heise online
https://www.technologyreview.de/newsticker/meldung/Ueberwachung-per-Mobilfunk-Laender-nutzen-Funkzellenabfrage-intensiv-3641386.html

[4]   Jährliche Statistik des Bundesamts für Justiz
https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/Justizstatistik/Telekommunikation/Telekommunikationsueberwachung_node.html

[5]   Prüfung von Funkzellenabfragen, Tätigkeitsbericht des Bayerischen Landesdatenschutzbeauftragten für die Jahre 2015/2016
https://www.datenschutz-bayern.de/tbs/tb27/k5.html#5.3.2

[6]   Schluss mit der Speicheritis, 26. 02. 2016. Bayerische Staatszeitung
http://www.bayerische-staatszeitung.de/staatszeitung/landtag/detailansicht-landtag/artikel/schluss-mit-der-speicheritis.html

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